Ausgabe 09/2005
September 2005

"Kampfhunde" -

Wirklich eine Gefährdung für Mensch und Tiere?

Gemeinsam sind wir stark
Foto: Norbert Pfannmöller

Vorwort

Dieser Artikel wurde vor einigen Jahren bereits im ersten "Kaukasen-Blättle" veröffentlicht (Anm. d. Red.: Zeitung für die damalige Landesgruppe Baden-Württemberg im Kaukasischen Schäferhunde Club - KSHC). Auch wenn er nicht in allen Punkten die Meinung der Redaktion vertritt, ist er auch heute noch wichtig.

Denn die Diskussionen über Verordnungen und Rasselisten sind zwar etwas aus der Öffentlichkeit verschwunden. Aber hinter den Kulissen wird nach wie vor an neuen Gesetzen und Verordnungen gearbeitet. Dies bedeutet dann eben keine Entwarnung, sondern sehr wahrscheinlich eine erneute und strengere Verschärfung der bestehenden Regelungen.

Sicher wird eine ganze Menge davon abhängen, wie sich die politische Landschaft entwickelt, nur zu früh freuen über manche Gerichtsurteile sollten wir Hundehalter uns nicht.

Und noch etwas wollen wir mit diesem Artikel erreichen. Nämlich zu verhindern, daß die Besitzer anderer Rassen glauben, sie könnten die derzeit immer noch gelisteten Rassen im "Regen stehen lassen". Nur wenn Vereine und Halter solidarisch sind, kann man den Politikern etwas entgegensetzen.

Die Redaktion

Am 23. 06. 1995 wurde in Frankfurt eine ältere Dame von einem American-Staffordshire Terrier angefallen und starb kurze Zeit danach. Dieser Hund war bereits in der Vergangenheit durch Aggressionen gegen Menschen und Tiere auffällig geworden. Sofort entbrannten wieder Diskussionen über die Gefahren, die von Hunden ausgehen. Die immense Beißkraft sogenannter "Kampfhunde" wurde hervorgehoben, obwohl keinerlei wissenschaftliche Studien diese Aussagen belegen können und insbesondere die Medien nutzten diesen Fall für eine reißerische Aufmachung.

Eine objektive Berichterstattung war nicht gefragt, Tendenziös wurde unter anderem ein Verbot dieser und ähnlicher Rassen gefordert. Auch vermeintliche Fachleute unterstützten diese unsinnige Forderung. Mit einem solchen Verbot kann aber die Gefahr, welche von einzelnen Hunden ausgehen kann, nicht beseitigt werden. Es gilt, der Sache auf den Grund zu gehen und zu erforschen, warum es zu solchen Handlungen von Hunden kommt. Das Ergebnis möchte ich vorwegnehmen. In der Regel wird der Mensch der Schuldige sein, der in irgend einer Weise versagte.

Den heute landläufigen Begriff "Kampfhunde" oder "Kampfhunderassen" gibt es im kynologischen Sprachgebrauch nicht. In der deutschen Ausgabe des Kynos Atlas von Wilcox und Walkowicz - ein in der Fachwelt anerkanntes Werk für Beschreibungen der Hunderassen - wird zwar über Kampf- und Kriegshunde berichtet, jedoch spiegelt diese Wortwahl nicht die Meinung der Verfasser wieder, welche in der amerikanischen Originalausgabe diese Kapitel unter die Überschrift Mastiff's setzen. Die heute unter den Begriff fallenden Rassen gehen alle auf übergroße, gigantische doggenartige Hunde aus Tibet zurück, welche vor ca. 7000 Jahren lebten. Diese Molossertypen fanden in den folgenden Jahrhunderten bei der Jagd, bei der Bewachung der Herden aber auch in kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Verwendung.

Foto: Norbert Pfannmöller

Durch hoheitliche Auflagen bedingt, kreuzte die Landbevölkerung im Mittelalter in England kleinere Schläge ein, so daß nach und nach - neben den Molossern - die heutigen , kleineren Rassen dieser Art entstanden. Obwohl in diesen Rassen noch das Erbgut vorhanden ist, werden diese Tiere zu Unrecht angeprangert. Richtig erzogen, bestechen diese Tiere durch ihre Gutartigkeit und Freundlichkeit (so auch Wilcox und Walkowicz in "Hunderassen der Welt").

Es kann auch nicht sein, daß ganze Rassen verboten werden sollen, obwohl keine wissenschaftlichen Studien ihre angeblich abnorme Gefährlichkeit belegen (Dr. Feddersen-Petersen, Uni Kiel) Ein solches Verbot würde auch nicht den gewünschten Erfolg erbringen, da Menschen , die die Anlagen solcher Rassen missbrauchen , auf andere geeignete Hundetypen zurückgreifen würden. Schon heute ist festzustellen, daß ursprüngliche Rassen wie der Owtscharka (Anm. der Red. "Kaukasischer Schäferhund") oder Kangal mehr und mehr Anhänger finden, obwohl viele von diesen Haltern sich nicht über das in diesen Hunden - insbesondere bei Importen - schlummernde Gefahrenpotential bewusst sind und keine Erfahrung mit solchen Tieren besitzen.

Nach einer Erhebung des Deutschen Städtetages und der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NWR aus dem Jahre 1991 wurde festgestellt, daß es im Schnitt pro Stadt und Jahr zu 7,2 Fällen von Körperverletzungen durch Hunde kommt. Davon sind 5 % als schwere Verletzungen einzustufen . Bei über 94 % lagen die Ursachen in einem Fehlverhalten des Hundehalters. Weiter ist zu bedenken, daß bei dieser Erhebung die sogenannten "Kampfhunderassen" in ihrer Auffälligkeit hintere Platzierungen belegen (Staffordshire Terrier Platz 26 nach Pudel und Dackel).

Bei Auswertung dieses belegbaren Zahlenmaterials muss es jedem begrifflich werden, daß Hunde für das Zusammenleben in der heutigen Gesellschaft nicht das oftmals unterstellte Gefahrenpotential beinhalten. Somit kann und darf es auch nicht sein, daß Halter bestimmter Hunderassen einer pauschalen Diffamierung unterliegen, letztlich nur, weil sich einige wenige Menschen das Erbgut einzelner Tiere zunutze machen und es auf fragliche Art und Weise für ihre verwerflichen Ziele fördern und verstärken. Bislang hat noch niemand angedacht, ein Messer, welches wir zum Brotschneiden benutzen, verbieten zu lassen, da es in den falschen Händen zu einem tödlichen Werkzeug werden kann.

Diese falschen Hände sind in der Lage, bei sogenannten "Kampfhunderassen", aber bei Bedarf auch bei anderen prädestinierten Rassen zum einen durch Zuchtselektion - Zielsetzung: extreme Aggression ohne Sozialverhalten in Verbindung mit überdurchschnittlicher Härte - und zum anderen durch brutale Ausbildungsmethoden aus den Tieren "Bestien" zu machen. Solche asozialen Hunde, die auch bei anderen Rassen vorzufinden sind, werden insbesondere dann auffällig, wenn der Halter - leichtsinnig oder aber bewusst -, bei dem Umgang mit ihnen die ihm obliegenden Pflichten verletzt.

Foto: Norbert Pfannmöller

Insbesondere hier sind die Ordnungsbehörden gefordert. Die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen sind ausreichend, um andere Menschen und Tiere zu schützen. Es bedarf nur ihrer Anwendung, die oftmals von den zuständigen Behörden versäumt wird. So besteht zum Beispiel auch die Möglichkeit über eine Untersuchung des Tieres und ein Gutachten festzustellen, welche Gefährdung von ihm ausgehen kann, um dann die erforderlichen Auflagen zu erteilen. Es ist nicht richtig, daß nach der bestehenden Rechtslage - wie oftmals, leider auch von Fachleuten , fälschlich angenommen wird - der "erste Biss" frei ist. Bei angemessener Reaktion der zuständigen Behörden wären sicherlich einige Vorfälle mit Hunden vermieden worden. Es ist aber keine extreme Auslegung der bestehenden Gesetze und Vorschriften zu fordern. Ursache und Folge sollten immer in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen.

Wird bei der Begutachtung anhand von typischen Vernarbungen festgestellt, daß die Tiere zu Hundekämpfen missbraucht wurden - hierauf sollte verstärkt geachtet werden - oder ist gar eine Ausbildung gegen Menschen nachweisbar, ist in jedem Falle zu prüfen, ob ein generelles Hundehaltungsverbot und die Einschläferung des Tieres verfügt wird. Halter, die ihre Tiere für Kämpfe missbrauchen, sind als ungeeignet einzustufen. Die missbrauchten Tiere beinhalten durch das entsprechende Training und die gesammelten Erfahrungen ein Gefahrenpotential, welches auch durch Resozialisierungsversuche nicht herabzumindern ist. Es besteht immer die Gefahr, daß die Hunde in bestimmten Situationen, auf Grund der gemachten Erfahrungen, in die einmal erlernten gefährlichen Verhaltensweisen zurückfallen können. Somit erscheint speziell bei solchen Tieren eine Einschläferungsverfügung als der einzig wirkungsvolle Schutz der Allgemeinheit.

Mit der vorstehend ausgesprochenen Ausbildung gegen Menschen ist aber nicht die im Schutzhundesport gebräuchliche Abrichtung der Tiere angesprochen. Gerade in den Vereinen steht der Gehorsam der Tiere an erster Stelle und viele Hundehalter erlernen ein Basiswissen, welches für das Führen von Hunden , insbesondere das von größeren Rassen, Voraussetzung sein sollte. Hier können die Hunde ihre Triebe ausleben und diese werden kanalisiert. Die Gefahren, die von jedem Tier ausgehen können, sind bei so koordinierten Hunden , da besser lenk- und leitbar, auf ein Minimum beschränkt. Weiterhin bieten eine Vielzahl dieser Vereine sogenannte Erziehungskurse für alle Rassen an, in denen die erfahrenen Hundesportler ihr, in der Regel gut fundiertes Fachwissen an andere Hundehalter weitergeben. Hierdurch ist jedermann die Möglichkeit eröffnet, sich - für eine geringe Unkostenerstattung oder gar kostenlos - das für die Hundehaltung und -ausbildung erforderliche Grundwissen anzueignen. Durch dieses Angebot ist auch der Zulauf zu selbsternannten Hundetrainern oder Tierpsychologen , deren Fachwissen oftmals in Frage zu stellen ist und die überwiegend auf das Kommerzielle ausgerichtet sind, etwas gedrosselt.

Foto: Norbert Pfannmöller

Oftmals wird die Arbeit in Hundevereinen von Tierschützern angegriffen und verurteilt. Diese Leute neigen in der Regel zu einer Vermenschlichung der Hunde und lehnen eine artgerechte Ausbildung, Unterordnung, Sozialisierung und Haltung ab. Auch hierdurch können Gefahren für die Allgemeinheit entstehen. Die Hunde werden antiautoritär erzogen bzw. aufgezogen und lernen nicht die notwendige Rangordnung und die Akzeptanz derselben kennen. Hierdurch bedingt ist dann immer eine latente Gefahr vorhanden, insbesondere dann, wenn sie ihre vermeintliche Vorrangstellung dem Menschen gegenüber bedroht sehen. Ein Hund muss, in der Art und Weise, wie er gehalten wird, immer Hund bleiben und sollte nicht dem Menschen gleichgestellt werden. Wer so handelt, zeigt eine pervertierte Tierliebe, welcher erhebliche Risiken beinhaltet. Oftmals wird der Tierschutz auch dahingehend übertrieben, daß nachweislich gefährliche und bissige Hunde - angeblich resozialisiert -, zum Teil mehrfach, weitervermittelt wurden und dann erneut Menschen angegriffen haben. Dies kann und darf nicht sein.

Das Recht eines Menschen auf körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht, welches nicht durch verhaltensgestörte Hunde in Verbindung mit falsch interpretiertem Tierschutz gefährdet werden darf.

Es ist immer zu beachten, daß es sich bei allen Hunden um Tiere handelt, welche nicht logisch denken können und die lediglich auf Grund gemachter Erfahrungen bzw. durch triebliche oder instinktive Steuerung handeln und reagieren. Somit können, auch von einem noch so braven Hund, Gefahren ausgehen. Jedoch sind diese, bei einem richtigen Umgang mit den Tieren auf ein Minimum zu beschränken, so daß grundsätzlich Hunde nicht als gefährlich einzustufen sind. Sie sind für viele Menschen nicht mehr wegzudenkende Lebensgefährten oder Helfer in den verschiedensten Bereichen. Bei diesem richtigen Umgang ist insbesondere zu berücksichtigen, daß Hunde nicht in die Hände von Kindern gehören, oder gar unbeaufsichtigt mit diesen spielen dürfen. Zu einem Hund gehört immer ein geeigneter Führer, Kinder sind ungeeignet.

Foto: Norbert Pfannmöller

Wenn jeder Hundehalter sich darüber Gedanken macht, wie er mit seinem Hund umzugehen hat um Belästigungen oder Beeinträchtigungen der Mitbürger zu vermeiden und die nötige Sorgfalt erbringt, kommt es automatisch zu einer beidseitigen Akzeptanz. Treten aber Verfehlungen oder gar Gefährdungen durch Hunde auf, so sind die Ordnungsämter gefordert, endlich die ihnen vom Gesetzgeber gebotenen Möglichkeiten zur Anwendung zu bringen. Hierbei ist aber stets der Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu wahren, damit keine unnötigen Härten und Beschneidungen für den Hundehalter auftreten.

Handelt es sich bei auffälligen Hunden aber um Tiere, die nachweislich Hundekämpfe bestritten, bzw. eine Ausbildung gegen Menschen erhielten oder ist deren Halter als kriminell einzustufen, bzw. uneinsichtig, so haben die Ordnungsämter alle gesetzlichen Maßnahmen voll auszuschöpfen. Gewisse Bedenken, daß Verwaltungsgerichte unter Umständen anders entscheiden könnten, dürfen keinen Raum greifen. Der Schutz der Allgemeinheit, sei es Mensch oder Tier, hat Vorrang in der Entscheidungsfindung.

Sollten die Beauftragten der Ordnungsämter weiterhin nur zögernd, wie es bisher meist der Fall war, tätig werden, so müssen sie es sich gefallen lassen, daß, wenn Tiere erneut auffällig werden, ihnen begründete Schuldvorwürfe zu machen sind. Insbesondere dürfte dieses bei den vorstehend genannten Konstellationen zutreffen. Gerichtliche Klagen gegen die verantwortlichen der Behörden sind nicht auszuschließen.

Manfred Willnat aus DH 6/95

... na dann bis demnächst
Foto: Norbert Pfannmöller