Ausgabe 08/2006
August 2006

Der Mudi

Vorwort

Wo die Hirtenhunde sind, fehlen auch die Hütehunde nicht. In Ungarn sieht man daher oft schwarz und weiß. Schwarz die kleinen und mutigen Hütehunde und weiß die großen und gelassenen Hirtenhunde. Beide zusammen erst ermöglichen den Hirten eine effektive Arbeit.

Daher wollen wir eine der Hütehunderassen vorstellen, den Mudi.

Der Text und die Bilder stammen von Ingrid Weiniger und sie ist als "alte Halterin" und Kennerin dieser Rassen eine gute "Quelle". Ein herzliches Dankeschön an Ingrid, und hier folgt das Portrait

Der Mudi

Neben Puli und Pumi existiert noch eine dritte, ebenfalls mittelgroße, relativ unbekannte, ungarische Treib- und Hütehundrasse, der Mudi. Seine Geschichte lässt sich nicht allzu weit zurück verfolgen. Sie verschmilzt mit der von Puli und Pumi. Mit Sicherheit waren bis ins 19. Jahrhundert hinein die Unterschiede zwischen den ungarischen Hüte- (und auch Hirten-) hunden nicht so markant wie heute, und man verkreuzte vielfach die verschiedenen Typen untereinander, wie es teilweise auch jetzt noch in Ungarn geschieht. Vor allem wurden die Rassebezeichnungen nicht einheitlich gehandhabt. Der Mudi wurde sehr oft als Pumi oder Puli bezeichnet bzw. sämtliche kleinen ungarischen Hütehunde, egal ob steh- oder kipp- oder hängeohrig, oft generell Puli genannt – egal, ob es sich nach heutiger Auffassung um Pulis, Pumis oder Mudis handelte. Deshalb ist es nahezu unmöglich, festzustellen, wann genau die einzelnen Schläge sich als eigene Rassen entwickelten.

Mudi Echnaton

Ursprünge

Man vermutet jedoch, dass der Mudi im 18. bis 19. Jahrhundert entstanden ist, da in einem ungarischen Werk von 1815 bereits ein stehohriger kleiner Hütehund mit dem Kopf eines Schakals beschrieben wird und abgebildet ist, der zwar dort Pumi genannt wird, vom Exterieur aber eindeutig ein Mudi ist. Eine Theorie besagt, der Mudi sei aus der Vermischung von ungarischen Treib- und Hütehunden mit verschiedenen stehohrigen deutschstämmigen kleinen Schäferhunden vom Typ des sog. Schäferspitzes oder Pommern-Spitzes entstanden. Diese Hunde sollen mit den von der österreichischen Kaiserin Maria-Theresia im 18. Jahrhundert in Ungarn angesiedelten Donauschwaben ins Land gekommen sein. Mit Sicherheit ist der Mudi eng verwandt mit dem ihm äußerlich stark ähnelnden, etwas größeren und hochbeinigeren Kroatischen Schäferhund (Hvratski Ovcar).

Zu Beginn der Sporthundezucht in Ungarn, circa um 1900 herum, stellte man jedenfalls fest, dass neben hängeohrigem Puli und kippohrigem Pumi noch ein dritter, stehohriger, Hütehundschlag existierte. Nachdem jahrzehntelang ein großes Wirrwarr hinsichtlich der Benennung der verschiedenen Hüte- und Hirtenhundvarietäten geherrscht hatte, war man mit Entwicklung der Kynologie bestrebt, endlich Ordnung in die Nomenklatur der ungarischen Herdengebrauchshunde zu bringen. Dezsö Fenyes, ein Museumsdirektor aus Balassagyarmat, war es, der als erster im Jahr 1936 den Mudi beschrieben, ihm zu seinem Namen verholfen und seine Zucht organisiert hat.

Verbreitung

Die meisten Mudis leben im Mutterland Ungarn. Dort ist das Zuchtgebiet zwar sehr groß, aber die meisten Hunde werden als reine Gebrauchshunde ohne Papiere gezüchtet. Deswegen ist ihre Gesamtpopulation schwer abzuschätzen. Nur relativ wenige Sportzüchter befassen sich bisher mit dieser noch sehr urwüchsigen Rasse. Mudis mit Ahnentafeln dürfte es in Ungarn circa 200 - 300 geben. Das Zuchtbuch ist immer noch offen, d.h. es werden noch Mudis von Hirten (ohne Papiere) in das Zuchtregister aufgenommen, um die Zuchtbasis zu verbreitern. Seit Beginn der geordneten Zucht (1936) sind insgesamt circa 2.250 Mudis eingetragen worden. Die FCI hat die Rasse im Jahr 1966 anerkannt.

Viele Kleinbauern in Ungarn nennen einen Mudi oder Mudi-Mischling ihr eigen. Er wird von ihnen als "Mädchen für alles" eingesetzt. Morgens treibt er die paar Schweine, Hühner und Gänse aufs Feld, bewacht und beschützt diese untertags und bringt sie abends wieder vollzählig und selbständig in den heimatlichen Stall zurück. Andere Mudis bewähren sich als unentbehrliche Helfer von Rinder -, Pferde - und Schafhirten.

Außerhalb seiner Heimat ist dieser großartige Gebrauchshund noch wenig bekannt. In Deutschland beginnt der Mudi erst in den letzten Jahren, langsam Fuß zu fassen. Hier dürfte es momentan circa 85 -90 Mudis geben, um die sich 3 - 4 Liebhaber-Züchter bemühen. Von 1981 bis heute wurden 96 Mudis eingetragen (Welpen und Importhunde). Einige Mudis gibt es in Holland und England. Deutlich mehr Mudis leben in Norwegen, Schweden und Finnland. Auch in den USA und Kanada beginnt der Mudi neuerdings, allmählich Fuß zu fassen.

Exterieur

Der Mudi ist ein knapp mittelgroßer, stehohriger, harmonisch proportionierter und muskulöser Hütehund. Er erinnert im Aussehen an die süddeutschen, hauptsächlich in Baden-Württemberg gehaltenen, meist schwarzen, altdeutschen Schäferhunde, nur eben kleiner. Die Rasse war weitgehend unberührt von der Sporthundezucht, von daher noch urwüchsig und robust.

Kopf und Extremitäten des Mudi sind kurz und glatt behaart, was seinen hübschen Kopf mit dem ausdrucksvollen Gesicht wirkungsvoll unterstreicht. Der restliche Körper ist mit mittellangem, mehr oder weniger stark gewelltem bis leicht gelocktem Haar bedeckt, welches etwas an das Fell von Wasserhunden erinnert und im deutschen Schäfer-Jargon als "Rollhaar" bezeichnet würde.

Obwohl die Grundfarbe des Mudi ein glänzendes Schwarz ist, kommt er, wenngleich selten, auch in anderen Farbvarietäten vor: blue-merle (ungarisch: cifra), aschfarben (blau), beige (ungarisch: fakó), aschbraun (isabellfarben), braun und weiß. Kleine weiße Abzeichen (Brustfleck, weiße Zehen) werden toleriert, obgleich sie nicht erwünscht sind.

Das Haarkleid des Mudi ist schmutzabweisend, sehr witterungsbeständig und pflegeleicht. Gelegentliches Kämmen oder Bürsten sind vollends ausreichend.

Wesen, Besonderheiten und Eignung

Hinter dem eher unscheinbaren Äußeren des Mudi verbirgt sich eine mit fantastischen Fähigkeiten ausgestattete Rasse – ein "Rohdiamant", der in den richtigen Händen zum Juwel sprich Traumhund werden kann.

Wer dem Mudi gerecht werden will, muss sich stets vor Augen halten, dass dieser kleine Geselle ein Vollblut-Arbeitshund ist, ausgestattet mit lebhaftem Temperament und auffallend rascher Auffassungsgabe, lernbegierig und arbeitswillig. Reines Gassigehen alleine reicht oft nicht aus. Dieser Hund will gefordert und gefördert werden. D.h., wenn man den Mudi als Haus- und Begleithund halten will, muss man ihm, neben ausreichend Bewegung, auch geistige Beschäftigung bieten, z. B., indem man ihm eine Ausbildung in einem hundesportlichen Bereich angedeihen lässt und/oder sich kleine Aufgaben für ihn ausdenkt, die man ihn täglich ausführen lässt. Da er sehr gelehrig, aufgeweckt und verständig ist und über eine gehörige Portion "will to please" verfügt, bereitet seine Erziehung fast nur Freude und wenig ernsthafte Probleme – vorausgesetzt, man behandelt ihn nicht grob oder ungerecht. Für eine harte, auf Drill und Druck basierende Ausbildung ist diese sensible Rasse nicht geeignet. Ihre Qualitäten kommen dann am besten zum Tragen, wenn man sie geduldig und einfühlsam erzieht und führt – am besten über Vertrauensbildung und positive Bestärkung, aber dennoch mit der nötigen Konsequenz. Sehr wichtig für diesen energiegeladenen und arbeitsfreudigen Hund ist ein lebhaftes, viele Aktivitäten bietendes Umfeld, denn Langeweile verträgt der Mudi nur schlecht. Bei ständiger starker Unterforderung kann er aggressiv oder apathisch und durchaus zum Problemhund werden – wie man das ja auch von anderen Herdengebrauchshunden her kennt.

Eine weitere typische Eigenschaft des Mudi ist, dass er eine extrem enge Bindung zu seinem Meister eingeht, seine Bezugsperson(en) wahrlich vergöttert. Er bleibt von sich aus dicht bei seinen Menschen, ist immer darauf bedacht, sie nicht aus den Augen zu verlieren und überall mit dabei zu sein. Viele Mudis sind so anhänglich, dass sie ihren Menschen buchstäblich auf Schritt und Tritt folgen. Hinzu kommt, dass der Mudi im allgemeinen keinen Jagdtrieb hat, d.h. nicht streunt, jagt oder wildert, was Spaziergänge in Wald und Flur mit ihm erleichtert. Zudem ist er außerordentlich reviertreu. Fremden gegenüber verhält er sich reserviert.

Bei ungarischen Hirten wird der Mudi wegen seines schneidigen Auftretens und seiner Wendigkeit zum Hüten und Treiben großer, wehrhafter Weidetiere wie Pferde und Rinder eingesetzt, aber auch an Schafen sowie gelegentlich zur Treibjagd auf Wildschweine. Das Hüten und Treiben ist ihm angeboren. Er ist sehr mutig und verteidigt Viehherden aggressiv selbst gegen größere Feinde und über große weite Flächen hinweg. Er kann mit der gleichen Leichtigkeit ein großes Feld, einen Bauernhof oder einen Hinterhof bewachen.

Seit circa fünf Jahren testet man in Ungarn die drei kleinen Hütehundrassen auf das Vorhandensein von Hüteeigenschaften. Dabei bestanden 90 % der Mudis (gegenüber nur 70 % bei den Pumis und unter 50 % bei den Pulis) den Test. Der Mudi ruht für keine Sekunde, wenn er an der Herde arbeitet. Obwohl er ein äußerst mutiger und draufgängerischer Hund ist, der keine Angst kennt und ausbrechende oder bockende Tiere fast ohne Kommando selbständig und zielgerichtet zur Herde zurück treibt, verletzt er die ihm Anbefohlenen bei der Arbeit nie. Höchste Intelligenz, Rasanz sowie Mut und schier unglaubliches Durchsetzungsvermögen sind die Attribute, mit denen er eine Herde in Schach hält. Anders als von unseren bodenständigen altdeutschen Schafhunden oder anderen Rindertreibhunden (Heelern) her bekannt, kneift oder greift der Mudi bei der Arbeit nicht mit dem Maul nach dem Vieh, sondern arbeitet mit Schnelligkeit und ausgeprägtem Drohverhalten. Er schießt wie ein geölter Blitz von da nach dort und hält die Tiere mit rasanter Wendigkeit und kraft seiner überragenden psychischen Autorität in Schach.

Um die Intelligenz und den schier unglaublichen Schneid dieser körperlich relativ kleinen Hunde näher zu illustrieren, sei von einer Mudi-Hündin berichtet, die in Brandenburg lebt. Diese Hündin mit Namen Amanda arbeitet an schwierigen (teils verhaltensgestörten) Pferden. Sie kennt jedes einzelne Pferd und seine Macken. Eine Episode ist besonders bemerkenswert: Einmal brach eine Herde von 98 Jungfärsen aus dem zwei Kilometer entfernten Nachbargut aus und schickte sich an, in den liebevoll gehegten Biogemüsegarten von Amandas Frauchen einzudringen. Vier erwachsene Personen und drei große Hunde des Pferdebetriebes waren nicht imstande, die Rinderherde zur Umkehr zu bewegen. Da griff Amanda, die das Schauspiel aus dem Lkw heraus, in den man sie zu ihrem eigenen Schutz rasch eingesperrt hatte, ein. Sie drückte sich durch den Fensterspalt heraus und übernahm das Kommando. Binnen weniger Minuten gelang es ihr, die komplette Herde in den Griff zu bekommen, geschlossen zur Umkehr zu bewegen und über schwieriges Gelände, z.B. durch einen breiten Bach, bis 500 Meter vor das heimatliche Gehöft zu treiben. Wohlgemerkt: die mittlerweile vierjährige Hündin war damals erst 18 Monate alt!

Trotz seiner enormen Härte bei der Arbeit ist der Mudi feinfühlig und weich in der Ausbildung und Führung. Kindern pflegt er ein geduldiger, ausdauernder und stets fröhlicher Spielkamerad u. Beschützer zu sein. Und auch mit Artgenossen und anderen Tieren des gleichen Haushalts verträgt er sich gut. Das gilt jedoch nicht immer für fremde Hunde, insbesondere solche, die wesentlich größer sind als er. Da die Rasse zur Zurückhaltung neigt, sind optimale Prägung und Sozialisation im Welpenalter wichtig. Bei ausreichendem Auslauf und genügend Auslastung sind Mudis im Haus brav, angenehm und unauffällig und lassen sich sogar in einer Stadtwohnung halten. Außer als liebenswürdige Haushunde haben sie sich als vorzügliche, unbestechliche Schutz- und Wachhunde sowie als Rauschgiftspürhunde und Rettungshunde bewährt. Selbstverständlich eignen sie sich ausgezeichnet für nahezu alle Hundesportarten.

Da Mudis noch urtümliche, unverdorbene und robuste Hunde sind, werden sie in der Regel sehr alt. 13 bis 15 Lebensjahre sind der Durchschnitt, aber viele Mudis werden noch wesentlich älter – und dies im allgemeinen bei guter Gesundheit bis ins hohe Alter.

Diese Rasse könnte ein Geheimtipp sein für Menschen, die einen nicht zu großen, gesunden und widerstandsfähigen, pflegeleichten Familienhund suchen, der neben angenehmen Begleithundeigenschaften noch vollwertige Gebrauchshundcharakteristika wie Wachsamkeit und Verteidigungsbereitschaft, hohe Intelligenz und Ausdauer aufweist und sich auf Grund seiner Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit für nahezu alle Aufgaben ausbilden und einsetzen lässt.

Ingrid Weininger
Rassebeauftragte für Mudis
Klub für Ungarische Hirtenhunde e.V.