Ausgabe 04/2007
September + Oktober 2007

 

Captain Volney G. Mullikin und Nick Carter

Die ersten großen „Helden“ der amerikanischen Mantrailing – Szene

 

carter01.jpg

 Quelle Wikipedia

 Nick Carter hieß ein berühmter Bloodhound - Rüde, der von 1900 bis 1910 lebte und als Mantrailing Dog ausgebildet war. Er gehörte Captain Volney G. Mullikin aus Wilmore bei Lexington, Kentucky – dem ersten weithin bekannt gewordenen Bloodhound - Handler der amerikanischen Mantrailing – Szene. Dieses Hund-Mensch-Gespann wurde schon zu Lebzeiten zur Legende – und seine Ruhmestaten sind in Bloodhound - Kreisen bis heute unvergessen, auch wenn die Rekorde Nick Carters auf der kalten Menschenfährte inzwischen längst von anderen Bloodhounds übertroffen wurden.

Nick Carter kam in mehr als 650 Suchen im Zusammenhang mit Mord, Raub, Diebstahl, Brandstiftung, Pferdediebstahl, Alkoholschmuggel und Einbruchsdiebstahl zum Einsatz, bei denen die Täter überführt wurden., ganz zu schweigen von den zahlreichen Fällen, in denen es um Familienfehden in den Hügeln von Kentucky ging. Sein Rekord war eine kalte Fährte, die mehr als 105 Stunden stand. Diesen Rekord hielt er 25 Jahre lang – weit über seinen Tod hinaus. (In der Zwischenzeit wurde dieser Rekord aus der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts mehr als verdoppelt und steht bei einer mehr als 210 Stunden alten, fast neun Tage alten Fährte!). Die kürzeste Fährte, die er je erfolgreich beendete, betrug nur 10 Fuß (entsprechend 305 Meter).

Volney G. Mullikin war ein junger Mann von 20 Lenzen, als er kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende in Tennessee mit einigen Bloodhounds Bekanntschaft machte, die einem ehemaligen Detektiv namens John Moore gehörten. Diese Hunde begeisterten ihn so sehr, dass er umgehend eine Lehre als Bloodhound - Führer und –Ausbilder absolvierte und der Arbeit mit diesen Hunden, dem sog. Mantrailing, sein restliches Leben widmete. Später erwarb er den Rockwood - Zwinger, um die Rasse auch zu züchten.

Bis zu seinem Tod vierzig Jahre später widmete Mullikin sich ganz der Ausbildung von und der Arbeit mit Bloodhounds. Während dieser Zeit absolvierte er mit seinen Hunden mehr als 2500 Suchen im Zusammenhang mit Kriminalfällen. Seinem Engagement und seinem Enthusiasmus ist es ganz überwiegend zu verdanken, dass zahlreiche Staaten in den USA Gesetze verabschiedeten, die den Bloodhound – als einzige Hunderasse der Welt! – als Zeuge vor Gericht in Kriminalfällen akzeptieren. Mehr als einmal während seiner vierzigjährigen Dienstzeit ereilte einen seiner Hunde das Schicksal, indem sie von Verbrechern, die sie gesucht hatten, erschossen wurden. Und Mullikin selber trug ebenfalls zahlreiche Narben von solchen Begegnungen an seinem Körper. Einmal, als er vor Gericht aussagte, schoss ein Verwandter des durch seine Hunde gefassten Verbrechers durch ein Gerichtsfenster auf ihn und verwundete ihn schwer.

Captain Mullikin und seine exzellent ausgebildeten, trainierten und geführten Mantrailing - Bloodhounds wurden von Gesetzeshütern aus dem gesamten Gebiet der südöstlichen und zentralen Bundesstaaten Amerikas angefordert und zur Hilfe gerufen.

Bei jener berühmtesten Suche, bei der Nick Carter eine 105 Stunden alte Fährte erfolgreich arbeitete, führte er Mullikin auf der Fährte eines Brandstifters. Ein Hühnerhaus war niedergebrannt – mit Verdacht auf Brandstiftung, und Nick Carter führte seinen Herrn zu einem eine Meile entfernten Haus. Ein Mann trat vor die Tür und wurde vom Hund als Übeltäter identifiziert. „Sie rechneten nicht mit den Hounds, als Sie das Hühnerhaus abbrannten, nicht wahr?“, fragte Captain Mullikin den überraschten Täter, wobei dieser mit „Nein“ konterte und damit seine Schuld spontan eingestand. Es war dies Mullikins Standardfrage, die in vielen spontanen Geständnissen resultierte.

Seine Erfolge machten Nick Carter und seinen Besitzer schon zu Lebzeiten zu einer Legende. Die Berühmtheit dieses Mensch – Hund - Gespanns weit über die Grenzen seiner engeren Heimat hinaus führten dazu, dass ihre Suchen oft behindert wurden. Scharen von Bewunderern und Schaulustigen liefen aus allen Richtungen zusammen, sobald sie von Mullikins und Nick Carters Beteiligung an einem Fall Kunde bekamen.

Mullikins längste Fährte führte über eine Strecke von 55 Meilen (entsprechend 88,55 Kilometer). Auf dieser Fährte musste er unterwegs eine Pause einlegen, da eine seiner Hündinnen Junge bekam. Nachdem er Mutter samt Babies nachhause gebracht hatte, beendete er die Suche erfolgreich mit seinem Bloodhound - Rüden.

Seine kürzeste Fährte betrug nur 10 Fuß (entsprechend 305 Meter). In diesem Fall retteten Captain Mullikin und seine Hounds das Leben von drei Kindern. Eine geisteskranke Frau aus Kentucky hatte ihre Kinder in einem Hühnerstall fest gebunden, während sie ihre Axt schärfte, um sie damit zu töten. Glücklicherweise entdeckte jemand die drei Kleinen rechtzeitig. Sie waren jedoch zu eingeschüchtert, um ihre Mutter zu beschuldigen. Mullikins Bloodhounds beschnüffelten die Seile, mit denen die Kinder festgebunden waren und führten ihn die  300 Meter zur Mutter, die ihre Absichten sofort gestand. Sie wurde daraufhin in Verwahrsam genommen.

In einer im Jahr 1903 im Lexington Herald erschienenen Reportage über Captain Mullikin und seine Hounds stand zu lesen, dass Nick Carter während der vergangenen Ein – Jahres - Periode, also in einem Alter von drei Jahren, einen Rekord von 126 Aufklärungen aufgestellt hatte, denen nur 35 gescheiterte Suchen im gleichen Zeitraum gegenüber standen. Hinzu kamen noch Suchen in nicht kriminellen Fällen, über die kein Buch geführt wurde. Dies entspricht einer Aufklärungsquote von mehr als 78 % - eine Erfolgsquote, die auch für heutige Bloodhounds noch gigantisch hoch liegt und von der menschliche Detektive sicher nur träumen können, ja, die sie vor Neid erblassen lässt!

Manchmal gab es Unterbrechungen in den Fährten, z.B. wenn Verbrecher unterwegs auf Pferde umgestiegen waren oder Flüsse durchschwommen hatten. In einem bestimmten Fall führte die Spur eines gefährlichen Mörders zu einer Hütte. Der gesuchte Mann sprang heraus und versuchte, Mullikins Partner mit einem Messer zu erstechen. Dann verschwand er in der Dunkelheit. Um unnötige Risiken zu vermeiden, warteten die beiden Männer bis zum Morgengrauen, bevor sie ihre Hunde erneut auf der Spur ansetzten. Diesmal führten die Bloodhounds Mullikin und seinen Kollegen zu einem Versteck in der Nähe eines Bahngleises und dann zu den Bahngleisen selber, wo die Fährte endete. Die Männer brachten in Erfahrung, welcher Zug in der Nacht passiert hatte, nahmen ihre Bloodhounds und bestiegen den nächsten Zug, der in die gleiche Richtung fuhr wie der Nachtzug. Bei jeder Station stiegen sie aus und ließen die Hunde die Gleise in beiden Richtungen absuchen – leider ohne Erfolg. Sie waren schon fast soweit aufzugeben und die Suche abzubrechen, als der Zug eine Station im wilden Hügelland erreichte. Die Hounds hatten kaum den Zug verlassen, als sie unvermittelt die alte Spur aufnahmen. Sie saugten sich mit solchem Eifer fest, dass ihre Führer keine Zweifel an der Richtigkeit ihrer Anzeige hatten. Die Männer folgten ihnen den ganzen Tag über bis in die Nacht hinein. Nach einer Strecke von rund 20 Meilen (entsprechend 32,2 Kilometer) steuerten sie zielstrebig eine Hütte am Berghang an. Gegen den Widerstand des Eigentümers traten sie ein und durchkämmten das Gebäude. Den gesuchten Mann fanden sie schließlich schlafend auf dem Dachboden vor – zu erschöpft von seiner langen Flucht, um auch nur ihre Ankunft zu bemerken. Er wurde verhaftet und später gehängt.

Nach diesem Zwei-Tages-Trip mit all seinen Zwischenfällen und vielen zurück gelegten Marsch-Meilen hätten Männer und Hunde eigentlich eine Pause nötig gehabt. Aber diese war ihnen noch nicht sogleich vergönnt. Während sie sich gerade eine wahrlich verdiente und lange hinaus geschobene Mahlzeit einverleibten, erreichte sie bereits der nächste Hilferuf aus einer anderen Stadt: Ein eifersüchtiger Liebhaber hatte eine junge Frau erschossen und sich aus dem Staub gemacht. Man verbrachte die Hunde zu der Stelle außerhalb des Fensters, von wo aus der Mörder geschossen hatte – und die Hunde fanden ihn zielstrebig in einem etliche Meilen entfernten Schuppen. Die ländliche Justiz fackelte nicht lange und erhängte ihn an just dem Baum, neben dem er gestanden hatte, als er den tödlichen Schuss abgab.

Mullikin wurde in einem zeitgenössischen Bericht beschrieben als ein Mann von ebenso großer Integrität wie Mutigkeit. Er war kein Trinker und kein Mensch großer Worte, eher dem Understatement zugeneigt, stets freundlich und allseits beliebt. Sein Einsatz galt nicht allein der Suche nach Kriminellen. Man bat um seine Unterstützung auch des öfteren, wenn es galt, verloren gegangene Personen zu suchen. Noch kurz vor seinem Tod – er starb im Alter von 60 Jahren an Lungenentzündung – wurde er nach Indiana gerufen, wo seine Hunde ein kleines Mädchen aufspürten, welches von zuhause weg gelaufen war und mehr als einen Tag allein im Wald verbrachte hatte.

Die Menschenleben, die er und seine Bloodhounds retteten und die Zahl der Straftäter, die sie ihrer gerechten Strafe überführten, sind Legion und werden die Erinnerung an diesen bescheidenen, tatkräftigen Mann – den ersten großen „Helden“ der amerikanischen Mantrailing - Szene - und seine nicht minder großartigen, phantastisch zuverlässig arbeitenden Bloodhounds, allen voran Nick Carter, für immer wach halten.

carter03.jpg

Quelle Wikipedia

 

 

Valeria Slembrouck