Ausgabe 01/2009
Januar + Februar 2009

 

Der Blindenführhund

Ein optimales Hilfsmittel zur Mobilität auf vier Beinen

In unserem technischen Zeitalter gehört es zum alltäglichen Anblick, dass sich Blinde allein mit dem Langstock, der Ultraschallbrille oder dem Vibrationsgerät im Straßenverkehr orientieren. Diese Hilfsmittel vermindern - nach ausreichendem Mobilitätstraining - das Bewegungsrisiko des Blinden. Aufgrund unseres technischen Zeitalters stellt sich die Frage, ob der Blindenführhund - den schulmäßig ausgebildeten Blindenführhund gibt es schon seit 1916 - durch diese Entwicklung überholt wurde.

Der Blindenführhund führt über eine Ampelkreuzung.
Er kann nicht rot und grün unterscheiden,
sondern orientiert sich danach, ob alle Fahrzeuge halten

Diese Frage kann man mit einem deutlichen Nein beantworten. Auch oder gerade bei dem heutigen Straßenverkehr ist der Blindenführhund eine optimale Hilfe zur Mobilität des Nichtsehenden.

Im Gegensatz zu allen technischen Mobilitätshilfen kann der Blindenführhund mit seinen Augen die Gefahr im Straßenverkehr beobachten und im Notfall entsprechend reagieren. Der Hund wird in einer Spezialschule in einer ca. 6 - monatigen Ausbildungszeit für den Dienst am Blinden geschult. Im Anschluss an diese Ausbildung soll ein gründlicher Einführungslehrgang zusammen mit dem Nichtsehenden von der Blindenführhundschule durchgeführt werden. Dieser Einführungslehrgang ist erforderlich, damit der Blinde über die Pflege und Haltung, nicht zuletzt auch über die Fütterung und die wichtigsten Anfangssymptome der Hundekrankheiten informiert wird. Die Hundekrankheiten kann man auch als Blinder aufgrund des veränderten Wesens bzw. des Verhaltens des Tieres bemerken.

Besonders wichtig ist es, dass man die Kommandos und das Laufen mit dem Führhund im Führgeschirr erlernt. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass der künftige Halter dem Führhund die Kommandos genauso erteilen muss, wie es der Vierbeiner in der Schule erlernt hat. Es ist dringend davon abzuraten, die Kommandos nach eigenem Willen abzuändern, da der ausgebildete Blindenführhund mit jedem Kommando etwas Erlerntes verknüpft und dieses dann auch ausführt. Bei unkorrekter Kommandoerteilung kommt es zum Fehlverhalten zwischen Hund und Halter. Hierdurch können Unfälle geschehen. Dieses schließt aber nicht aus, dass man dem Führhund noch zusätzlich einige Anweisungen beibringen kann. Denken Sie aber bitte daran, dass man einem Hund die Anweisungen nicht so erteilen kann wie einem Menschen. Nur wenn der Nichtsehende sich hundertprozentig an das hält, was der Hund und er in der Blindenführhundeschule erlernt haben, kann eine optimale Führleistung erreicht werden.

Nach der Gewöhnung an seinen neuen Herren oder seine Herrin ist der Vierbeiner in der Lage, auf genaue Anweisungen alle gewünschten Wege zu gehen und den Blinden sicher an das Ziel zu führen. Nur so stellt der gut ausgebildete Blindenführhund auch heute noch im Großstadtverkehr ein zuverlässiges und beständiges Hilfsmittel des Nichtsehenden dar und gibt ihm somit einen großen Teil seiner Sicherheit und Selbständigkeit zurück. Nachdem der Halter seinem Führhund Halsband, Leine und das Führgeschirr angelegt hat, nimmt er den starren Führbügel in die linke Hand und erteilt dem Vierbeiner das Kommando "voran", wodurch die Führarbeit beginnt. Der starre Führbügel übermittelt dem Blinden alle Bewegungen des Tieres und ermöglicht es ihm, alle Richtungsänderungen mitzumachen und zum richtigen Zeitpunkt das richtige Kommando zu erteilen.

An dieser Stelle möchte ich nur einige Kommandos als Beispiel erwähnen, da es Blindenführhundeschulen gibt, bei denen die Vierbeiner bis zu ca. 30 verschiedene Anweisungen ausführen können; und dabei ist keine Ausführung überflüssig. Der Hund führt nur solche Dinge aus, die sehende Menschen durch einfaches Hinschauen wahrnehmen, z.B. "rüber" bei Straßenüberquerung, "rechts weiter", "links weiter", "kehrt", "Tür", "Treppe", "Bank", "steh"', "sitz', "Platz" usw. Selbstverständlich zeigt er auch Bodenerhöhungen und - vertiefungen an. Höhenhindernisse wie z.B. Absperrungen, Äste, die über einem Gartenzaun oder im Wald so niedrig hängen, dass man mit dem Kopfe anstoßen kann, sind für den gut ausgebildeten Blindenführhund keine Probleme.

Der BFH führt an einem auf dem Gehweg
geparkten Möbelwagen vorbei

Für die Ausbildung zum Blindenführhund sollen nur Tiere im Alter von ca. 1 1/2 bis 2 Jahren zur Ausbildung kommen. Erst in diesem Alter sind die Hunde psychisch reif und ausgewachsen. Es ist also notwendig, dass die Tiere in jeder Hinsicht gesund sind. Ältere Hunde führen wegen der ohnehin begrenzten Lebenserwartung entsprechend kürzer. Hinzu kommt, dass die Tiere eine hohe Nervenfestigkeit bei mangelnder Schärfe ohne schlechte Wesenszüge haben müssen. Das heißt, die Angstbeißer, Raufer oder solche, die misstrauisch sind, dürfen nicht zum Blindenführhund ausgebildet werden.

Der Einsatz eines human und hundegerecht ausgebildeten Blindenführhundes bietet dem Nichtsehenden viele Vorteile, wenn er bereit ist, Verantwortung für den Vierbeiner zu übernehmen. Der Blindenführhundhalter profitiert nicht nur körperliche sondern auch in psychischer Hinsicht durch die regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Außerdem kann er ohne Hilfe und mit weniger Anspannung alle anfallenden Besorgungen erledigen, da der vierbeinige Begleiter mit seinen Augen für ihn sieht.

Es ist wichtig, daß eine blinde Person mit einem gesunden und gut ausgebildeten Blindenführhund einen Einführungslehrgang besucht. Nur so erreicht das Gespann ein wirklich hohes Maß an Mobilität. Es gehört allerdings auch Tierliebe dazu, denn der Hund muss täglich viermal die Möglichkeit haben, seinen Bedürfnissen nachzukommen. Das tägliche Kämmen und Bürsten sowie das Füttern und auch die jährlichen Schutzimpfungen beim Tierarzt sollten für jeden Hundehalter selbstverständlich sein. Mit dem Blindenführhund kann der Nichtsehende eine optimale Mobilität erreichen. Im Gegensatz zu anderen Mobilitätshilfen kann man den Hund nicht an der Garderobe abgeben oder bis zum nächsten Gebrauch in die Ecke stellen, sondern er verlangt die Zuneigung des Halters, die sich dann auch durch gute Führleistung auszeichnet.

In diesem Zusammenhang habe ich noch eine Bitte, lenken Sie den Blindenführhund bei seiner verantwortungsvollen Aufgabe nicht durch streicheln oder locken ab.

Der BFH führt in der U-Bahnstation
zur Einstiegstür

Helga Schmitzius, Deutscher Blindenführhundehalterverein e.V.

Links zum Artikel

Homepage des Deutschen Blindenführhundehalterverein e.V.

Über den Verein ist auf der Internetseite folgendes zu lesen:

„ ... Seit 1989 betreuen wir als gemeinnützig anerkannte Körperschaft blinde und hochgradig sehbehinderte Mitbürger innerhalb des gesamten Bundesgebietes in allen Belangen des Blindenführhundewesens.

Unsere Aufgaben sind, die Sicherheit des Blinden zu gewährleisten sowie seine Mobilität zu erhalten und zu erweitern. Unser Aufgabengebiet umfasst die fachliche Beratung und Weiterbildung des Führhundehalters, seine aktive Betreuung, die Zusammenarbeit mit Blindenführhundeschulen, das Prüfen von Führhunden, sowie das Erstellen gerichtlicher Gutachten und die Zusammenarbeit mit sozialen Kostenträgern, tierärztlichen Institutionen und Medien. Kontakte zu ausländischen Fachorganisationen bilden die Grundlage überregionaler Kooperationen. All diese Aufgabenbereiche ermöglichen uns, optimale Ergebnisse für jeden Führhundehalter zu erzielen.“

http://www.blindenhundschule-nowotny.de/

Anmerkung der Redaktion

So oft sieht man heute nicht mehr im alltäglichen Straßenbild Blindenführhunde und ihre Besitzer. Daher finden wir es sinnvoll, den Umgang mit den nicht Sehenden und ihren „Partnern im Straßenverkehr „ zu erläutern und zu erklären, wie man diese Hunde erkennt. Die Informationen haben wir ebenfalls der Seite des Vereines entnommen.
 
Woran erkennen Sie einen Blindenführhund?
 
Außer dem Halsband und der Leine trägt der Blindenführhund im Dienst ein Führgeschirr. Neben dem Führgeschirr erkennen Sie den Blindenführhund an roten Kreuzen, die deutlich sichtbar an Führgeschirr und Halsband befestigt sind.

Der BFH hat eine Treppe am Ende
 der Fußgängerzone angezeigt.

Was unterscheidet den Blindenführhund von anderen Hunden?

Für die Ausbildung zum Blindenführhund dürfen nur Tiere genommen werden, die in jeder Hinsicht gesund sind. Neben hoher Nervenfestigkeit und Lernfreudigkeit müssen diese Vierbeiner eine sehr hohe Reizschwelle besitzen. Menschengedränge dürfen sie nicht als Bedrohung empfinden. In Ausnahmefällen, bei einem echten Angriff  (Überfall), wird der Blindenführhund seinen Halter verteidigen.

Streicheln Sie den Blindenführhund bitte nicht

Das Führen ist für den Vierbeiner eine verantwortungsvolle Aufgabe, die seine volle Aufmerksamkeit beansprucht; dabei stört jede Ablenkung   auch ein lieb gemeintes Streicheln oder Anfassen, da Sie ihm die Aufgabe erschwert.

Locken und füttern Sie den Blindenführhund bitte NICHT

Sein Platz ist an der Seite des Blinden; der Hund darf nicht zu Ihnen kommen und, solange er das Führgeschirr trägt, auch nicht spielen oder von Ihnen gestreichelt werden.

Andere Hunde bitte an die Leine nehmen

Sind Sie mit Ihrem Hund unterwegs und es kommt Ihnen eine blinde Person mit ihrem Führhund entgegen, dann nehmen Sie Ihren Hund bitte an die Leine. Nur so kann vermieden werden, daß der Blindenführhund bei seiner verantwortungsvollen Aufgabe nicht abgelenkt wird.

Bitte, erschrecken Sie den Blindenführhund nicht

Für Hunde sind Knallgeräusche von Feuerwerkskörpern, aus Zündplättchenpistolen oder ähnliches enorm unangenehm: Der Hund hört den Krach sehr viel lauter. Hierdurch besteht die Gefahr, daß der Hund vor Schreck davonläuft oder zur Seite zieht, wodurch die blinde Person sich nicht mehr orientieren kann. Das Unfallrisiko wird dadurch erheblich erhöht. Außerdem kann der Blindenführhund durch diese unangenehmen Erfahrungen dienstuntauglich werden.

Übernehmen Sie bitte nicht die Führung des Blindenführhundes
 
Sprechen Sie blinde Personen an:  "KANN ICH IHNEN BEHILFLICH SEIN?

Leiten Sie mit dieser Frage jede Hilfeleistung an einer blinden Person ein. Nur so kann der Blinde dem Führhund die richtige Anweisung geben.

Das Team ist zusammen eingeschult; wenn Sie ins Führgeschirr fassen, greifen Sie sozusagen dem Blinden plötzlich "ins Lenkrad", wodurch der Führhund verunsichert wird.

Erschweren Sie dem Blindenführhund seine verantwortungsvolle Aufgabe nicht unnötig

Der Blindenführhund ist so ausgebildet, daß er Hindernissen ausweicht. Parken Sie bitte an den Fußwegkanten so, daß das Team die Straßen ungehindert überqueren kann und auf den Fußwegen ungehindert laufen kann.

Der BFH hat eine Telefonzelle
gesucht und gefunden

Verkehrsampeln

Wartet an einer Verkehrsampel eine blinde Person, informieren Sie diese bitte: "Es ist noch rot - jetzt ist die Ampel grün"!  Hat das Team die Fahrbahn vor Ihrer Information betreten und wird dann zurückgeholt, so ist der Blindenführhund irritiert.

Treppen - aber niemals Rolltreppen

Erkundigt sich ein Blindenführhundhalter nach einer Treppe, dann erklären Sie ihm bitte nur den Weg zur normalen Treppe. Für Hunde, auch Blindenführhunde, ist das Betreten der Rolltreppen wegen der Verletzungsgefahr verboten.

Orientierungshinweise im Straßenverkehr durch Ansprechen sind hilfreich -  Mimik und Gesten sind sinnlos

- Sie können dem Team auf seinem Weg helfen, wenn Sie ihm sagen, welche Linie an der Bus- oder Straßenbahnhaltestelle einfährt; der Blindenführhund kann nicht lesen; 
- geben Sie bitte Hinweise auf Verkehrsschilder und -regeln, wie z. B.: Fußgängerüberwege, Schilder "für Fußgänger gesperrt" usw..

Der Blindenführhund ist kein Fakir

Werfen Sie keine scharfkantigen Gegenstände auf die Straße, wie z. B. Glas, Dosenringe, Kronkorken, Nadeln oder Reißbrettstifte, Rasierklingen usw.. Durch eine Verletzung seines Hundes wird auch der Blinde in seiner Mobilität stark eingeschränkt.

Der Blindenführhund hat auch dort Zutritt, wo andere Hunde nicht mit hineindürfen

Da die blinde Person auf ihren Führhund als Begleitung angewiesen ist, darf dieser u. a. in Lebensmittelgeschäfte jeder Art, Restaurants, Arztpraxen, Kirchen, öffentliche Gebäude und Gelände sowie bei Bahnreisen mitgenommen werden. Nach den Länderverordnungen über die hygienische Behandlung von Lebensmitteln tierischer Herkunft ist dieses erlaubt.

Bei Flugreisen darf der Blindenführhund zusammen mit seinem nichtsehenden Halter in die Passagierkabine. Beim Kauf eines Flugtickets muss darauf geachtet werden, daß sich das Reisebüro telefonisch von der Fluggesellschaft das Okay holt und dieses auf dem Ticket vermerkt.

Keinen Maulkorb für den Blindenführhund

Aufgrund seiner Ausbildung ist der Blindenführhund von der Pflicht einen Maulkorb zu tragen befreit. Während seiner Ausbildung wird er so geschult, daß er im Dienst nicht schnüffelnd führt, sondern der Vierbeiner lernt für seine verantwortungsvolle Aufgabe seine Augen einzusetzen.

Copyright Helga Schmitzius

Nachtrag

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