Ausgabe 08/2005
August 2005

"Hund und Mensch - Die Geschichte einer Beziehung"

Erhard Oeser

Das vorliegende Buch habe ich von einer Freundin geschenkt bekommen, es war mir bis zu diesem Zeitpunkt (Dezember 2004) gänzlich unbekannt. Das lag aber daran, dass es erst im Jahr 2004 erschienen ist. Am Titel des Buches erkennt man, dass es sich um Hunde im Allgemeinen handelt, trotzdem hoffte ich, auch viele Informationen über Hirtenhunde zu erfahren.

Der Autor, Erhard Oeser, geb. 1938, ist Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Wien. Er schildert die Geschichte von Hund und Mensch, bei dem nicht der Mensch, sondern der Hund mit seinen Leistungen für den Menschen und seinen Leiden durch den Menschen Im Vordergrund steht, von den frühen Hochkulturen bis zur Gegenwart und befasst sich auch mit der spannenden Frage, ob Hunde Bewusstsein oder gar eine Seele haben.

Einleitung

Das schon auf der Rückseite des Buches ersichtliche Zitat vom Verhaltensforscher und Hundekenner Konrad Lorenz "Es gibt Tiere, Menschen und Hunde." bezeichnet die vom Autoren vertretende "Sonderstellung" des Hundes unter den Lebewesen. Erhard Oeser geht sogar so weit, zu behaupten, dass der Hund wesentlich an der Entstehung des Menschen beigetragen und sie vom "ungestümen, aufbrausenden und opportunistischen Individualisten" zu sozialen Lebewesen, die zu einer Zusammenarbeit fähig sind, gemacht haben.

Der Hund ist also mit der Geschichte der Menschheit unzertrennbar verbunden: als Jagdgenosse, Wächter und Mitstreiter in Kriegen – bis hin zum ersten Lebewesen im Weltraum, welches ein Hund war, und kein Mensch oder Affe.

Neben Hinweisen auf die Leistungen der Hunde für die Menschen wird auch auf die "Kehrseite der Medaille" hingewiesen: nämlich die Leiden durch den Menschen, der "sie ausschließlich nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen umgeformt hat". Heutzutage werden die Hunde meistens als Begleit- oder Familienhunde gehalten – und obwohl sie wie Familienmitglieder oder gar Kinder gefüttert, gepflegt und geliebt werden – bleiben sie aber ein "Carnivore", ein fleischfressendes Raubtier.

1. Die Frage nach dem Bewusstsein der Tiere

"Haben Hunde Bewusstsein?" Die – oder eine – Antwort liefert der Autor gleich im ersten Absatz, nämlich mit einem Zitat von David Hume (1739): "Keine Wahrheit erscheint mir offensichtlicher als die, dass Tiere ebenso mit Gedanken und Vernunft ausgestattet sind wie der Mensch." Es folgen philosophische Feststellungen, die das Gegenteil behaupten (Descartes, Malebranche). Die Schilderungen von Untersuchungen (Vivisektionen) von Hunden bereits im 17. Jahrhundert, um Tieren eine sensitive Seele und damit auch Leidensfähigkeit zuzubilligen, belegen das frühe Interesse der Wissenschaftler an der Beantwortung dieser Frage. Ebenso wird die Gegensätzlichkeit der vertretenen Meinungen deutlich.

Zu Zeiten des Gelehrten Leibniz wurde sogar versucht, Hunden das Sprechen beizubringen. Experimente mit "lesenden" Hunden erinnern an Zirkusnummern, denn ohne fast unmerkliche Andeutungen, Zeichen oder Winke kommen solche "Kunststücke" nicht zustande.

Warum aber schließen auch heute noch viele Wissenschaftler die Möglichkeit aus, dass Tiere Gefühle, Erinnerungen, Absichten, Wünsche, Ansichten oder andere seelische Regungen haben können? Sicherlich gibt es Unterschiede, das Bewusstsein einer Raupe mit dem eines Hundes zu vergleichen. Aber selbst Darwin billigt den sogenannten "höheren Tieren" Bewusstsein und Gefühle zu, und zwar als logische Konsequenz der Evolutionstheorie.

In Anlehnung an Brehms Erkenntnisse haben nicht nur die einzelnen Hunderassen unterschliedliche geistige und emotionale Fähigkeiten, sondern auch jeder einzelne Hund ist ein unverkennbares Individuum mit besonderen Eigenheiten. Sehr wichtig die Feststellung des Wissenschaftlers Lorenz für mich war, dass obwohl in seiner "Hundepsychologie" die "naive Vermenschlichung des Hundes" vermieden wird, eine objektive Betrachtungsweise des Verhältnisses Mensch und Hund zu entwickeln.

2. Vor hunderttausend Jahren

Die Aufspaltung der Vorläufer der heutigen Wölfe und Hunde wird hier in einer Zeit vor mehr als 100.000 Jahren angesiedelt, vor der Zeit, in der der moderne Hominide begann, sich über die Welt zu verbreiten. Welchen Anteil jedoch hat der Hund an der "Menschwerdung des Affen" gehabt?

Bei der Suche nach dem "Urhund" finden wir Schilderungen der Ansichten verschiedener Forscher wie Linné und Buffon. Hier begegnete mir zum ersten Mal der Begriff "Hirtenhund" (Chien de berger), und zwar dass er dem "Urhund" am nächsten wäre.

Buffons "Urhund": Chien de berger (aus Buffon 1847)

"Ungeachtet seiner Hässlichkeit und seines traurigen und wilden Aussehens übertrifft er jedoch in seinem Charakter alle anderen Hunde. Er braucht keine Erziehung. Denn er ist schon sozusagen bei seiner Geburt ganz erzogen. Währen man viel Zeit und Mühe braucht, um die anderen Hunde zu lehren und für ihre besonderen Aufgaben abzurichten, nimmt sich der Hirtenhund bloß durch sein Naturell geleitet mit einer besonderen Emsigkeit, Wachsamkeit und Treue der Hut und Führung der Herden an, so dass seine Geschicklichkeit das Staunen seines Herren erregt."

Das ist ein Zitat des Forschers Buffon, 1847. Für ihn ist die "Wurzel" des Stammbaumes der Hunderassen: der Hirtenhund.

Immer wieder wird auf den Wolf eingegangen. Dabei werden die Unterschiede zwischen Wölfen und Hunden immer wieder hervorgehoben, ja teilweise "verleumderische Beschreibungen, die vielmehr auf menschliche Räuberbanden als auf Wolfsrudel passen" geschildert. Ein Wunder ist es nicht, stammen diese Beschreibungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, in dem aufgrund Furcht und Hasses eine erbarmungslose Ausrottung der Wölfe stattgefunden hat. Diese negative Einstellung der Menschen zum Wolf ist nach Ansicht des Autors "ein hausgemachter Konflikt", der aus der Veränderung der Welt durch den Menschen hervorgerufen wurde. Frühere Menschheitskulturen und heutige, z. B. Eskimos und Indianer, hatten bzw. haben eine positive Einstellung zum Wolf. Zwar wird dieser als Nahrungskonkurrent angesehen, aber auch als Vorbild bewundert.

Damals wie heute gab es Versuche, Hunde mit Wölfen zu kreuzen: sogenannte Hundewölfe. Während diese Versuche vor 150 Jahren der Erforschung des Verhaltens dienten, steht heute viel mehr die Klärung der Abstammungsfrage im Mittelpunkt.

Die beste Vorstellung, wie die Hunde vor Jahrtausenden gelegt haben, kann man heute noch an den sogenannten Pariahunden beobachten. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Jahrhunderte alte und immer noch aktuelle Problem der Straßenhunde, z. B. in Istanbul, eingegangen.

3. Der Jagdgenosse und Wächter

Der Mensch hat also die Vorfahren der heutigen Hunderassen domestiziert und durch Züchtung genetisch verändert, z. B. entstanden Windhunde, wo äußerste Schnelligkeit und Doggen, Molosser und Mastiffs, wo die größte Kraftentwicklung erforderlich war. Zwergformen unter den Hunderassen entstanden auf Grund krankhafter Veränderungen der Hundekörper.

Philosophisch geht es weiter über die Hunde der Griechen, der Römer, den Hof- und Jagdhunden im Mittelalter bis hin in die Neuzeit. Dabei werden Erkenntnisse von Platon, Aristoteles und Xenophon zitiert. Hier ist zu erfahren, dass das erste Hundebuch etwa 400 Jahre vor Christus vom Griechen Xenophon geschrieben wurde: "Kynegetikos", was so viel heisst wie "Hundeführer" / "Büchlein von der Jagd". Somit wurde beschrieben, dass der Hund als Begleiter des Menschen bei der Jagd eine große Bedeutung hatte. 500 Jahre später wurde durch den Gelehrten Arrian dieses Werk um neue Kenntnisse, z. B. der windhundartigen Arten, vervollständigt. Hier wird auch deutlich, dass zu dieser Zeit nicht mehr nur die Jagd im Vordergrund der Hundehaltung stand, sondern der Hund auch als Begleiter und Lebensgefährte des Menschen gehalten wurde.

Bei den "Wachhunden der Römer" bin ich wieder fündig geworden, und zwar bei der Schilderung des Zusammenhangs von Jägern und Hirten. Bevor die Weideplätze durch die Hirten genutzt werden konnten, erlegten bzw. vertrieben die Jäger die wilden Tiere in deren Umgebung. Der Schriftsteller Marcus Terrentius Varro (116 – 27 v. Ch.) hatte damals zwei Arten und Aufgaben von Hirtenhunden unterschieden:

"... die eine war, die wilden Raubtiere zu vertreiben oder sie im Kampf zu töten, während die andere, die eigentliche Bestimmung des Hirtenhundes, darin bestand, die ihm anvertraute Herde zu leiten und in Ordnung zu halten."

Diese Feststellung beweist, dass schon vor 2000 Jahren die Hirtenhunde nicht nur zum Schutz der Herde eingesetzt wurden. Die Ernährung der Hirtenhunde bestand – wie auch heute noch bei Hirtenvölkern üblich – aus Brot oder Brei, "damit sie nicht fleischgierig wurden". Einen Rat Varros nach, sollte man sich einen Hirten-, im vorliegenden Text auch Schäferhund genannt, "nicht kaufen", sondern "selbst auferziehen". Die Beschreibungen der Lederhalsbänder mit nach außen stehenden Nagelspitzen kommen mir auch heute noch bei Schilderungen alter Hirtentraditionen, z. B. in Portugal, bekannt vor.

Zum Unterschied zwischen Wachhund für Hof und Herde wird der römische Ackerbauschriftsteller Columella (Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr.) vom Autor zitiert:

"Er soll von einheitlicher Farbe sein, im Dienst der Herde lieber weiß, im Dienst des Hauses schwarz; denn ein mehrfarbiger Hund taugt weder hier noch dort. Der Hirte bevorzugt den weißen Hund, weil er sich vom Raubwild unterscheidet; denn zuweilen ist ein auffallender Unterschied nötig, wenn es etwa gilt, in der Morgen- oder Abenddämmerung Wölfe abzuwehren, damit man nicht den Hund anstatt des Wolfes trifft. Der Hofhund dagegen, der gegen die Heimtücke der Menschen eingesetzt wird, erscheint dem Dieb, der bei helllichtem Tag kommt, mit seiner Schwärze Furcht erregender; in der Nacht aber soll man ihn wegen seiner Anpassung an die Finsternis überhaupt nicht sehen, weshalb er unter dem Schutz der Dunkelheit mit größerer Sicherheit an den Bösewicht herankommt. ... es spielt keine große Rolle, wenn Hofhunde etwas plump und langsam sind, denn sie müssen mehr im Nahkampf und im Schritt leisten als auf große Entfernung und in weiträumigem Lauf. ... Der Schäfer- oder Herdenhund soll dagegen weder so schlank noch so flink sein wie der Jagdhund, der Damwild, Hirsche und sonstiges schnelles Wild verfolgen muss, noch auch so feist und gewaltig wie der Wachhund für Haus und Hof, jedoch ebenso stark und in hohem Maß entschlossen und energisch. Denn man braucht ihn zu Kampf und Streit, aber auch zur Verfolgung des Wolfes, dem er die Beute abjagen und davontragen muss. ..."

Später, im Mittelalter wurde über die Hirtenhunde nicht mehr so viel berichtet, da die Jagd und der Schutz der Höfe eine höhere Bedeutung hatte. Kolonisten und Klöster mussten für die privilegierten Reichen und Mächtigen die Jagdhunde unterhalten, da die Fürsten, Könige und Kaiser nicht in der Lage waren, alle Hunde bei Hofe zu halten. Sogar Bauern oder Müller mussten Jagdhunde für die Herrschaft unterhalten – falls letztgenannter sich weigerte, musste er eine Abgabe in form eines "Hundekorngeldes" leisten.

4. Die Kampf- und Kriegshunde ...

... gingen aus den Jagdhunden hervor. Der Zeitpunkt lässt sich schwer bestimmen, denn zwischen den Jagdhunden, die ihre Beute auf freier Wildbahn hetzten, und Kampfhunden, die in eingezäunten Plätzen und Arenen kämpften, gab es noch die "eingestellten Jagden", bei denen das Wild in eingezäunten Gehegen von den Hunden niedergerissen wurde.

Die früheste Erwähnung des Einsatzes von Kampfhunden wird durch den Autoren mit 1121 v. Chr. In der chinesischen Literatur angegeben. In Persien findet man fast gleiche Schilderungen, dass dort die Hunde des Militärs durch die Bevölkerung unterhalten wurden. Besondere Attraktionen waren Kämpfe von Hunden gegen Löwen (Persien, Indien – und kam bis zum 16./17. Jahrhundert auch in England vor), sowie gegen Elefanten (Indien).

Dass auch Hirtenhunde als Kampfhunde eingesetzt wurden, zeigt folgende Aussage:

"... die Molosser gehörten zum Stamm der Illyrer, die um 1200 v. Chr. Vom Nordosten her in Griechenland einwanderten, die dort ansässigen Griechen vertrieben und Epirus besetzten. In den rauen Gebirgen dieser Landschaft, die hauptsächlich mit dem heutigen Albanien gleichzusetzen ist, wurden die Schafherden von großen Hunden bewacht, die wegen ihrer Stärke und Wachsmkeit von den Griechen und Römern geschätzt und auch als Jagd- und Kampfhunde eingeführt wurden."

"Molosser" wurde bei den Römern jeder große Hund genannt, ist aber schon lange vor Linnés Zeiten auf den englischen Mastiff übertragen worden. Die Britannische Dogge, der sog. Mastiff, wurde im alten Rom gegen Bären und Löwen, später zur Zeit der Christenverfolgung auch gegen Menschen eingesetzt.

Die Urform der großen Kampf- und Schutzhunde wird von den Kynologen des 19. Jahrhunderts in der Tibetdogge gesehen. Schilderungen von Marco Polo und Gustav Kreitner beschreiben die Tibetdoggen "so groß wie Esel" und dass sie "viele Ähnlichkeit mit den schönsten Neufundländern" besäßen. Über die ursprüngliche Verwendung schreibt Kreitner, dass sie "als Schäferhund oder bei Yak-Caravanen verwendet werden, halten Ruhe und Ordnung aufrecht und sorgen zugleich durch ihre Wachsamkeit für die gewünschte Sicherheit."

Tibetdogge (aus Brehm 1876)

Nach Amerika kamen die ersten Hunde durch Christoph Columbus, der zuerst mit Bluthunden auf Jamaica die Indianer bekämpfte (1494). Danach wurden durch die Kolonialisten systematisch die Indianer mit speziell "für die Menschenjagd" abgerichteten Hunden ("Kubadogge") vernichtet. Den Schilderungen A. Brehms zufolge sollen sich die Hunde jedoch als menschlicher als ihre grausamen Herren erwiesen haben "... gehorchten sie (die Indianer), so tat der Hund ihnen weiter nichts, weigerten sie sich aber, mit ihm zu gehen, so riß er sie augenblicklich zu Bode und würgte sie ..."

Franzosen, Italiener, Österreicher und Engländer wurden auf ihren Feldzügen im 19. Jahrhundert auch von Hunden begleitet. Anders als zum Missbrauch des Hundes zur Tötung von Menschen, wurden diese "Regimentshunde" dazu eingesetzt, die Gegend auszukundschaften, die Feindbewegungen zu beobachten, und das eigene Heer vor Hinterhälten zu bewahren.

In den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts wurden die Hunde als "Kriegsmittel" im Aufklärungs- und Sicherheitsdienst sowie auch im Sanitätsdienst zum Aufspüren Verwundeter – je nach vorhergehender Zielaufgabe – eingesetzt (z. B. belgische Zughunde zogen Kanonen).

5. Die Gebrauchs- und Arbeitshunde

Von der Antike bis zur Neuzeit eher unbeachtet waren die Gebrauchs- und Arbeitshunde der Bauern. Daher findet man auch wenige Dokumente über die Existenz dieser Hunde. Zuerst wurden – im Mittelalter – die Hirtenhunde zur Bewachung von Rinderherden und Schweineherden in den Wäldern (Eichelmast) eingesetzt. Schafe waren in geringer Anzahl vorhanden, dies änderte sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa. Durch die Umwandlung von Weideland in Ackerland ging die Schafzucht Ende des 19. Jahrhunderts wieder zurück.

Für den Deutschen Schäferhund hatte das die Konsequenz, dass ein vollwertiger Ersatz für die Arbeit bei der Herde gefunden werden musste, denn die Zahl der Hunde schwoll immer mehr an. Dieser Ersatz wurde im Polizei-, Kriminal- und Kriegsdienst gefunden. Dazu hat der Mensch ihn wieder auf seine neuen Bedürfnisse einzustellen: "Leinenführigkeit und auf Befehl sitzen, niederlegen, springen und das Bringen von Gegenständen". Obwohl hierbei einige Abrichtungen "eindeutig den Tatbestand der Tierquälerei" erfüllen, werden heutzutage immer noch "Schutzhundeausbildungen" durchgeführt.

Metzger- bzw. Fleischerhunde wurden von antiken Schriftstellern ebenfalls kaum erwähnt. In der Neuzeit jedoch waren sie unerlässlich, das auf dem Lande eingekaufte Vieh in die Stadt zu treiben; auch als Reisebegleiter zum Schutz vor Räubern. Die Volksbelustigung "Bullenbeißen" (Bulldogge) wurde in England 1835 verboten. Der "Gladiator unter den Hunden", der Bullterrier, wurde jedoch auch "nützlich" eingesetzt: zur Vertilgung von Ratten. Aber selbst daraus machte sich der Mensch einen "Sport", indem "Rattentöten" wiederum auch als Schauspiel durchgeführt wurde.

Als "Zugpferde des kleinen Mannes" diente bis weit ins 19. Jahrhundert der Hund in Europa. Dem Missbrauch dieser Hunde machte erst 1936 der internationale Tierschutzkongreß in Brüssel ein Ende. Jedoch ist das Leben der Mensche ohne Zughund in den Polarländern noch heute undenkbar.

Als Rettungshund erreichten die Bernhardiner hohe Verdienste. Zurückzuführen ist diese Rasse auf den Heiligen Bernhard von Menthon (gest. 1086). Jedoch geht der Autor auch auf die Veränderung dieser Rasse bis zum heutigen Tage als "imposante Erscheinung", aber wegen seines großen Gewichtes "... für seine ursprünglichen Rettungsaufgaben nicht mehr geeignet" ein. Deshalb werden heute Rettungsaufgaben von vornehmlich mittelgroßen Hunderassen wahrgenommen.

Die anspruchsvollste Aufgabe eines Hundes ist jedoch das Führen eines blinden Menschen. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebrauchs- und Arbeitshunden besteht hier ein tief freundschaftliches Verhältnis zwischen Hund und Mensch.

Sehr interessant für mich das Kapitel "Der Hund an der Seite der Frau". Für alle diejenigen, die sich fragen, warum so viele Frauen Hunde haben/mögen, hier eine kurze Erklärung aus diesem Buch:

"Die Vorteile dieser Gemeinschaft lagen, deutlich erkennbar und klar, von Anfang an auf der Hand: Die Hunde lieben die Wärme des Herdfeuers und die leicht erreichbaren Abfälle des Lagers. Die Frauen schätzten die Nähe der Hunde, bewachen diese doch eifersüchtig ‚ihre Vorräte’ gegenüber allen zwei- oder vierbeinigen Konkurrenten und warnen so die Frauen vor Gefahren."

In der Geschichte wurden aber nicht nur "Schoßhündchen" von Frauen gehalten, sondern auch kräftige Schutzhunde hielten sich die Damen im Mittelalter, zum Schutze vor räuberischem Gesindel.

6. Der Hund als Versuchstier

Schon in der Antike wurden Hunde als Versuchstier vom Menschen verwendet. Darauf zurückzuführen ist z. B. die Entdeckung des Blutkreislaufes (William Harvey, 1578 - 1657), die Durchführung der ersten Bluttransfusion (Richard Löwer, 1631 – 1692) und die Erforschung der Wirkungsweise von Giften.

Immer wieder gab es Gegner, die diese Versuche als Sünde ansahen, im Vergleich zum Wohlergehen des Menschen. Bei der Suche nach der Seele des Hundes ist oft von der Leidensfähigkeit der Tiere die Rede. Im Gegensatz zu den in den Eingangskapiteln beschriebenen Experimenten wurde nun nicht mehr gefragt "Können sie denken, noch: können sie sprechen?", sondern "Können sie leiden?"

Die gefürchtete Infektionskrankheit des Gehirns, die Tollwut, war bereits in der Antike bekannt. Die erfolgreiche Bekämpfung dieser war für Hunde und Menschen eine Frage des Überlebens. Einen großen Beitrag dazu leistete Louis Pasteur (1822 – 1895), der erstmals einen Impfstoff gegen Tollwut entwickelte, bei Hunden, später auch bei Menschen einsetzte.

Die Experimente des russischen Physiologen Iwan Petrowisch Pavlow werden geschildert, der "bedingte Reflex". Selbst bei diesen "harmlosen" Versuchen starben etliche Hunde, wobei die eher wenig bekannten Untersuchungen der Verdauungsdrüsen eine traurige Rolle spielten.

Schilderungen über die Isolierung und Verpflanzung von Hundehirnen muten beim Lesen wie Frankensteins Gruselkabinett an. Als ich schon dabei war, mich zu fragen, wozu denn diese Experimente nützlich waren, beantwortete mir auch schon der Autor die Frage: "... bedeutet aus medizinischer Sicht keinen Fortschritt".

7. Der Hund als Medizin und Nahrung

Die Schilderungen von Hunden als Medikamente und Nahrung – auch in Europa - riefen bei mir Ekel und Zorn hervor. Vergebens wurde dagegen z. B. in China schon 1915 ein Verbot zum Verzehr von Hundefleisch erlassen.

Anders sieht es bei den Therapie- und Behindertenhunden aus, wo wieder einmal von dem Einfluß der Hunde auf das Sozialverhalten des Menschen die Rede ist. Unter diesen "helfenden" Hunden ganz neu sind "Epilepsiehunde", die in der Lage sind, bei den betroffenen Menschen einen Anfall lange vor seinem Ausbruch zu bemerken und zu warnen.

8. Der Hund als Eroberer

Wiederum zum Nutzen des Menschen wurden die Hunde zur "Eroberung" Zentralafrikas, der Polargebiete und des Weltraumes eingesetzt. Wobei viele dieser Expeditionen allein nur durch die Hunde möglich war. Die Schilderungen dazu sind recht ausführlich, vor allem die Leistungen der Hunde beim Kampf um die Eroberung des Nord- und Südpols, bei dem sie nicht nur Schlitten für Ausrüstung und Verpflegung zogen, sondern in aussichtslosen Situationen auch als Nahrung dienten. Amundsen, der erfolgreiche Eroberer des Südpols, stellte 1912 fest:

"... Wir Menschen huldigen so gerne der Auffassung, die einzigen zu sein, die eine lebendige Seele ihr Eigen nennen. Die Augen, heißt es, sind der Spiegel der Seele. Das ist alles schön und gut. Aber schaut euch einmal diese Hundeaugen an, studiert sie genau! Wie oft sieht man da etwas wahrhaft "menschliches" in ihrem Ausdruck, ja ganz dieselben Abstufungen, die man im menschlichen Blick wahrnimmt, und jedenfalls denkt man dabei unwillkürlich an den Ausdruck ‚seelenvoll’."

Der letzte "Eroberungshund" wird die Hündin Leika genannt, das erste Lebewesen als Besatzung einer Rakete.

9. Schluß: Die Seele eines Hundes

Zusammenfassend schreibt Erhard Oeser, dass der Gebrauchswert der Hunde, wie in den vorhergehenden Kapiteln geschildert, immer weiter zurückgeht - jedoch nicht die Anzahl der Hunde. Oeser zitiert Lorenz, dass der Wert eines Hundes für den Menschen "heutzutage ein rein seelischer" ist. Er gesteht auch dem Hund eine dem Menschen verwandte Seele zu.

Fazit:

Dieses Buch ist keine "leichte Kost", sondern vielmehr für diejenigen Hunde-Interessierten geeignet, die es ganz genau wissen wollen. Der Autor fasst die Entwicklung des Hundes über mehrere Jahrtausende auf 192 Seiten zusammen, mit Erklärungen und Quellennachweisen. Die 25 Abbildungen sind schwarz-weiß Zeichnungen bzw. –Fotografien, was dieses Buch nicht gerade zum "Bilderbuch" macht. Für den Leser werden die Beziehungen zwischen Hund nicht"schöngefärbt", sondern auch die dunklen Kapitel dieser Beziehung beleuchtet. Wer speziell nach Hirtenhunde-Informationen sucht, wird etwas enttäuscht, aber nicht zuletzt liegt es daran, dass die Hirten und ihre Hunde immer gesellschaftlich "unwichtige" Bestandteile der jeweiligen Zeiten und Kulturen waren, und im Gegensatz dazu den Jagd- und Gesellschaftshunden der sogenannten "höheren sozialen Schicht" mehr Bedeutung beigemessen wurde.

An vielen Stellen kamen mir die Erläuterungen bekannt vor, was daran liegt, dass z. B. auch C. Rohn in ihrem Buch sich auf die gleichen Erfahrungen und Aussagen von Konrad Lorenz bezieht. Ein Zitat aus dem Buch von C. Rohn, nämlich "Der Hund spiegelt wie kein anderes Tier den jeweiligen Zustand der menschlichen Gesellschaft mit all ihren positiven Seiten, aber auch mit all ihren Abartigkeiten wieder." könnte auch in den vorliegenden Buch gestanden haben.

Was die Frage nach der Seele des Hundes betrifft, schließe ich mich der Meinung des Autoren an. Und das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich selbst Hunde habe, denn wie schreibt Oeser so schön: "... Die einen behaupten, dass Tiere eine Seele haben, die anderen meinen, dass sie keine haben. Nach einem altbekannten Scherz enthält die erste Klasse alle Philosophen, die einen Hund haben, und die zweite alle, die keinen haben."

Ein Buch, zu empfehlen für alle, die nach Informationen suchen, die über die Inhalte der zeitgenössischen populärwissenschaftlichen Hundebücher hinausgehen.

Dorette Knobbe

Das Buch ist im Januar 2004 im Primus-Verlag, Darmstadt, erschienen und zum Preis von 24,90 EUR im Buchhandel erhältlich - ISBN 3-89678-496-X.