Ausgabe 02/2004
März + April 2004

Kirgistan, Land am Tien - Shan

Kirgisische Republik

Flagge Kirgistans

...Land der Schotterpisten und Schneeleoparden!

"Nun sind wir am Fuß des Passes angelangt. Alle sind da – unsere Herden, die Familien und die Kinder, der Hausrat und die Jurten.

Wir möchten dort hinauf, um das Licht der Welt zu erblicken. Jenseits des Passes liegen die frischen Wiesen und fließen die klaren Flüsse. Wir wollen dort unseren Sommer verbringen.

Tschingis Aitmatow "Kindheit in Kirgistan"

Geschichte im Schnelldurchlauf

rd. 1000 v.Ch. Gründung von Osch im Fergana Tal im Süden.

201 v.Ch. erste Erwähnung von "Kirgisen" in chinesischen Quellen.

840 n.Ch. Entstehung eines kirgisischen Reiches.

13. Jh. Mongoleneinfälle; erste Ansiedlung im Tien - Shan.

1710-1876 Kanat von Kokand, Gründung von Bischkek, ehemals Pischpek.

1876 russische Eroberung von Kokand, Einverleibung in das Zarenreich.

1882 Einwanderung erster deutschstämmiger Siedler (Mennoniten).

1916 mittelasiatischer Aufstand gegen Russland und Emigration von bis zu einem Drittel der kirgisischen Bevölkerung v.a. nach China.

1918 Teil der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Turkestan.

01.02.1926 Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Kirgistan.

1926 Umbenennung Pischpeks in Frunse.

05.12.1936 Gründung der kirgisischen SSR.

28.10.1990 Der Oberste Sowjet wählt Akajew zum Präsidenten.

31.08.1991 Unabhängigkeitserklärung.

22.12.1991 Beitritt zur GUS.

1993 fallen tadschikische Rebellen im Land ein, die die "gottlose" Regierung stürzen wollen. Darauf verabschiedet das Parlament im gleichen Jahr eine neue Verfassung, die religiös orientierte Parteien verbietet.

Bevölkerung

Kirgistan hat etwa 5 Millionen Einwohner, 23 Einwohner pro Quadratkilometer und 40 % leben in Städten, nämlich in der Hauptstadt Bischkek (ca. 1 Million Einwohner) und ihrer heimlichen Konkurrentin Osch (ca. 220 000 Einwohner), im fruchtbaren Ferganabecken. Tokmak (ca. 94 000 EW), sowie Dschalal Abad (93 000 EW), Karakol, früher Prschewalsk (80 000 EW) und Kara Balta ( 70 000 EW) sind die größten Städte des Landes.

Foto: © Berthold Steinhilber

Kirgisen stellen ca. 52 % der Bevölkerung, ca. 22 % sind Russen und ca. 13 % Usbeken. Außerdem leben Tataren, Tadschiken und Aseri (Aserbaidschaner), sowie Ukrainer und Deutsche im Land. Weitere Minderheiten sind Uiguren, Türken, Kasachen, Tadschiken, Koreaner und Chinesen. Übrigens erkannte Kyrgyzstan als erstes Mitglied der GUS Staaten der deutschsprachigen Minderheit Autonomierechte zu.

Diese umfasst etwa 17 000 Menschen, von denen 1882 die ersten als Siedler (Mennoniten) einwanderten, weitere kamen im Rahmen der Deportationen unter Stalin ab 1942 ins Land. Sie werden in Begegnungsstätten in Bischkek, Tokmok, Sokuluk, Kara Balta, Belowodskoje, Kant, Talas, Maili-Suu, Osch und Dschalal Abad von kirchlichen und politischen Organisationen aus Deutschland unterstützt. Dort finden neben Seminaren und Vorlesungen über traditionelle und kulturelle Lebensweisen auch solche zur Gesundheitsvorsorge, Psychologie und Berufsorientierung statt. Weiter wird eine Arbeit für Jugendliche in Clubs und Jugendgruppen angeboten. Des Weiteren gibt es soziale Hilfen, nämlich Lebensmittelverteilungen, medizinische Betreuung für Bedürftige und Seniorenkuren.

Vorherrschende Religion ist der Islam sunnitischer Richtung. Die Amtssprache Kirgisisch zählt zu den Turksprachen. Auch Russisch ist die zweite Amtssprache. 

Aufgrund der Gegebenheiten ist Kirgistan nicht gleichmäßig besiedelt. Deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt im Ferganabecken und auch im Norden des Landes ist die Bevölkerungsdichte höher als im Rest des Landes.

Geographische Lage

Mit einer Fläche von ca. 199 000 qkm liegt Kirgistan im nordöstlichen Teil Centralasiens und hat gemeinsame Grenzen mit Kasachstan, Tadschikistan, Usbekistan und China. Geteilt wird das Land durch das Gebirge Tien - Shan in die Ebene von Tschui im Norden und das Ferganabecken im Süden. Der höchste Berg ist der Pik Pobeda (in der Landessprache Dschengisch Tschokusu, der Siegesgipfel) mit 7.439 m.

Annähernd 90 % des Territoriums liegt über 1500 m hoch, daher wird Kirgistan auch die Schweiz Centralasiens genannt. Administrativ ist das Land in 8 Verwaltungsbereiche aufgegliedert. Nämlich 7 Regionen:

- Tschüj Oblasty

- Yssyk-Köl Oblasty

- Talas Oblasty

- Naryn Oblasty

- Osch Oblasty

- Dschalal-Abad Oblasty

- Batken Oblasty und der Hauptstadtbereich Bischkek.

Ähnlich unseren Landkreisen gibt es 39 Rayons und 4 entsprechende Bereiche in Bischkek. Die Rayons wiederum bestehen aus noch kleineren Einheiten, den insgesamt 429 Landverwaltungen (Gemeinden, Ail Ökmötü).

Die nationale Währung ist der SOM = 100 Tijn, eingeführt am 10. Mai 1993. 1 Euro entspricht etwa 48 SOM. Die Einführung dieser Währung verstieß gegen Abkommen der "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS).

Wirtschaft

Der wichtigste Sektor ist die Landwirtschaft und erbringt ca. 40 % des Bruttoinlandproduktes. In der Landwirtschaft sind über 40 % der Bevölkerung beschäftigt. Fast 80 % der landwirtschaftlichen Produktion wird privat erzeugt. Hauptprodukte sind: Fleisch, Wolle und Leder, sowie Zucker, Tabak, Seide, Gemüse Getreide und Viehfuttermittel und Kartoffeln.

Fotos: © Berthold Steinhilber

Der Anbau wird durch ein sehr intensives Bewässerungssystem erst möglich gemacht. Im Jahre 1993 waren z.B. 9 000 qkm Land bewässert. Dazu schreibt mir Kanat :"Da wo ich aufgewachsen bin - im Norden Kirgistans, gibt es keine Wälder. Damit die Landwirtschaft betrieben werden kann, benutzt man ein gut ausgebautes Bewässerungssystem. Z. B. meine Familie hat ein Grundstück, wo wir etwas Gemüse anbauen können. So, pro Sommer müssen wir das Grundstück mindestens viermal bewässern, damit alles nicht austrocknet. Wasser kommt vom Gebirge und wird unter den Dorfbewohnern verteilt." Auch die Zucht von Pferden, Schafen und Rindern spielt eine wichtige wirtschaftliche Rolle.

Der Dienstleistungssektor macht 30 % und der Industriesektor 24 % des BIP aus.

Kirgistan verfügt über größere Vorkommen an Bodenschätzen. So werden Gold, Zinn, Wolfram, Quecksilber, Kohle, Uran und Erdöl sowie Basalt abgebaut.

Die wichtigste Industrieproduktion sind die Zweige Leichtindustrie, Buntmetallurgie, Maschinenbau und Energiewirtschaft. Exportiert werden davon Quecksilber und Uran, Gold und Elektroenergie (gewonnen aus Wasserkraft). Relativ hoch entwickelt ist die Produktion von Elektroerzeugnissen, z.B. Glühbirnen.

Trotz der Vorkommen an Bodenschätzen hat sich der Entwicklungsstand Kirgistans vom 89. auf den 107. Platz in den Jahren 1992 bis 1997 verschlechtert. Außerdem ist das Land immer noch auf Importe angewiesen, z.B. auf Erdöl und Erdgas. Bis heute hat das Land den Wegfall der alten Handelsbeziehungen zur ehemaligen Sowjetunion nicht verkraftet.

Prognosen zufolge gibt es große Vorkommen an Silber, seltenen Metallen, Eisenerz, Erdöl und Gas. Ein Problem bei der Erschließung und dem Transport ist das noch relativ schlechte Eisenbahn - und Straßennetz. Wichtigste Handelspartner sind die GUS-Staaten und China. Im Januar 1994 schloss sich Kyrgyzstan einer von Kasachstan und Usbekistan gegründeten Freihandelszone an.

Tourismus

Im Naturschutzgebiet
Foto: Aizada Rahmatova

Kirgistan ist sehr reich an Süß - und Mineralwasser, dazu kommen wunderbare Gebirgslandschaften und zahlreiche Seen. Dies wird in Zukunft dafür sorgen, dass der Tourismus an Bedeutung zunehmen wird. Berühmt sind z. B. die Nusswälder von Arslanbob. Aber auch im restlichen Land findet man immer wieder Nussbäume. Erwähnenswert sind auch die Bestände von Wacholder und Walnussbäumen in der Region um Dschalal Abad, bei letztgenanntem sind es die größten natürlichen Vorkommen der ganzen Welt. . Über den Tourismus schrieb mir ein Kirgise: "..Aber es wurde ein eigenartiger Tourismus entwickelt. Man ließt die Touristen mal ein echtes Leben eines Nomaden ausprobieren: keine Dusche morgens, kaltes Wasser zum Gesichtwaschen, keine Toilette etc. Keine Infrastruktur, sondern nur ein Zelt und schlafen am Boden."

Sicher hilfreich für den Ausbau des Tourismus sind die toleranten und aufgeschlossenen Menschen in diesem Land, eine bewegte Geschichte und die grandiose Natur. Diese wird geschützt durch große Naturschutzgebiete. Perfekt ist in Kirgistans Tourismus nicht, aber immer herzlich und Kirgisen sind traditionell sehr gastfreundlich.

Die Städte:

Blick auf Bischkek
Foto: Aizada Rahmatova

Bischkek

Die Hauptstadt liegt im Norden des Landes, im Flusstal des Chui. Gegründet wurde die Stadt als Pischpek 1825 vom Khan von Kokand als Festung, um die kirgisischen Stämme zu unterwerfen. Bis dahin hatten sich schon etwa 14 000 Menschen rund um diese angesiedelt. 1862 nahmen die Russen die Festung ein und tauften sie 1926 um in Frunse, nach Michail Frunse, General der Roten Armee, Politiker und Sohn dieser Stadt. 1991 änderte das kirgisische Parlament den Namen erneut und seitdem heißt die Hauptstadt wieder Bischkek.

Im Jahre 1951 wurde die Staatsuniversität von Kirgistan gegründet. Rund um die Stadt gibt es Industrie. Gefertigt werden u. a. Landmaschinen, Lebensmittel, Textilien und Baustoffe. Außerdem finden sich die kirgisische Akademie der Wissenschaften, ein Sinfonieorchester sowie verschiedene Museen und Theater in der Stadt. Einer der größten und wohl auch schönsten Plätze der Stadt ist der Alatau - Platz, benannt nach dem weißen Massiv, das die Stadt umkränzt.

Manas Park
Foto: Aizada Rahmatova

Ebenfalls einen Besuch wert ist der Manas - Park, der das Andenken an den Helden der Kirgisen bewahren soll. Zu Recht gilt das Manas als das größte Heldenepos der Welt, mächtiger als die Odyssee oder die Ilias. Vorgetragen werden diese Halbgesänge von den so genannten Manaschi.

In der Hauptstadt sitzt auch das Parlament der präsidialen Republik und das Staatsoberhaupt, der Präsident, der vom Volk direkt gewählt wird für eine Amtszeit von 5 Jahren. Präsident ist der ehemalige Präsident der Kirgisischen Akademie der Wissenschaften Askar Akajew. 1991 schaffte der Präsident das alte Rätesystem ab und führte ein Gouverneurssystem ein. Das Parlament ist aufgeteilt in das Oberhaus mit 105 Sitzen und das Unterhaus mit 35 Sitzen.

Der Flughafen von Bischkek heißt Manas. Auffällig, es gibt in der Stadt und auch im übrigen Land sehr viele westliche Gebrauchtwagen, geschätzt wird, daß 95% von ihnen aus Deutschland kommen. 

In der Hauptstadt finden auch die Feierlichkeiten am 31. August, dem Tag der Unabhängigkeit statt. Weitere Feiertage sind: Nooruz (Kirgisisches Neujahrsfest) am 21. März und der Tag der Verfassung 5. Mai.

Karakol

Die Stadt liegt am östlichen Ufer des Issyk - Kul. Sie ist das Eingangstor zum zentralen Tien Shan mit seinen höchsten Bergspitzen Pik Popeda (7.439 Meter) und Khan Tengri (6.995 Meter) und dem zweitgrößten Gletscher der Nordhalbkugel, dem Engiltschek mit einer Länge von ca. 60 Kilometer. 

Viele halten Karakol für die schönste Stadt Kirgistans, sie wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und es sind noch eine ganze Reihe von Bauten aus der Zarenzeit erhalten. Sehenswert die dunganische Holzmoschee - sie wurde in Form einer buddhistischen Pagode ohne einen einzigen Nagel gebaut - und die russisch - orthodoxe Kirche.

Immer einen Besuch wert, der orientalische Basar mit seinen Düften der Seidenstrasse. Einer der größten Basare des Landes ist der Viehbasar und sollte unbedingt besucht werden. Und vergessen werden darf nicht das Museum von Nikolai Prshewalski. Der Forscher kartographierte als erster das gesamte Territorium um den Issyk-Kul. Da nicht nur sein besonderes Interesse diesem Gebiet galt, sondern er dort auch Teile seines Lebens verbrachte, wurde er unweit von Karakol begraben.

Wolfsgehege im Zoo von Karakol
Fotos Thorsten Harder

In Karakol gibt es auch einen Zoo. Leider nicht vergleichbar mit Zoos in unseren Breitengraden und das liegt am Geldmangel. Seit aber der Deutsche Thorsten Harder ihn unter seine Obhut genommen hat, sind Verbesserungen zu sehen. Den mehr einem Verschlag ähnelnde Wolfskäfig wollte er erneuern und den beiden Wolfspärchen eine artgerechtere Umgebung bieten. Mit Spendengeldern wurden zwei Gehege gebaut, die mit jeweils 500 qm den Wölfen eine neue Heimat bieten. Über 2.000,-- Euro sind übrig geblieben und so sind weitere Verbesserungen geplant. Wer auch weiterhin eine Spende machen möchte, das Konto besteht noch:

Kreissparkasse Harburg-Buxtehude

BLZ:20750000

KNR:60006798

Für Fragen steht jederzeit zur Verfügung:.

Gisela Müller

21376 Salzhausen

Bahnhofstr.6a

Tel. 04172 7348

mailto:gilamu@t-online.de

Geographie

Das Land wird überwiegend von Hochgebirgen eingenommen. Im Norden vom Tien Shan und im Süden vom Alai - und Transalaigebirge. Etwa 3 % dieser Hochgebirgslandschaft sind mit ewigem Eis bedeckt. Das Land liegt zwischen dem 39 Grad und dem 43 Grad nördlicher Breite.

Fotos: © Berthold Steinhilber

Eigentlich ist der Tien Shan Teil eines Gebirgsgürtels, der sich von der Ägäis bis zum Pazifik über Asien erstreckt, und ca. 2500 km lang ist. Seine westlichen Ausläufer gehen bis zur Wüste Kyzylkum und im Osten reicht er bis zur Wüste Gobi. Viele Völker lebten über Jahrtausende in dieser Region, aber wie sie die Berge nannten, wissen wir nicht. Erhalten hat sich der Name, den ihnen die Chinesen gaben: Tien Shan, Himmelsberge.

Durchzogen wird der Tien Shan von rund 90 Bergketten. Dabei liegt zwischen dem niedrigsten Punkt in der Wüste und den Gipfeln ein Höhenunterschied von über sieben Kilometern.

Das Klima ist kontinental mit starken jahreszeitlichen Schwankungen, daher ist es im Sommer und Herbst nicht besonders schön. Die Landschaft erinnert dann eher an z.B. Spanien. Ausgetrocknet und gelb. Temperaturen im Sommer von bis zu 40 Grad sind keine Seltenheit und auch die Nächte sind sehr heiß. Mit Niederschlägen ist Kirgistan nicht gerade reichlich gesegnet. Daher sind die wichtigsten Wasserquellen der Naryn, Tschui (Chui) und Talas und die vielen Nebenflüsse des Syrdarja. Diese entspringen im Norden des Landes und versiegen in den Wüsten und Halbwüsten Kasachstans.

Kirgistan hat sehr unterschiedliche Klimazonen. Einerseits die subtropisch-mediterrane im Ferganabecken im Südosten und die im kontinental-trockenen Klimabereich liegenden Täler des Tschu und des Talas, auf der anderen Seite die im ewigen Eis liegenden Gipfel des Tien Shan. Daher gibt es eine Vielzahl von unterschiedlicher Naturzonen wie Halbwüsten, Steppen, Wälder und alpine Wiesen, Frostschuttgebiete und Gletscher. An den nördlichen Berghängen (zwischen 1.900 und 2.800 m) findet man die nur hier vorkommenden Tienschan-Fichte, die trockenen, warmen Südhänge dagegen sind von lichten Wachholderhainen bewachsen.

Fotos: © Berthold Steinhilber + Thorsten Harder

Der größte See des Landes ist der Issyk-Kul auchYsy-Köl See auf einer Höhe von ca. 1 600 Metern über dem Meeresspiegel im Norden des Landes gelegen. Er umfasst eine Fläche von etwa 6.200 Quadratkilometern und ist damit etwa 12 mal so groß, wie der Bodensee. Er ist nach dem Titicacasee der zweitgrößte Hochgebirgssee der Welt, mit einer Länge von ca. 180 km und eine stellenweise Tiefe von 668 Metern. Er hat viele Zu- aber keine Abflüsse. Sein Wasser ist sehr klar und leicht salzhaltig. Zunehmende Bewässerungsmaßnahmen haben seit 1850 zu einer Abnahme des Wasserspiegels um etwa 10 Metern geführt. Eine Besonderheit hat der Issykkul See: Er friert im Winter dank zahlreicher Warmwasserquellen nicht zu und ermöglicht so eine ganzjährige Berufsfischerei. Das Südufer des Sees ist landschaftlich sehr reizvoll und viel weniger verbaut, als das Nordufer. Weiter westlich ist die Landschaft von Steinhalbwüsten geprägt.

Neben dem Issykkul gibt es noch eine Vielzahl weiterer Seen (ca. 300), erwähnenswert der in einer Hochebene auf 3.000 m Meereshöhe gelegenen Son Köl, ebenfalls ein größerer See, der Toktogul-Stausee (Wassermenge: 19 Mrd. L.) am Naryn, und der Tschatyr-Kul in 3.530 m Höhe. Als der schönste See wird wohl der Sary Tschelek (1.925 m ü. NN) bezeichnet.

So um die 4 % des Landes sind mit Wald bedeckt, der Rest wird von Steppen und alpiner Vegetation bestimmt.

Es gibt viele seltene Tierarten, den Tien Chan Braunbären und Schneeleoparden. Während alle Wildtiere einem großen Druck durch Wilderei und Abschüsse durch zahlungskräftige Jäger ausgesetzt sind und sich ihr Bestand dadurch stark verringert hat, ist die Situation der Schneeleoparden sehr eng geworden. Daher soll ihnen auch ein extra Kapitel gewidmet werden, denn es laufen seit Jahren Rettungsversuche für diese fast ausgestorbene Großkatze.

Nomadentum und Viehzucht

Fotos: © Berthold Steinhilber

Seit 1940 wurden Nomaden mehr oder weniger "bekämpft". Aber die Sowjets konnten die alten Traditionen der Viehzüchter und nomadisierenden Familien nie ganz vernichten. Daher gibt es auch heute noch immer Familien, die mit ihren Tieren im Frühjahr in die Berge ziehen und dort den teilweise sehr heißen Sommer verbringen und man kann auf den Almen noch immer die Jurten sehen, die dort schon vor Jahrhunderten standen. Viehzucht ist anders, als in Deutschland. Jede Familie auf dem Land hält sich Tiere, Kühe, Schafe und auch noch Pferde, sowie Nichtmuslime auch Schweine.

An Stelle der traditionellen Land- und Viehwirtschaft ließ die zaristische Regierung riesige Baumwollfelder anlegen. Einher gingen Landenteignungen und eben die Verdrängung der ursprünglichen Nutzung. 1929 kam es zwar zu heftigen Widerständen gerade der nomadisierenden Bevölkerung, die zur Sesshaftigkeit gezwungen wurde, aber diese Kämpfe wurden niedergeschlagen und angeblich Hunderttausende interniert, nach China vertrieben oder getötet. Dreiviertel des Viehbestandes wurde vernichtet.

Tschingis Aitmatow ist der Nationaldichter Kirgistans. Aber er ist viel mehr, als ein Dichter und Schriftsteller.

1928 geboren, gehört er zu den meistgelesenen Autoren der Welt. Neben einem Berufsleben als Veterinärmediziner auf dem Experimentiergut des Viehzuchtforschungsinstituts von Kirgistan vertritt er viele Jahre seit 1990 erst die Sowjetunion und dann sein Land als Botschafter bei der europäischen Union in Brüssel.

In seinen Erzählungen und Gedichten geht es hauptsächlich um die problematischen Beziehungen zwischen den alten Traditionen und der modernen Geschichte des Landes. Seine schönsten Werke spielen daher auch in den einsamen Weiten Kirgistans.

1956 absolvierte er ein Praktikum am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau. Als Diplomarbeit verfasste er eine Geschichte, gab ihr den Titel "Dshamilja", eine Art Liebesgeschichte und seither geht sie um die ganze Welt. Natürlich wurde sie, wie die meisten anderen Werke auch ins Deutsche übersetzt. 1957 wurde er Mitglied im russischen Schriftstellerverband. 1998 bringt der Unionsverlag Zürich das Buch "Kindheit in Kirgistan heraus, nicht in Russisch und auch nicht in seiner kirgisischen Muttersprache, sondern in Deutsch.

Seine bekanntesten Werke sind: "Dshamilja", "Der weiße Dampfer" und "Der Richtplatz".

"Der Mensch", sagt Aitmatow, "sucht in der Kunst die Bestätigung seiner besten Bestrebungen und die Ablehnung alles Bösen und Ungerechten, das seinen sozialen und sittlichen Idealen widerspricht. Das geht nicht ab ohne Kampf, Zweifel und Hoffnung. Und das wird wohl immer so bleiben. Deshalb hat die Kunst ständig die Aufgabe, den Menschen von der Kompliziertheit und Schönheit des Lebens zu erzählen ... " (zitiert nach Maas, Bronski: Mittelasien. Leipzig 1979).

Die Hunde

Neben den vielen Mischlingen und einer ganzen Reihe eingeführter europäischer und russischer Rassen gibt es in Kirgistan zwei Rassen, die schon seit Jahrhunderten gezüchtet werden.

Als Helfer auf der Jagd arbeitet der Taigan, ein Windhund. Über ihn gibt es eine Seite im Internet und deswegen brauche ich nicht alles wiederholen, was dort viel besser zum Nachlesen steht.

http://www.taigan.de

Die zweite Rasse ist der centralasiatische Owtscharka, eigentlich der Hirtenhund aller Länder Centralasiens. Richtig wäre daher wohl, er ist ein regionaler Schlag. Kirgisische Centralasiaten werden heute nur noch selten als Hirtenhunde eingesetzt. Allerdings benützt man sie viel häufiger als Wachhunde.

Wie in den anderen Ländern und Regionen auch gibt es Größenunterschiede. Die sehr großen und entsprechend schweren Hunde nennt man kurioserweise "Alabai". Die kleineren Schläge werden als "Turkmenen" bezeichnet. Farblich unterscheiden sie sich von den Hunden der Nachbarländer nicht, auch in Kirgistan gibt es von sehr hellen Hunden bis zu fast schwarzen alle Farben.

Odin, Centralasiate
Foto: Thorsten Harder

Geschichten und Geschichtchen

Eine ganze Menge alter Geschichten und Traditionen hat sich in Kirgistan erhalten. Einige sind für europäische Verhältnisse weniger lustig.

So z. B. die Geschichte von Ala-katschu, der Raubheirat. Selbst die Gesetze aus der Sowjetzeit haben daran nichts geändert. Ein alter Brauch in allen centralasiatischen Ländern ist die Raubheirat. Auch heute noch werden junge Mädchen entführt, für die Männer eine Ehre, die mit zunehmendem Widerstand der Frauen größer wird. Mutproben, die ihn zu einem echten Kirgisen machen, Gottes Buiruk, Schicksal für die jungen Mädchen.

Überall im Land findet man die Statuen und Bilder des Präsidenten. Für centralasiatische Verhältnisse fast normal.

Trotzdem die Moderne Einzug hält, kann man die zahlreichen Traditionen auch in der Hauptstadt erleben, z.B. am Nationalfeiertag. Eine davon ist Udarysch, ein Reiterspiel, bei dem die Teilnehmer zu Pferde ringen und versuchen, sich vom Pferde herunter zu zerren. Bereits Kinder beherrschen dieses Spiel ohne Sattel perfekt.

Auch Ulak-Tardysch, eine Art kirgisisches Polo-Spiel wird noch immer gespielt. Dabei gilt es, einen frisch geschlachteten Ziegenleib in ein Rund zu werfen.

Nicht zu vergessen, dass auch heute noch der Kalpak getragen wird, ein Filzhut, der gegen Wind und Wetter schützt und in unveränderter Form seit Jahrhunderten hergestellt wird. Ältere Männer tragen einen schwarzen, die jüngeren einen weißen mit schwarzen Stickereien.

junger Mann mit Kalpak
© Berthold Steinhilber

Im praktischen Leben hilft der alte Glaube. So ist es keine Sünde, auf den Koran zu treten, um das Brot vom Schrank herunterzuholen, wohl aber eine Sünde, auf Brot zu treten, um den Koran vom Schrank zu holen, sagt man. Tritt ein Mädchen auf Brot, bekommt es Schuldgefühle. Noch größer werden die Schuldgefühle, steigt es über einen alten Menschen. Der nämlich kann es verfluchen - die Angst vor Verwünschungen ist groß.

Zu den großen Traditionen in ganz Centralasien zählt die Jagd mit dem Steinadler, dem Bürküt. Auch in Kirgistan lebt sie noch heute und die Jäger sind hoch angesehen, wenn sie mit ihren Steinadlern erscheinen. Gejagt werden u. a. Wildhasen und anderes Kleingetier und ganz wichtig, auch Pelztiere.

"Adlermann"
Foto: © Berthold Steinhilber

Und wenn wir schon bei Traditionen sind, auch heute noch wird Gastfreundschaft groß geschrieben. Gäste werden sehr oft geehrt, indem man ein Schaf schlachtet und dann die ganze Familie gemeinsam den Gast bedient, denn ein Gast darf nicht hungrig wieder gehen. Oft wird dann nach dem Essen eine Teetasse von einem zum anderen gereicht, wer sie bekommt, wird gebeten, ein Lied zu singen.

Nicht zu vergessen ist Beschbarmak, das fünf Fingeressen. Dazu wird ebenfalls ein Lamm geschlachtet und die Männer vertilgen es mit den Fingern, daher der Name. Den Schädel bekommt der Ehrengast und er muss die Augen essen. Das ist symbolisch, nämlich, dass man sich im Leben nie aus den Augen verliert. Wichtig bei solchen Essen, immer wieder bekommen die Kinder ein Stück vom Hammel. Das heißt dann "Usto-mak" und bedeutet, "Mit jedem Stück Fleisch überträgt der Erwachsene etwas von seinen Fähigkeiten auf das Kind".

Immer eine Laghman, eine Suppe mit handgezogenen Nudeln und etwas Fleisch drin bekommt man in den Asch-Hana, den Hütten mit einem Gastraum, die immer wieder an den Strassen und Pisten zu finden sind.

Auch viele alte Sagen und Legenden erzählen sich die Kirgisen. Eine handelt vom Tal der Sieben Stiere (dscheti-ogus) . Es liegt in der Nähe von Karakol.

Dorthin trieb eines Tages ein Bauer seine 7 Stiere und ließ die Tiere dort alleine zurück. Als er sie Abends wieder abholen wollte, konnte er sie nicht mehr finden, obwohl er sehr genau suchte. So ging das tagelang. Schließlich gab er auf und kehrte ins Dorf zurück.

Jahre später kam er wieder in das Tal und was sah er da? Sieben Stiere standen dort am Horizont und bewegten sich nicht. Groß waren sie geworden, freute sich der Bauer, große rote Felsen.

Eine andere Sage sagt, Kirgistan ist das Land der 40 Mädchen. Die waren alle Amazonen, nämlich die 40 Stämme Kyrgyzstans. Gezeugt von einem Knaben, der als Einziger den Sturm einer wilden Reiterbande überlebte. Mit der Frau, die ihn fand, zeugte er diese 40 Mädchen.

Am leichtesten glaubt man diese Geschichten bei einer Schale Kumys, gegorener Stutenmilch, die laut den alten Nomaden eine wahre Wundermedizin und für alles gut ist, auch für einen schönen Rausch. Sicher glaubt man dann auch die Geschichten von den schlauesten Wölfen der Welt, die aber zum Glück von den noch viel schlaueren Wolfsjägern erlegt werden. Daher genießen diese Jäger ein ähnlich hohes Ansehen, wie die Adlermänner.

kirgisische Wölfin
Foto: Thorsten Harder

Tollkühn sind die Kirgisen und gute Reiter, lernen sie doch das Reiten schon als Säuglinge, verpackt in dem Beschik, einer Art Wiege, festgeschnallt auf dem Pferderist.

Nach ein paar Schalen Kumys mehr glaubt man auch diese Geschichte: Ein Bauer kommt im Dunkeln an den Grenzübergang. Er habe seine Schwiegermutter auf dem Rücksitz und die müsse ins Krankenhaus. Zwar lässt der Zöllner ihn zuerst passieren, schaut dann aber doch etwas genauer nach. Die Schwiegermutter entpuppt sich als Kuh. Wie er die auf den Rücksitz bekommen habe, will er wissen. Antwort des Bauern, er packe sie mit einer Zange an der Zunge, dann folgt sie wie ein Lamm. Na ja, eine schöne Geschichte.

Der Süden rund um Dschalal Abad ist muslimisch geprägt, die Bilder des Präsidenten verschwinden und die Aksakalen, die weißbärtigen Männer sitzen in Betten auf der Straße. Sie ziehen sich nie ihre Stiefel aus, sagt man, dafür allerdings Strümpfe darüber. Ihre Gesprächsthemen sind sehr wichtig, Frauenraub und die Mitgift der Töchter und Lob auf die heutige Zeit, die endlich wieder Eigentum gestattet.

Und da wäre noch der Polizist Baltabaiew aus Osch. Er ließ Diebe beim ersten mal laufen, beim zweiten mal aber bat er sie in sein Büro und schlug sie windelweich. Es heißt, ein drittes mal gab es nie. Als er starb, sei der Markt leer gefegt gewesen und 15 000 Menschen strömten zum Friedhof.

Die letzte Geschichte aber will ich zitieren von dem Autor Ralph Kendelbacher, denn original ist sie an schönsten und sie kommt auch aus Osch: "Unerreicht aber ist Muchtar, der Mann unter dem Baum. Der steht hier und die Leute fragen: "Was machst du da?" - "Geh weg", antwortet Muchtar anfangs.

Wenn die Leute, von Neugier getrieben, wieder kommen, "Erzähl bitte, was du da machst", so entgegnet er: "Gib mir einen SOM und ich werde es dir sagen." Er nimmt das Geld und sagt: "Ich helfe diesen Bäumen zu wachsen! Auf diese Weise nimmt er täglich 50 SOM ein".

In diesem Sinne, auf Wiedersehen Kirgistan, der Tee, hier Tschai genannt, ist ausgezeichnet, Tschöwögö, die geröstete Butter köstlich und Kattama das Fladenbrot immer frisch und was Mantej ist, sollte jeder selbst herausfinden.

Ein Toast

Eine der schönen Sitten in Kirgistan ist der Toast. Einen solchen will ich ausbringen auf meine vielen Helfer zu diesem Artikel und seinen Bildern und mich bei ihnen herzlich bedanken.

Das wären Aizada Rahmatova, die mir Bilder schickte.

Lydia Raskop, von der ich einen Artikel über das Land bekam.

Thorsten Harder, der seit Jahren im Land lebt und arbeitet. Er schickte mir Bilder und las meinen Text gegen.

Kanat Kuljanov , der meine vielen Fragen immer geduldig beantwortete und somit viele Informationen lieferte.

Berthold Steinhilber, dessen Fotos den Artikel ungemein bereichern.

Und Ralph Kendelbacher, Autor eines Artikels über Kyrgyzstan, der in der Reihe "Abenteuer und Reisen" erschien und von dem ich ein "bisschen abgeschrieben habe", hauptsächlich die schönen Geschichten.

"Rachmat (Hab Dank). Der Herr sei mit dir"!

Hartmut Deckert