Ausgabe 06/2006
August 2006

Wie ich zu den "Ungarn" gekommen bin

1969 in Karpfhofen, es sollte in die zweite Doppelhaushälfte unseres Hauses eine ungarische Ärztin einziehen. Mitten in der Nacht wurde ich durch einen kurzes, sonores Hundebellen wach, ich weckte meinen Mann und sagte ihm, dass eben ein Hund ganz seltsam, eigentlich wunderschön und tief gebellt hätte.

Komondor-Rüde Maros 1974
Foto: Ingrid Weininger

Meine Neugierde war da und ich dachte schon, dass das mit der neuen Nachbarin zusammenhängen könnte. Am Morgen sollten die Kinder zur Schule und da saß am Zaun ein eigenartig ruhiges, von oben bis unten mit Schnürenfell bedecktes Wesen, das uns alle sofort in seinen Bann zog und seine dicke Pranke oben auf den Gartenzaun legte. Ich hatte ziemlich Angst vor großen Hunden, da ich als 5jähriges Kind von einer Schäferhündin schwer gebissen und minutenlang nicht mehr losgelassen wurde, ehe mir meine Mutter zu Hilfe kommen konnte. Aber das da war irgendwie kein Hund, ja es war ganz sonderbar, wir fühlten uns alle zu diesem Wesen hingezogen und waren freudig aufgeregt.

Ich ging wieder ins Haus, um fertig zu frühstücken, da hörte ich ein Jammern. Dieses Wesen, das scheinbar doch ein Hund war, versuchte, unter dem Maschendrahtzaun zu uns herüber zu robben und war mit dem Zottelfell hängen geblieben. So mutig war ich nicht, um gleich zu handeln und so stand ich etwas ratlos da und versuchte mit Worten, zu trösten und zu beruhigen.

Meine anderen Nachbarn, die ebenfalls das Jammern gehört hatten, wussten, dass die Besitzerin des Hundes sofort ins Krankenhaus gerufen wurde und sich noch gar nicht vorstellen konnte. Also rief ich dort an, stellte mich vor als die Nachbarin und fragte, was ich um Gotteswillen mit dem jammernden, verstrickten und unter dem Zaun steckengebliebenen Hund machen sollte. "Bohi ist sehr lieb, nehmen Sie eine Schere, schneiden sie die Zotteln ab und bitte, schieben Sie ihn zurück!" Gesagt getan, etwas zitternd schnitt ich die Zotteln ab und... der Bohi war bei mir im Garten. Zurückschieben? War nicht möglich gewesen.

Kuvaszhündin Sophie, 12 Jahre alt
Foto: Ingrid Weiniger

Wie ging es weiter? Bohi, der eigentlich Ospándói Bohó hieß und ein 6 Jahre alter Komondor-Rüde mit bodenlangem Haarkleid war, war nicht mehr zu bewegen, in sein eigentliches Grundstück zurückzukehren. Er blieb vom 1. Tag an bei uns und so entfernten wir noch am Abend den Maschendrahtzaun, der die beiden Grundstücke von einander getrennt hatte. Da sein Frauchen sowieso Tag und Nacht im Krankenhaus Dienst machen musste, war es froh, dass Bohó bei uns so gut aufgehoben war.

Obwohl er, wie ich lange weiß, kein schöner Hund war – helle Augen, rosa Nase, immer voll Dreck, weil er beim nächtlichen Streunen nur zu gerne in den kleinen Abwasserbach ging, der in der Nähe lag. Es gab nichts, was uns an ihm störte und die Liebe beruhte absolut auf Gegenseitigkeit. Sein Frauchen ging dann nach Aachen, um eine eigene Praxis zu eröffnen und holte Bohi – der sich weigerte und wie wir verzweifelt war – ½ Jahr später ihrem Sohn Arpad zu liebe nach.

Bohó fraß kaum mehr, wurde apatisch und lebte nicht mehr lange. Wir waren untröstlich und holten uns von demselben Züchter in Ungarn unseren Maros. Und ob nun die Komondore Bohó, Maros, Güzü, Chani, der Puli Charlo oder die Kuvashündin Sophie, meine Mudis Pici u. Echnaton – für mich haben alle unsere Hirtenhunde eine ganz eigene und sehr tiefe Seele, ein besonderes Wesen, man kann es nicht beschreiben und ich habe nirgends etwas vergleichbares gefunden.

Mudi Elmo
Foto: Ingrid Weininger 

Ingrid Weininger

Nachsatz

Dieser Artikel erinnert mich sehr an den über unseren ersten Hirtenhund Nannuk, ein Kaukase. Es sind eben so die Zufälle, die einen zum "Fan" einer Rasse machen.

Dass Ingrid den "Ungarn" immer noch treu geblieben ist, können all diejenigen verstehen, die ihre Erzählungen über "ihre Hunde" kennen. Es waren und sind für sie eben Hirtenhunde der besonderen Art.

Wir bedanken uns für diesen Artikel und natürlich auch für die Bilder.

Hartmut Deckert