Ausgabe 03/2004
Mai + Juni 2004

Ivo (li.) und Riva (re.)
Foto: Dorette Knobbe

Alternative Möglichkeiten für den Hirtenhunde-Einsatz
oder: Was hat ein Bio-Steak mit der Zukunft der Hirtenhunde zu tun?

"Eßt mehr Bio-Fleisch, " habe ich einmal im Kreise einer Internet-Mailingliste geschrieben, "dann gibt es auch wieder mehr Einsatzgebiete für die Hirtenhunde!" Auf dem ersten Blick sieht man vielleicht den Zusammenhang nicht, aber spätestens auf dem zweiten wird einem klar, daß der Ruf nach artgerechter Tierhaltung ja nicht nur für Schweine in Spaltenbodenställen oder Hühner in Legebatterien gelten muß. Vielmehr sollten die Menschen sich auch Gedanken um die Zukunft ihrer näherliegenden Haustiere, ihrer besten Freunden sozusagen, den Hunden machen. Veränderte Lebensbedingungen haben auch hier zur Folge, daß auch diese sich im Laufe der Zeit verändern; manchmal auch gewollt, was aber nicht immer zum Vorteil der Hunde gereicht, zumal wenn es sich um so alte Arbeitsarten, wie den Hirtenhunden, handelt.

Schauen wir kurz in die Geschichte: die erste Aufgabe der Beziehung zwischen Menschen und Hunden war - nach dem Wachen und Jagen - die Herdenarbeit. Die Hirtenhunde sollten den Viehbestand der Schäfer vor den hundeartigen Feinden, wie Wölfe und Kojoten, schützen. Doch der Mensch hat im Laufe der Zeit die Wölfe bejagt und ausgerottet. So mindert sich auch der Zweck der Herdenschutzhaltung. Wie kann man nun neue "Arbeit" für diese alten Hunderassen finden, ohne daß sie nur noch Liebhaber in reicheren Gegenden der Herkunftsländer oder als Export in die modernen Industrieländer finden?

Riva bei der "Arbeit"
Foto: Dorette Knobbe

Auch die Landwirtschaft wurde im Laufe der Zeit weiter industrialisiert, Ersatz des Menschen durch die Maschine und aufgrund immer neuer Mastmethoden kann auch auf Weidehaltung bei den Tieren verzichtet werden. Die Folgen kennen wir alle: Skandale, wie Schweinepest und BSE bei Rindern bzw. Scrapie bei Schafen. Ein Umdenken und vor allem ein geändertes Verbraucherverhalten könnte in der Landwirtschaft eine Wende zur naturnahen Erzeugung von Lebensmitteln, wie Fleisch, führen. Vorreiter sind die bekannten ökologischen Anbauverbände wie Bioland, Demeter und Gäa. Dem besonderen Schutz von vom Aussterben bedrohter Nutz- und Haustierrassen hat sich die GEH mit dem Arche-Projekt verschrieben. Bauern, die auf Bio umstellen, oder Neueinrichter können mit der Förderung ihrer Vorhaben rechnen. Bei einem kontrollierten Viehbestand unter 1,4 Großvieheinheiten je Hektar ist nicht mit Schädigungen der vorhandenen Vegetation zu rechnen, wobei ein ausgewachsenes Rind 1 und ein Schaf 0,1 Großvieheinheit darstellen. Die Beweidung durch Schafe oder Rinder stellt im Vergleich zur Mahd oder gar dem Einsatz von chemischen Spritzmitteln einen natürlichen, kostengünstigen und schonenden Weg dar, die jeweilige Flora und Fauna zu erhalten und damit auch bedrohten Pflanzen- und Tierarten einen entsprechenden Lebensraum zu bewahren.

Aufmerksam wird jeder Vorgang auf der Weide registriert
Foto: Dorette Knobbe

Diese Form der extensiven Tierhaltung praktizieren wir als Bioland-Betrieb seit 1993 in einem Landschaftsschutzgebiet in der Magdeburger Börde. Während in Bereichen der intensiv bewirtschafteten Ackerflächen viele heimische Tierarten in ihrer Existenz bedroht sind, können wir seit einigen Jahren die Ansiedlung neuer Feldhasen- und Fasanenpopulationen auf unseren Weideflächen beobachten. Den Beweis, daß eine ökologisch vernünftige Weidewirtschaft auch nicht den Artenreichtum der Pflanzen beeinträchtigt, haben wir bereits in mehrjährigen Bestandsaufnahmen für das Umweltamt angetreten (Veröffentlichung im "Fleischrinderjournal" 3/96). Schon nach dem ersten Winter ohne erwähnenswerte Zufütterung - bei Schnee Heu und Stroh -, kamen die ersten Wildkräuter zum Vorschein, die man aufgrund des zu starken Grasbewuchses bis dahin nicht bemerkte, und die zum Teil auch nicht vorhanden waren. Durch die Rinderhaltung, die im Laufe der Jahre durch Schafe und Pferde ergänzt wurde, kamen viele Singvögel, die zum einen ihre Nahrung in den "Kuhfladen" suchten, zum anderen aber Samen von anderen Pflanzenarten mitbrachten.

Die Schafhaltung zur Fleischerzeugung bzw. Landschaftspflege ist regional unterschiedlich, geht aber immer weiter zurück - und wird meistens nur noch mittels Schäfer- und Hütehunden ausgeübt. Neuerdings kehren die Wölfe in die deutschen Wälder und Heidegebiete im Südosten zurück. Das wäre schon einmal eine Möglichkeit, dort die Schäfer davon zu überzeugen, diese zur Abwendung der neuen Gefahr von den Herden einzusetzen. Viel anders ist es bei der Haltung von Hirtenhunden bei einer Rinderherde im Freiland nicht. Gefahren lauern hier nicht durch Raubwild, oder nur für die Kälber, denn selbst sind diese Tiere sehr wehrhaft, vor allem in der Phase des Kalbens und Aufziehens der Kälber - nein auch viele Menschen, die in der heutigen Zeit aus Übermut Schaden an den Zäunen verursachen oder Zuchtvieh-Diebstahl kommen vor. Hier reicht schon die Präsenz von Hirtenhunden, um von vornherein diese üblen Zeitgenossen am Durchführen ihrer Taten zu hindern. Die frühe Zusammenführung der Hunde mit den Rindern stellt einen wichtigen Faktor für den Erfolg der Herdenarbeit dar.

Riva, mein "Mädchen"
Foto: Dorette Knobbe

Auch beim Schutz von Pferden gegen die berüchtigten Pferderipper müßte die Möglichkeit des Hirtenhundeinsatzes geprüft werden. Dazu ist sicher eine Prägung der Hunde von Geburt an auf Pferde nötig. Pferde, vor allem Fohlen, Jährlinge oder Hengste, wehren sich und spielen auch anders als Schafe und Rinder. Einem ahnungslosen Welpen kann durch die Hufen oder durch Bisse im Übermut Schaden zugefügt werden. Selbst Pferde untereinander gehen manchmal nicht "zimperlich" miteinander um.

Geflügelhofbetreiber können sich auch der Schutzeigenschaften der Hirtenhunde bedienen. Hühner und Gänse lassen sich in ihrem Auslauf gegen Raubwild, wie Fuchs oder Hühnerhabicht, von einem Hirtenhund "beschützen".

Bei der Suche nach neuen Einsatzgebieten sollte man sich die Eigenschaft der Hirtenhunde als Territoriumswächter zunutze machen. Wenn die Hunde nicht von klein auf auf tierische Schützlinge geprägt werden, vermissen sie diese auch nicht. Sie beschützen dann andere Territorien einschließlich aller zugehörigen Lebewesen. Eine Gefahr besteht darin, daß die Hunde dadurch ihre ursprünglichen Eigenschaften verlieren , wie es schon bei anderen Hundetypen der Fall ist, z. B. bei Jagdhunden. Auch die Hirtenhunde sind anpassungsfähig und können sich so auf die geänderten Lebensverhältnisse als Wachhund einstellen. Eine Möglichkeit, ihre ursprünglichen Eigenschaften nicht zu verlieren, ist das Einkreuzen von Hunden aus Arbeitslinien. Somit wäre kurzfristig gesehen, die Verantwortung bei den Züchtern, damit die Hunde nicht über kurz oder lang ihrem ursprünglichem Element entfremdet werden. Auf lange Sicht sollte aber nach, möglichst natürlichen, Ersatzaufgaben für diese Hunde gesucht werden - womit wir wieder am Anfang dieses Beitrages wären:

Eßt mehr Biofleisch!

Dorette Knobbe