Ausgabe 01/2004
Januar + Februar 2004

Kole + Maria
Foto Hartmut Deckert

"KOLE OD DRNDARSKOG", ein "Sarplaninac" aus Serbien

Im August 1998 starb unser erster Hirtenhund, Nannuk, ein Kaukase. Bis Dezember hatten wir keinen Hund, Trauer und Erinnerungen waren zu stark. Irgendwann rief das Tierheim an, sie hätten da einen Rüden, 1,5 Jahre alt, etwas unsicher, friedlich und seit zwei Wochen bei ihnen. Das wäre doch was für uns. Fast ein Kaukase, ein Sarplaninac, direkt aus Jugoslawien, Name Kollo oder so.

Sarplaninac, na ja, ich weiß nicht so recht, Kaukase wäre mir lieber, aber wir könnten ihn ja mal anschauen. Kole befand sich in einem sehr großen Gehege, Wetter war seit Tagen sehr schlecht und er betrat keine Hütte oder einen geschlossenen Raum. Entsprechend nass war er. Unser erstes Treffen geprägt von Unsicherheit auf seiner Seite. Zwar wollte er mit uns spielen, spazieren gehen war auch nicht schlecht, Leckerli willkommen, aber alleine das Anleinen war ihm schon unangenehm.

Wir haben geübt, einige Abende mit Spaziergängen, streicheln und füttern. Eine Woche vor Weihnachten haben wir ihn dann zu uns geholt. Zugegeben, mit etwas Bauchweh, denn was seine Vorgeschichte betraf, waren die Voraussetzungen nicht gerade die besten. Geboren am 04. Juni 1997 wurde er im November 1997 nach Deutschland eingeführt und lebte seither in einer Fabrikhalle ohne große Kontakte zu seiner Umwelt. Nach wenigen Spaziergängen rund ums Tierheim merkten wir, Kole hat einen absolut freundlichen Charakter und ist gegen alles und jeden neugierig. Dabei blieb es.

Am ersten Sonntag war Körperpflege angesagt. Kole hatte eine total verfilzte Halskrause und seine Kette war gerade am einwachsen. Den Namen wollten sie ändern im Tierheim, ein bißchen bürsten und vor allem die Kette entfernen war nicht drin. Mißtrauisch ließ er alles über sich ergehen, wir hatten das Gefühl, es ging ihm nach dieser Schur am Hals besser und er stank nicht mehr so. So ist er geblieben, geduldig und freundlich, für uns sehr angenehm, denn von einem Hirtenhund sind wir anderes gewöhnt, mit unserem kaukasischen Owtscharka war wesentlich schlechter "Kirschen essen".

Einziges Problem, wenigstens für Spaziergänger, sah oder roch Kole etwas, legte er den Turbo rein und mußte da hin. Seine stürmische Art erschreckte jeden, der dieses "Untier" auf sich zukommen sah. Meine Beteuerungen, er tue nichts, half wenig, denn selbst in unserem Dorf haben Menschen vor großen Hunden Angst. Daher mußte er an die Leine und sah dann noch viel gefährlicher aus, denn er zog wie ein Ochse und stieg ständig hoch. Mit "Pfui" und "langsam" ließ er sich nach einiger Zeit zwar ganz gut steuern, aber die Angst der Spaziergänger löste sich erst, wenn er ganz friedlich neben ihnen stand und sie ihn streicheln konnten.

Da wir im Besitz der Papier sind, interessant sicher auch seine Herkunft. Der Name des Züchters Drndarski ist ein mazedonischer Familienname und so haben wir die Gemeinde Stari Banovci vergeblich in Mazedonien gesucht. Entscheidender Hinweis von Kollegen, vor vielen Jahren wanderten mazedonische Familien in den Norden des Landes aus und so findet man heute diese mazedonischen Namen in Serbien. Glück gehabt und dann doch gefunden, Stari Banovci liegt ziemlich dicht an der E75 zwischen Belgrad und Novi Sad. Im Süden des Landes, besonders in Mazedonien gibt es nach Aussage eines ehemaligen Schäfers übrigens zwei Schläge dieser Hunde, langhaarige wie unser Kole und sehr stockhaarige Hunde, die angeblich wesentlich aggressiver sein sollen. Ob dies aber stimmt, entzieht sich unserer Kenntnis

Wichtig der Rassestandard und die Frage, entspricht unser Rüde diesem und wie gut. Allzu präzise Angaben sind wegen seiner ständigen Spielerei und seinem "Herumgezappel" nie möglich gewesen. Schulterhöhe über 70 cm., Rumpf sehr trocken, Gewicht bestimmt über 50 kg, wenn ich mit den 63 kg meines Kaukasenrüden vergleiche. Die Augen klein und sehr dunkel, Fang kurz, Gebiß vollständig und Schere. Die Rute deutlich bis über die Sprunggelenke und sehr buschig, wird in der Regel hoch getragen, denn freudig erregt war Kole auf jedem Spaziergang. Sehr gut gefielen uns seine dunklen Zehenglieder und das dichte und schöne Fell, dem es allerdings haltungsbedingt am Anfang noch etwas an Unterwolle mangelte. Seinen Schädel konnte man getrost als groß und rüdenhaft bezeichnen und wir sind uns sicher, Kole könnte in der Jugendklasse ohne Probleme fast jedem Richter als Kaukase untergejubelt werden. Seine flache Stirn erinnerte uns sehr an Kaukasen, lediglich die Schnauze ist kürzer.

Am 2. Weihnachtsfeiertag haben wir ihm eine Gefährtin geholt, von wegen Langeweile und Rudelverhalten. Wegen seiner Kraft und Größe durfte sie nicht all zu klein sein, unsere Wahl fiel auf eine Kaukasenhündin im zarten Alter von 5 Monaten. Die beiden verstanden sich prächtig, allerdings merkten wir am Spielverhalten unseres Kole deutlich, daß er in seiner Entwicklung deutlich zurück war, denn er spielte wie ein jüngerer Hund, der gerade Erfahrungen sammelt mit der Kraft und dem Gewicht seines tatsächlichen Alters. Manchmal tat uns unsere kleine "Leika" richtig leid, denn ihren Chancen, unter ihm wieder hochzukommen, waren nicht allzugroß.

Kole der Weiberheld
Foto Roland Kisseljak

Verblüffend, wem sich beide Hunde mehr anschlossen, Kole respektierte mich mehr, während Leika mehr auf meine Frau hört und mit ihr mehr spielt. Meine Frau wollte eigentlich nicht mehr unbedingt einen Kaukasen und nun hat sie doch wieder einen und sie ist genauso wie unser Kaukasen Rüde Nannuk ihr Body Gard.

Wer dies Beschreibung liest, wird sich automatisch fragen, wie es möglich ist, ohne weiteres solche "exotischen" Rassen in einem Tierheim zu bekommen. Nicht nur in Ludwigsburg, sondern auch in zahlreichen anderen Tierheimen ist es mit den dort oft sehr lange lebenden Hunden ohne weiteres möglich, fast eine internationale Rassehundeausstellung zu veranstalten, Unverständlich daher, wie in einigen Vereinen sogenannte "Tierheimhunde" madig gemacht werden und wie versucht wird, diese als Hunde zweiter Klasse abzustempeln. Die Hunde sind nicht vom Tierheim Vorstand geboren worden, sondern sie kamen bei irgendwelchen Züchtern auf die Welt, die in der Regel Mitglied in einem Rassehundeverein sind und daher hätten eigentlich Züchter und Vereine die Pflicht, sich um diese Tiere zu kümmern, wie dies z.B. der Boxer Club tut, daher gibt es hier in Süddeutschland keine Boxer im Tierheim. Falls doch mal einer auftaucht, wird der Verein verständigt und das Problem ist gelöst. Wir wissen, von was wir reden, denn auch unser Kaukasen Rüde stammte aus dem Tierheim und unsre Erfahrungen in einem Rassehundeverein mit diesem Tier waren entsprechend.

Unser Kole blieb immer, was er von Anfang war, ein freundlicher Hund, voller Neugier auf das Leben mit einem ganz klein wenig zu verbessernden Gehorsam, der uns immer viel Freude machte. Gerechterweise muß man sagen, sein Gehorsam war besser, als der unserer Hündin und beide folgen eben typisch dem Rassestandard, den sie beide sehr genau gelesen haben müssen, wenigsten das Kapitel über Selbständigkeit und Eigensinn. Übrigens, im Tierheim leben auch einige Esel, ein Teil von ihnen folgt besser, als die meisten Hirtenhunde.

Kole starb an einem sehr aggressiven Krebs, der sich an der Luftröhre festgesetzt hatte, nicht operabel, meinten unsere Tierärzte. Wir ließen ihn an einem Freitagabend einschläfern. Kole starb in unseren Armen sehr friedlich, denn bereits wenige Zeit später hätte der Krebs ihm Schmerzen zugefügt. Davor hat ihn der Tierarzt bewahrt und dafür sind wir dankbar. Denn Kole als kranker Hund, der dahinsiecht, das konnte sich niemand vorstellen.

Oft reden wir über unseren stolzen Serben, denn es hat ohne es zu wissen, einige wunderbare Freundschaften begründet.

Hartmut Deckert

Kole, Maik, Leika + Maria
Foto Hartmut Deckert

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