Ausgabe 01/2004
Januar + Februar 2004

Nannuk

Nannuk ...

der König der Kaukasen!

Im Sommer 1993 starb unser langhaariger Schäferhundrüde und wir suchten einen würdigen Nachfolger für diesen schönen und sehr angenehmen Hund. Dabei landeten wir im Tierheim Ludwigsburg bei Stuttgart.

In einem der Zwinger saß ein Überochse, oder war's ein Eisbär, denn dieses Riesenwesen war fast weiß. Meine Frau fragte, was denn das sei und die Antwort der Tierheimleiterin war kurz und einfach "euer zukünftiger Hund".

Am Gitter hing ein Schild "nicht durch das Gitter fassen, Zwinger nicht betreten, Bissig". Darunter stand "kaukasischer Owtscharka", Alter ca. 5 Jahre. Wir haben ein Weilchen geübt, bis wir diesen Namen überhaupt aussprechen konnten, bis dahin kannten wir außer Kuvasz und Kommondor keine Hirtenhunde.

Wir vereinbarten einen Termin, damit dieses Monster unsere Hündin kennen lernen konnte, würden die beiden sich akzeptieren, wollten wir es mit Nannuk probieren, denn er stand schon über ein Jahr im Tierheim und galt als schwer oder nicht vermittelbar.

An einem Samstagnachmittag war es soweit, ER kam. Meine Frau versteckte sich hinter mir, der Tierpfleger des Tierheimes hielt ihn ganz kurz und ich ließ meine Hündin, eine graue Langhaarhündin, frei. Nannuk zog und wurde abgeleint. Er stürzte sich auf unsere Lea, diese biß ihn in den Hals und dann lagen beide auf dem Boden, es war alles Spiel und die beiden tobten eine halbe Stunde. Wie gingen immer näher an sie ran und Nannuk schien vergessen zu haben, daß er ja eigentlich ein "gefährlicher" Kaukase war.

Einmal musste es sein und so machte ich aus einer langen Leine eine Schlaufe, streifte sie ihm über, rief Lea und wir gingen spazieren. Es war die normalste Sache der Welt und nach einer Weile traute sich auch meine Frau, ihn zu führen.

Danach gingen wir eine Woche lang jeden Tag ins Tierheim und mit ihm spazieren, bereits am zweiten Tag stand er am Gitter und wenn er uns hörte, tanzte er. Natürlich betrat ich den Zwinger und leinte ihn an und natürlich begrüßte er auch sofort meine Frau. Nach dieser Woche begann unser Sommerurlaub und Nannuk kam am ersten Tage zu uns.

Es begann eine schöne Zeit, die 5 Jahre dauern sollte. Nannuk wurde der Leibwächter meiner Frau und der Wächter unseres Hauses. Er akzeptierte nichts und niemand und griff ohne Vorwarnung jeden an, der sich uns näherte.

1994 stellte ich ihn beim "kaukasischen Schäferhunde Club" KSHC (Club der ehemaligen DDR) aus. Ein offensichtlich reichlich überforderter Richter namens Heinrich Schmidt bewertete ihn mit "sg". Auf dem Heimweg erklärten wir unseren Herrn Nannuk zum Sieger dieser Schau, denn er benahm sich wie ein König, im Ring wurde gerauft und gebissen, Nannuk blieb cool, er lief durch die ganze Meute kläffender und rauflustiger Hunde durch, als existierten sie gar nicht.

Andere Hunde kein Problem

Nannuk war der König der Kaukasen, einen ähnlichen Hund haben wir bis heute nicht mehr gesehen. Gemeint ist seine Art und Weise, zu leben, aber auch seine Proportionen: Widerristhöhe 83 cm, Gewicht 64 kg., Haar lang, Augen klein und dunkel, Zähne perfekt und die Hüfte hatte ein sauberes HD A1, besser ging es nicht.

Im August 1998 mussten wir ihn nach schwerer Krankheit einschläfern lassen. Er starb in unserem Hause und in meinen Armen, wir trauern noch heute um diesen König. Er liegt in unserem Garten begraben.

Zwei Monate habe ich den Garten nicht betreten, einen Hund wollte ich nicht mehr, irgendwann rief die Tierheimleiterin von Ludwigsburg an, sie hätte da eine Kaukasin...

Nach den vielen folgenden Jahren und unseren Erfahrungen mit Hirtenhunden sind wir noch heute froh, daß nie etwas passiert ist. Stimmt nicht ganz, auf einem Spaziergang stellte er zwei Mädchen, die sich vor uns und unseren Hunden hinter einer Hütte versteckt hatten. Deren Hund ignorierte Nannuk, eines der beiden Mädchen biß er. Die Hose haben wir ersetzt, die Löcher in der Hüfte taten uns sehr leid, ab da haben wir darauf geachtet, daß er nur ohne Leine lief, wenn wir ein riesiges Sichtfeld hatten

Das er auch anders konnte, bewies er oft genug. Immer am ersten Sonntag im Monat trafen wir uns mit anderen Kaukasenhaltern zu einer Wanderung. Zeitweise nahmen daran bis zu 20 Hunde teil. Bis auf zwei Hunde liefen alle ohne Leine, auch Nannuk, passiert ist nie etwas. Nach 2 oder 3 Treffen akzeptierte er alle Menschen, war es sehr warm, achtete Nannuk genau darauf, wer sich ein Eis bestellte, denn er schleckte Eis leidenschaftlich gerne.

Sein Verhalten gegenüber anderen Tieren war einmalig, selbst knurrende Rüden beachtete er nicht, Welpen fühlten sich magisch von ihm angezogen und ein kleiner Labrador Mix versteckte sich immer unter ihm, wenn andere Hunde rauften oder spielten. Daraus schließen wir, daß er aufgrund seiner schlechten Erfahrungen mit Menschen zwar niemand an sich ran ließ, aber daß er andererseits nicht aggressiv war.

Aus heutiger Sicht finden wir es unverantwortlich, uns einen solchen Hund zu geben, denn wir hatten bis dato nie einen Hirtenhund und schon gar nicht einen derart schwierigen. Wie gefährlich er war, läßt sich daran erkennen, daß auch heute noch genug Mitarbeiter des Tierheimes von Nannuk mit einem Riesenrespekt sprechen und er nur von 3 Leuten ausgeführt werden konnte. Wir haben mit viel Glück eine schöne Zeit mit ihm gehabt, aber es hätte auch anders kommen können. Zwar sind wir nicht der weit verbreiteten Meinung, Hirtenhunde gehören nur in Kennerhand, aber Hunde dieses Kalibers an Anfänger wie uns zu geben, zeugt vom Leichtsinn oder der Ahnungslosigkeit der Tierheimleitung.

Nach Nannuk war klar, für andere Rassen sind wir "versaut" und mindestens ich wollte nichts mehr anderes, als einen Hirtenhund. Dabei ist es bis heute geblieben.

Immer beim ersten Schneefall steht meine Frau an einer bestimmten Stelle auf einer Wiese und sagt versonnen, jetzt würde Nannuk sich fallen lassen und dann mit der breiten Brust durch den Schnee pflügen. Es sind die vielen kleinen und banalen Erlebnisse, die ihn in unserer Erinnerung lebendig lassen und so sitzt er oft nur für uns sichtbar neben uns und hört aufmerksam zu, wenn wir über ihn sprechen.

Hartmut Deckert

Unser König

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