Ausgabe 01/2004
Januar + Februar 2004

Süd-Südost

Fahrt ins Ungewisse, gefährliches Abenteuer für Deutsche, noch immer Milosevic? Mein Freund Josif meint nein, ich verlasse mich drauf und wir beide fahren nach Yugoslawien. Ziel unseres Trips, Stari Banovci, Wohnort von Dragan Drndarski und seiner Familie.

Dragan Drndarski
Foto Hartmut Deckert

Samstag auf Sonntag, halb drei fahre ich los, hole Josif ab und es geht in Richtung München weiter. Kurz hinter Ulm Nebel, der uns die ganze Nacht begleitet und unsere Geschwindigkeit gewaltig reduziert. Grenze nach Österreich fast nicht bemerkt, wir sind eben im Europa ohne Grenzen. Mit 15.- DM Autobahngebühr sind wir dabei und ahnen nicht, was uns noch erwartet. Endlich hinter Salzburg hört der Nebel auf, die Sonne wagt sich gelegentlich durch die Wolken und wir fahren in Richtung ungarische Grenze, bzw. Richtung Budapest.

Einreise nach Ungarn trotz Außengrenze kein großes Problem, nach ca. einer Viertelstunde stehe ich wieder an einer Mautstation, diesmal die Gebühr 20.-DM. Dafür eine Vignette und eine scheckkartenähnliche Plastikkarte, diese gelte für ganz Ungarn, wird mir versichert.

Nicht ganz richtig, nach ca. 200 Km erneut eine Mautstelle, Reklamationen nützen nichts, Karte gilt nicht, erneute 20.- DM sind fällig. Leicht erbost fahren wir weiter. Immer in Richtung Süden wird es schwerer, sich zu verständigen, leicht gemacht wird es uns an der nächsten Mautstelle, wir zahlen noch mal 15.- DM, obwohl das Ende der Autobahn nicht mehr weit ist. Der Ton zwischen den Kontrolleuren und uns wird ruppiger, es nützt nichts, entweder zahlen oder Schranke bleibt zu. Einen freundlichen Menschen lernen wir aber doch kennen, kurz vor Szeged tanken wir, besser wir werden von einem sehr freundlichen alten Mann bedient, der neben unseren Scheiben auch die Scheinwerfer reinigt.

Autobahnen in Ungarn sind vom Feinsten, nagelneu und immer geradeaus, wäre keine Geschwindigkeitsbegrenzung, wir könnten unser Auto ausfahren. Radarkontrollen sorgen dafür, daß dies niemand wagt, auch wir halten uns streng an die Beschränkungen. Die letzten 60 Km bis zur Grenze fahren wir leider Landstrassen, gesetzloser Raum, es wird gefahren wie im wilden Westen, Geschwindigkeitsbegrenzungen kein Thema, selbst Kleinlastwagen überholen alles, wir schwimmen mit, um kein Hindernis zu sein.

Grenze nach Jugoslawien, vor uns ca. 30 Autos, es ist Sonntag halb drei und ich bin optimistisch, daß wir auch diese Grenze schnell passieren.

Verfluchte Grenze
Foto Hartmut Deckert

Mein Optimismus war leider falsch, während mein Pass die Grenzer nur kurz interessiert, beißen sie sich am jugoslawischen Pass von Josif fest. Er sei abgelaufen, erklärt der Beamte sehr unfreundlich. Der Hinweis auf die Verlängerung bis 2003 beeindruckt ihn nicht. Er will wissen, was da alles drin steht, gemeint sind Visa für Canada, die USA und Kroatien. Erneut die Aussage, der Pass sei ungültig, wir sollen zurück nach Budapest, zum jugoslawischen Konsulat. Wir weigern uns und werden aufgefordert, zu warten. Nach einer Ewigkeit ist der Pass dann doch noch gültig und wir können nach fast drei Stunden die Grenze passieren. Schikane pur, ein Freund sagte mir, mit einem Schein in jedem Pass wäre die Wartezeit wesentlich kürzer gewesen, gemeint hat er mindestens 20.- DM.

Endlich sind wir auf jugoslawischer Seite, kurze Passkontrolle, wir wollen weiterfahren, da kommt die Frage nach der grünen Versicherungskarte, haben wir, nur leider ist Jugoslawien neben Iran und Irak durchgestrichen. Sorry, wir haben deswegen keinen Versicherungsschutz und dürfen nicht einreisen. Einzige Möglichkeit, mit läppischen 150.- DM bekommen wir eine jugoslawische Versicherung, zahlen noch 11.- DM Bearbeitungsgebühr dafür, daß wir kein Visum benötigen und die Schranke geht hoch. Sehr höflich sind sie, die jugoslawischen Beamten, ihre ungarischen Kollegen könnten dort was lernen und wir fahren endlich weiter.

Auch in Jugoslawien gibt es Mautgebühren und so zahlen wir weitere 35.- DM, dafür dürfen wir bis Belgrad. Autobahn in unserem Sinne ist diese Strasse nicht, zweispurig ohne Mittelstreifen, dazu rechts eine Standspur. Wer überholen will, blinkt und alles weicht auf diese Standspur aus, will der Gegenverkehr überholen, das gleiche Spiel, denn es gibt diese Standspur nur einmal. Ich fahre nicht, aber schwitze Blut und Wasser, bis ich bemerke, es klappt phantastisch, zumal der Verkehr wie in Ungarn auch, sehr schwach ist, denn in beiden Ländern können sich die wenigsten eine Autobahn leisten.

Die unendliche Weite der Woiwodina empfängt uns, ein Obst-, Gemüse-, Wein- und Kornparadies, dazu endlose Maisfelder. Diese Ebene erstreckt sich bis an die Donau, auf der anderen Seite des Flusses beginnt das Miroc Gebirge. Es geht bis an die rumänisch/bulgarische Grenze und ist auch heute noch Weideland.

im Miroc Gebirge
Foto Dragan Drndarski

Auch hier Geschwindigkeitsbegrenzungen, die wir nicht so genau einhalten, denn jeder warnt den anderen mit der Lichthupe vor den zahlreichen Kontrollen, die Umsätze der Polizei sind bestimmt nicht die besten.

In Novi Sad verlassen wir diese besondere Autobahn, wir wollen "über die Dörfer weiter", da es kürzer ist. Wir müssen die Donau überqueren. Allerdings liegt die Donaubrücke sauber zerschossen in zwei Teile noch immer im Fluß, Andenken an die Angriffe der Nato.

links die zerschossene Donaubrücke
Foto Hartmut Deckert

Ausweichmöglichkeit ist eine Eisenbahnbrücke, kommt ein Zug, schaltet die Ampel auf rot, Polizei hält den ganzen Verkehr an und der Zug hat Vorfahrt. Kommt keiner, benützen Autos aller Kaliber die Brücke.

Eisenbahnbrücke in Novi Sad
Foto Hartmut Deckert

Auf dem Weg nach Stari Banovci sehen wir immer wieder Ruinen, in der Nato Sprache sog. Kolalateralschäden. Die Straßen sind schlecht, ein armes Land, grau und staubig. Wie leben diese Menschen?

Endlich Stari Banovci, es ist so ca. 19.30 Uhr und unsere Knochen und Bänder schlagen Alarm. Dragan und die ganze Familie empfangen uns, diese Herzlichkeit und Gastfreundschaft ist für Deutsche ungewohnt, ich glaube unter alten Freunden zu sein.

Dorfstrasse in Stari Banovci
Foto Hartmut Deckert

Leider verfliegt der Abend viel zu schnell, Essen, einige Slibowitz, Palaver in mühseligem Englisch und Begrüßung der Hunde. Besonders Kaca, Ganes Mutter, hat es mir angetan, sie blödelt mit mir rum, bis ich flach liege und als ich sie mit den mitgebrachten Frolic füttere, ist für sie klar, Deutsche sind ganz normale Menschen. Das erste mal sehe ich Gane und mir ist nach wenigen Minuten klar, bei dem einen mal bleibt es nicht, er wird unser Hund. Spät wird es in dieser Nacht und schön, ich verfluche die ungarischen Grenzer, die und 3 Stunden geraubt haben.

Montagmorgen um 7.00 Uhr Frühstück. Wir wollen los, geht nicht, sagt Dragans Frau, Gane ist zu schmutzig, er wird gebürstet und gepudert, dann endlich soll er einsteigen. Nur leider, er kennt keine Autos, also hebt Dragan ihn hinein, redet sehr ausführlich mit ihm und Gane bekommt einen Nasenstüber und die Aufforderung anständig zu sein. Es wirkt immer, sagt Dragan, einem Sarplaninac mußt du nur eine auf die Nase geben und sagen, was du willst, dann macht er es auch. Bevor wir losfahren, will Dragans Sohn noch ein Bild vor dem "Superauto".

Dragans Sohn
Foto Hartmut Deckert

Gane scheint sich Dragans Worte gemerkt zu haben, er beobachtet aufmerksam die Landschaft und wir fahren mit dem Vorsatz, Pause zu machen, wenn er unruhig wird. Wieder durch die Woiwodina in Richtung Grenze. Wir haben zwar für Gane einen intern. Impfpass mit Gesundheitszeugnis, aber Grenzern trauen wir nicht mehr. Vor der Ausreise tanken wir in Jugoslawien voll bis an den Kragen, wir gönnen den Ungarn nicht mal mehr den Gewinn aus einem Benzintank. Wieder eine höfliche und schnelle Abfertigung auf jugoslawischer Seite, auch die Ungarn geben sich Mühe, es sind nur Frauen an den Schaltern, und nach genau 10 Minuten sind wir in Ungarn, für Gane hat sich niemand interessiert. Stimmt nicht ganz, ein jugoslawischer Grenzbeamte sagt, "aha, ein Hund" wir bestätigen und er meint "ein schöner Hund", das war's.

Gane im Auge fahren wir weiter, es kommt das übliche Ritual, Mautstelle, beim ersten mal wieder 15.- DM, beim zweiten Halt die gewohnten 20.- DM. An einer Mautstelle endlich ein gescheites Preisschild, wir staunen, die Mautgebühr beträgt neben Forint und Dollar Angabe 7 Euro, wir runden auf 15.- DM auf, mein 10.- Markschein und ein 5.- Markstück wird verweigert, Einheitspreis 20.- DM. Könnte es sein, daß da jemand ein bisschen in die eigene Tasche wirtschaftet?

Hinter Budapest verpassen wir Gane eine Zwangspause, er befolgt unsere Anweisung und geht schön brav pinkeln, Wasser und etwas Trockenfutter verweigert er, wir fahren weiter. Vor Budapest Baustelle und wir verfahren uns. Halbe Stunde verloren, dann haben wir die richtige Autobahn wieder, Richtung Wien. Grenze nach Österreich, wieder eine schnelle Abfertigung, wieder kein Interesse an Gane und seinen Papieren. Wir vermissen die ungarischen Autobahnen, viele Baustellen und dichter Verkehr, fast wie in Deutschland. Noch eine Grenze und Gane ist "daheim". Unruhig wird er immer noch nicht, nur übermütig, wir lenken ihn mit Futter ab, er würde Tonnen fressen uns er spielt mit seiner Wasserschale. Auch Josifs schöne Paprika muß herhalten, am nächsten Tag finde ich beim Ausräumen meines Autos lauter kleine rote Stücke. Wir reden davon, daß vielleicht die Deutschen mit ihrer berühmten Gründlichkeit uns noch Ärger wegen Gane bereiten können, bis uns einfällt, Grenze gibt es nicht mehr, wir haben es geschafft, "herzlich Willkommen Gane".

Endlich zu Hause, es ist 21.30 Uhr. Gane begrüßt Hannelore und Maik wie alte Freunde, nach wenigen Minuten hat er meine Frau rum, sie ist begeistert. Dann kommt der Höhepunkt, wir holen Leika. Gane stürmt auf sie los, das ist zuviel, mit Gebell und einigen Knurrern bringt sie ihn zur Raison, Gane versteht und versteckt sich hinter uns. Der anschließende Spaziergang klärt die Fronten, Leika ist der Boss und Gane veranstaltet mit der Leine und mir ein Chaos, Leine laufen kennt er also auch nicht.

Einen Tag muß er an der Leine bleiben, dann lassen wir ihn frei, es funktioniert, Gane bleibt dicht bei uns oder orientiert sich an Leika. Nach ein paar Tagen werden die beiden ein Team, spielen und toben zusammen und Leika läßt ihn aufpassen. Ein fürchterlicher und gieriger Fresssack ist unser Kleiner, gute Voraussetzung für eine leichte Erziehung, denn für ein Frolic oder ein Käsestückchen tut er alles.

Gane, 7 Monate alt
Foto Hartmut Deckert

Einer meiner Wünsche ist in Erfüllung gegangen, Gane ist ganz anders, als Kole, wilder und ungestümer, er hört schneller und wir haben das Gefühl, er lernt mit Begeisterung um uns nur ja alles recht zu machen. Auch optisch unterscheiden sich die beiden sehr, Kole ist dunkel, hat viel schwarz, Gane ist grau/beige, hat eine wunderschöne Maske und ein Superfell. Besonderes Kennzeichen, Gane hat After- oder Wolfskrallen, mein macedonischer Exschäfer meint, das sind die echten Sarplaninac, intelligent wie Mensch, auf gut schwäbisch "beschte".

Zwei Wochen später, Gane hat sich eingelebt und spricht perfekt Deutsch, unser Spaß mit ihm ist groß. In der Zwischenzeit waren wir auf einer Geburtstagsparty, über fünfzig Gäste, die Hunde waren dabei, es hat ihnen Spaß gemacht, den Gästen auch und wir waren stolz auf ihr Benehmen, denn nur bei Gane fehlt noch etwas der Feinschliff, aber das wird dann eine ganz andere Geschichte.

Hartmut Deckert