Ausgabe 04/2005
April 2005

Foto: Dorette Knobbe

Ivo, der "Wander"hirte
(Iv vom Kupferberg)

"Ein Hund muß her!", diese - zugegebenermaßen vernunftgesteuerte - Entscheidung traf ich 1995. Aber es sollte nicht irgendein Hund sein, sondern einer, der am besten immer draußen bleiben kann, auf dem Hof und bei den Tieren. Mehrere Vorkommnisse auf unserem Bauernhof, z. B. Diebstahl der Weidezaungeräte, Einbrüche und versuchte Brandlegung im Stall, Diebstahl mit anschließender Tötung eines Kaninchens aus dem Stall, bis hin zu einem Anschlag auf eines unserer 4 Pferde mit einem langen Messer in die Brust ließen diese Entscheidung reifen.

Bekannte empfohlen uns Deutsche Schäferhunde oder Altdeutsche. Die erstgenannten kamen für uns nicht in Frage, weil uns die gezüchtete Statur nicht gefiel, und der andere ist vom Wesen mehr ein Hütehund. Diesen bräuchten wir nicht, weil die Robustrinder – zwar wechselnd – doch immer auf der Weide "fest" standen und nicht getrieben werden müssen. Bis natürlich auf die Tierarztuntersuchungen oder zum Verkauf oder Schlachtung, aber da haben wir nun auch unsere Tricks, sie in den Treibgang zu bekommen.

Nachdem alle gängigen Hundezeitschriften durchstudiert waren, habe ich eine Hunderasse gefunden, die mir optisch sehr gefiel und in der Rassebeschreibung dann keinen Wunsch mehr offen ließ: Der Sarplaninac. Damals kannte ich die vielen verschiedenen Hirtenhunderassen noch nicht, und wenn mir damals ein Text über Maremmano oder Estrela in die Hände gefallen wäre, hätte ich wahrscheinlich diesen Hund gewollt.

Zum zuständigen Zuchtverein war schnell ein Kontakt hergestellt. Diese sandten mir eine Liste mit Züchtern zu, aus denen ich mir die beiden nächstgelegenen heraussuchte. Erst besuchte ich eine Züchterin bei Halle, die dann aber nicht so schnell Welpen haben würde, und dann einer Familie in Hettstedt, die gerade 4 Wochen alte Welpen hatten. In einer Gartenanlage, grenzend an ein Plattenbaugebiet, hatten die Züchter ihren "Hundegarten". Eine Zucht von Berner Sennenhunden sowie drei Sarplaninac, eine Hündin und zwei Rüden, waren vorhanden. Ehrlich gesagt, war ich ein wenig enttäuscht, da ich mir die Hunde wie im Zeitungsartikel – beigefarben – vorgestellt hatte. Was ich hier sah, waren dunkle, eisengraue Typen. Aber schließlich – dachte ich – sind wir hier nicht im Versandhaus, und ich nehme jetzt, was da ist. So fiel die Wahl auf den einen, der äußerlich aus der Reihe fiel, den Ivo mit dem weißen Latz. Aber noch war es nicht so weit, denn der Welpe mußte noch ein paar Wochen bei seinen Eltern bleiben.

Ivo, 4 Wochen alt, noch bei der Züchterfamilie
Foto: Dorette Knobbe

Ivos Züchter wurden durch eine Regionalzeitung einige Monate später so umfassend beschrieben, daß ich gern diesen Artikel zitieren möchte:

"Züchterehepaar mit Leib und Seele - Jugoslawische Hirtenhunde, Berner Sennenhunde und Zwergdackel fühlen sich pudelwohl

Wenn Christel Poenicke mit Filou vom Kupferberg und Tim z Cerhovikycj drah spazierengeht, drehen sich die Leute schon mal um. Immerhin, die adligen Herren sind eine imposante Erscheinung. Ihr dichtes gepflegtes Fell und ihre Körpergröße lenken die Blicke auf sich, denn Filou und Tim sind reinrassige jugoslawische Hirtenhunde, von denen es in Deutschland noch nicht viele gibt.

Christel Poenicke und Ehemann Hans-Jürgen sind seit 1972 Züchter mit Leib und Seele. Hunde besaßen sie jedoch schon vorher. "Ich habe meinen Mann schon mit Hund geheiratet", lacht Frau Poenicke. Damals war es ein Neufundländer. Und während sie sich vor zehn Jahren den jugoslawischen Hirtenhunden zugewandt hat, züchtet er Berner Sennenhunde. Die Liebe zum Tier hat sich übrigens auch auf den Sohn übertragen. Allerdings können sich seine Tiere weder in Gewicht noch im kräftigen Bellen mit denen der Eltern messen. Er züchtet Zwergdackel, und die kleinste Rasse, Kaninchendackel. Aber flinke Beine und ein lautes Bellen haben sie allemal. Und einer, eigentlich heißt er ja Cip, bekam von der Familie den respekteinflößenden Namen Rambo.

Poenickes wenden viel Zeit für ihre Hunde auf. In der Nähe ihrer Wohnung im Hettstedter Neubaugebiet haben sie von der Stadt einen Garten gepachtet. Der Schiefergrund läßt gärtnerischem Stolz wenig Chancen, für die Hunde aber bietet die Fläche genügend Auslauf. Den bekommen sie übrigens zum ersten Mal meist um 3.30 Uhr. Ehe Hans-Jürgen Poenicke um 4 Uhr seine Schicht als Hausmeister beginnt, werden die Hunde freigelassen. Dann kommen sie wieder in ihre Unterkunft, ehe der Sohn gegen 7.30 Uhr den Hunden freien Lauf über den Tag gibt.

Zu den sechs Hirtenhunden, den drei Berner Sennen und den drei Dackeln haben sich vor einer Woche neun Welpen gesellt: fünf Rüden und vier Hündinnen. Sie wurden von der Berner Sennenhündin Wittia von der Landscheider Mühle geworfen. Waren zu DDR-Zeiten nur sechs Tiere je Wurf erlaubt, so dürfen heute auch diese neun bei der Hundemutter aufwachsen. Allerdings darf es dann anderthalb Jahre keinen neuen Wurf gegen, und außerdem muß bei den Welpen zugefüttert werden.

Das ist Christel Poenickes Aufgabe. In der Küche der Neubauwohnung wird spezielle Welpenmilch zubereitet und dann in der Wärmflasche in die Laube gebracht. Dort hat jetzt in einem speziellen Raum die Hundemutter unter einer Rotlichtlampe mit den neun Jungen ihre "Wochenstube". Während Hans-Jürgen Poenicke kleine Flaschen füllt, die einst Liebesperlen zum Inhalt hatten, ist seine Ehefrau für die Fütterung zuständig. Längst haben die Welpen, deren Augen noch geschlossen sind, sich an ihre "Amme" gewöhnt. Immerhin zweimal am Tag muß diese Zusatzfütterung erfolgen, denn ein Tier soll so groß und stark werden wie das andere. Eine Stunde dauert es etwa, bis jedes der neun sein Fläschchen bekommen hat.

Als die Hündin in der Weihnachtsnacht die Jungen warf, war das Züchterehepaar bei ihr. Und zuvor waren zwischen Wohnung und Laube die Sprechfunkgeräte eingeschaltet, damit ihnen Lautäußerungen der Hündin nicht entgehen konnten. Von 3.15 bis 8.15 Uhr dauerte es am 25. Dezember, bis alle neun Welpen da waren. Aber schon 22 Uhr war das Ehepaar in die Laube gezogen, hatte dort geschlafen. "Da wird kein Tier allein gelassen. Entweder man ist richtig Züchter, oder man läßt die Finger davon", erklärt Hans-Jürgen Poenicke. Auch der Tierarzt wird immer gerufen. Das sei selbstverständlich.

Für fünf der munteren Welpen haben sich bereits Interessenten gefunden. Einer wird in Hettstedt bleiben, einer geht nach Abberode, ein dritter nach Mansfeld. Hunde aus früheren Würfen haben große Reisen angetreten. So kam ein Tierliebhaber aus Rotterdam, um sich einen jugoslawischen Hirtenhund auszusuchen, als dieser vier Wochen alt war. Nach der achten Lebenswoche trat er das zweite Mal die große Reise nach Hettstedt an, um seinen Hund zu holen.

Auf ihre Tiere ist das Züchterehepaar stolz und dies mit Recht. Auf internationalen Ausstellungen errangen sie stets erste Plätze und gute Noten. Bei der Europasiegerausstellung 1995 in Dortmund seien alle 1. Plätze von Hunden, die aus der Poenickschen Zucht stammten, belegt worden, nur eine einzige Ausnahme habe es gegeben. Bei diesen Ausstellungen kommt es hauptsächlich auf die Schönheit des Tieres an, und Schönheit ist nun einmal auch etwas Subjektives. So habe es in Holland zum Beispiel für eine Hündin statt der Note V 1 die V 2 gegeben, da sie den Preisrichter "nicht anlachte", wie dieser eingestanden habe.

Die künftigen Eigentümer sehen zwar auch auf ein schönes Tier, aber ihnen sind andere Eigenschaften wichtiger. Die jugoslawischen Hirtenhunde sind zum Beispiel vor allem bei Eigenheimbesitzern beliebt, denn sie können nicht nur allein durch ihren Habitus einen eventuellen Dieb erschrecken. Der Züchter nennt einen weiteren Vorzug: "Etwas Wachsameres gibt es nicht. Sie kämpfen bis zur Selbstaufgabe." Ihr Können, eine Schafherde allein, ohne Hirten, zu führen, habe sich auch ein Halter schottischer Hochlandrinder in Hohenwarsleben zu Nutze gemacht. Dort hütet ein aus der Poenicke-Zucht stammender Hund eine Herde Rinder zur vollen Zufriedenheit des Eigentümers."

(Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, Ausgabe Hettstedt, 05.01.1996)

Ja, der letztgenannte sollte unser Ivo sein! Zum "Kämpfen bis zur Selbstaufgabe" und "das Führen einer Herde ohne Hirten" habe ich mittlerweile meine eigenen Erfahrungen gemacht. Gerade Ivo scheint da nicht gerade dieser Vorstellung zu entsprechen, aber dazu später mehr.

Welpe Ivo schmust mit seinem Vater, Tim z Cerhovickych Drah
Foto: Dorette Knobbe

Am 17.06.1995 war der große Tag: Ivo konnte geholt werden! Die Fahrt von Hettstedt nach Hohenwarsleben war für den Kleinen eine Tortour. Nicht, dass wir es ihm nicht bequem gemacht hätten – nein – nachdem er sich gleich nach Fahrtantritt übergeben hatte, tat er das dann noch mehrmals auf meinem Schoß, wohin ich ihn dann genommen hatte. Mit dieser "Fahruntauglichkeit" in geschlossenen Fahrzeugen hat er noch lange Zeit zu kämpfen gehabt. Wenn mir jemand sagte, sein Hund fährt gern Auto und springt freudig hinein, dann konnte ich nur ungläubig den Kopf schütteln. Bei Ivo war schon beim Anblick derselben die Lust aufs Fahren vergangen.

Obwohl der Kleine natürlich ein richtiger Hirte werden sollte, habe ich ihn in den ersten Tagen überall mit hinnehmen wollen. Wegen der o. g. Fahruntauglichkeit war dies dann aber nicht mehr möglich. Trotzdem habe ich in den wenigen Tagen seiner Einführung in die "Zivilisation", und zwar meiner Büroarbeit, etliche "kluge" Leute kennengelernt, die mir Tipps für die Hundehaltung geben wollten. Von Anfang an machte er eigentlich immer das Gegenteil von dem, was man erwartete. So legte er sich nie auf ein von mir eingerichtetes Kuschellager nahe meinem Schreibtisch, sondern verbrachte den Tag lieber auf den kalten Fliesen des Flures. Ein Ereignis brachte mich gänzlich zum Zweifeln an meiner Eignung als Hundehalterin: eine junge Frau, die nach eigenen Angaben bei der Polizei Schutzhunde ausbildet, interessierte sich sehr für Ivo. Auf Ihre Frage hin, um welche Rasse es sich handele, und sie diese nicht kannte, sagte ich: "Das ist ein HerdenSCHUTZhund". Danach wollte sie sich mal den jungen Hund ansehen. Ich nahm sie mit auf den Hof, wo Ivo nun mittlerweile den Tag verbrachte, und stellte ihn vor. Nachdem sie sein Verhalten auf einige, in der Schutzausbildung übliche, Übungen geprüft hatte, gab sie ihr vernichtendes Urteil ab: mit diesem Hund kann man überhaupt nichts anfangen, zeigt nicht die erwünschten Reaktionen, ja sogar eine gewisse Gleichgültigkeit. Nun gab es nur zwei Möglichkeiten: entweder habe ich etwas verkehrt gemacht, oder dieser Hund ist eben anders!

Als er noch so klein wie ein Dackel war ...
... spielerisch Sozialverhalten üben
Foto: Dorette Knobbe

Wenn er nicht seine fast schon an Traurigkeit grenzende Gleichgültigkeit an den Tag legte, war er ein überaus freundlicher Hund. So freundlich, dass er sich von dem Dackel eines Bekannten alles hat gefallen lassen. In einem Sandhaufen konnten die beiden spielen, bis sie beide wie panierte Schnitzel aussahen. Nur später, wenn der Dackel kam, mußten wir ihn ein wenig zurückhalten, denn durch Zunahme an Größe und Gewicht drohte er den kleinen Dackel förmlich zu erdrücken.

Ja, das Wachstum, das war schon eine Geschichte für sich: fragten mich zeitweise unsere Mitmenschen, ob wir dem Hund überhaupt Futter geben, antwortete ich daraufhin: "Ivo hat sich noch nicht entschieden, ob er Hirten- oder Windhund werden will!" Es war wirklich eine Prozedur, ihm das erlesenste Futter heranzuschaffen nebst den geheimnisvollen Pülverchen für glänzendes Fell und starke Zähne.

 

"So viele Spielkameraden!" – Ivo im Alter von ca. 5 Monaten
Foto: Dorette Knobbe

Aber, letztendlich haben wir ihn auch groß bekommen und mit einem Jahr sah er dann schon ganz stattlich aus. Er verschaffte sich problemlos Respekt bei den Kühen, mit seiner ruhigen, gelassenen Art haben sie ihn schnell als geduldetes Herdenmitglied angesehen. Das ist ja bei freilebenden Rindern so eine Sache. Im Gegensatz zu den Stallkühen, die den engen menschlichen Kontakt gewöhnt sind, ja sogar vom Menschen abhängig sind (Füttern, Melken), brauchen extensiv gehaltene Hochlandrinder uns Menschen kaum. Demzufolge locker sind auch die Bindungen, bis auf einige wenige Stamm-Mutterkühe, die sich im Laufe der Zeit fast hausrindartig verhalten. Daher wage ich nicht zu behaupten, daß der Hirtenhund Ivo bei denen in der Herde aufgenommen wurde, ebensowenig wie wir auch. Duldung ist das passendere Wort, denn wenn eine Mutterkuh mit Kalb ihre Ruhe haben will, dann kennt sie keine Verwandtschaft.

Der erste Winter – Ivo 9 Monate alt
Foto: Dorette Knobbe

Diese "andere" Herdenwirtschaft hat auch Ivo die Chancen gegeben, sich als Beschützer zu erweisen: nämlich bei meinen ständigen Herdenkontrollen nach neuen Kälbchen und der Identifizierung der Mütter. Ivo hat sich als "Puffer" erwiesen, der auch mir den "Schutz" vor einer heimtückischen Attacke einer sich von hinten nähernden Kuh gab. Ein lautes Bellen und wildes Gehabe – schon waren die Kühe wieder beeindruckt und kauten weiter ihr Gras. Dieses Verhalten legte er auch an den Tag, wenn ich zum Beispiel Kirschen oder Äpfel von der mit Obstbäumen bewachsenen Weide holen wollte. Früher war das immer ein Lotteriespiel gewesen: bekomme ich das gepflückte Obst nun heim oder fallen die Kühe darüber her? Es ist natürlich auch toll, wenn der Bulle, damals der Ernie, fast schon liebkosend seinen Kopf an mir rieb, um die leckeren Früchte zu bekommen – aber seit Ivos Wirken gehört das Obst uns! Er "bewacht" einen unsichtbaren Radius von ca: 20 Metern um mich herum, und wehe dem Wiederkäuer, der diesen magischen Ring durchbricht! Als Belohnung gibt es in diesem Falle einen gewissen Anteil an der Ernte, denn Hunde fressen auch gern Obst.

"Hey, kommt mal alle her..."

"... ich will euch die Geschichte vom Hirtenhund
und den sechs Kaninchen erzählen!"
Ivo, 1 Jahr alt
Fotos: Dorette Knobbe

Zuletzt haben wir nicht den Grund aus den Augen verloren, warum wir uns Ivo angeschafft hatten: als Beschützer der Herde und des Hofes. Das hieß, wir ließen ihn frei laufen, auch nachts. Mit zunehmendem Alter wurden seine Revierrundgänge immer ausgeweiteter, und aufgrund nicht immer dichter Zäune gingen sie dann auch über die Reviergrenzen hinaus. Das Problem war nur, dass er nie das Loch wiedergefunden hatte, durch dem er hinausgekommen war. Und nach vermutlich stundenlanger Suche, machte er sich eben auf dem Weg nach anderer menschlicher Nähe. Ob das nun ein Haus in der Nähe war, ein Einkaufszentrum oder eine Logistik-Firma – hatte er einmal wieder Menschen gefunden, ließ er sich bei denen nieder ... bis wir ihn abholten. Mit der Zeit wußten wir schon die Telefonnummern, die wir in diesem Falle anrufen mußten. Ärgerlich war das schon, denn mit der Zeit kostete uns das viele Sektflaschen und Entschuldigungen.

Ivo im Alter von 1 ½ Jahren
Foto: Dorette Knobbe

Die Lösung des Problems sollte eine Partnerin für Ivo sein: möglichst eine Nichtverwandte, damit vielleicht ein Wurf Welpen geplant werden könnte. Abnehmer wären sicher dagewesen, denn Ivo war mit seinem Aussehen schon eine Seltenheit in unserer Gegend. Bemerkungen, wie: "Dieser Hund muß aber alt sein, so grau wie der aussieht!" hörte ich öfter und erklärte dann immer die Rassebeschreibung und Eigenschaften eines Hirtenhundes, die ich mittlerweile fast auswendig kannte.

Unter Vermittlung des Rassezuchtvereins habe ich dann im Oktober 1996 Riva aus Kroatien bekommen (ihr wird natürlich ein eigenes Portrait gewidmet). Unser Ivo begrüßte sie aufs freundlichste und schien sich sichtlich zu freuen, von nun an nicht mehr allein zu sein.

Ivo, 1 ½-jährig, mit Neuankömmling Riva
Foto: Dorette Knobbe

Mit Riva wehte ein anderer Wind auf dem Hof, anders ausgedrückt: die junge Dame gab die Richtung an, wo es langgeht! Einen Vorteil des Zweithundes haben wir sehr schnell gemerkt: die Futtermäkelei war ein für alle Mal vorbei, denn nun wurde das Freßchen, egal welches, restlos vertilgt. Die junge Hündin wurde mit Ivos Hilfe in die Gepflogenheiten der Rinderherde eingewiesen und mußte anfangs auch so machen Klauenschlag ertragen. Mit vereinten Kräften wurden von nun an Füchse gejagt, Spaziergänger angebellt und mit den eigenen Küken und Kaninchen geschmust.

Nur eines haben wir mit Riva nicht hinbekommen: eines morgens war mal wieder der Wandersmann weg! Aber die Hündin war auf ihrem Platz. Diese Erlebnisse nahmen nun wieder zu und wurden – da er nun seine endgültige Größe erreicht hatte – immer problematischer. Einmal begegneter er bei seiner "Inspektion" einer Spaziergängerin, ältere Dame, die sofort ihren kleinen Yorkshire-Terrier auf den Arm nahm, als sie ihn schwanzwedelnd herannahen sah. Das war ein Fehler, denn nun versuchte er, den kleinen Hund eben zu erreichen, indem er sich auf die Hinterbeine stellte. Das unvermeidliche Ende dieser Geschichte war eine zerrissene Strumpfhose und eine 500,00 DM-Rechnung der Krankenkasse über eine angeblich erforderliche medizinische Behandlung der Dame. Nun war der Spaß vorbei: und uns wurde eine Kastration angeraten, um seinen Drang, fremde Reviere zu durchstöbern, zu bremsen. Auch mußten wir uns diesen Eingriff überlegen, da bei der Hündin eine schwere HD festgestellt wurde, sozusagen zur Empfängnisverhütung. Diese Operation hatte er gut überstanden, und von nun an mußten wir ihn bei der Ernährung bremsen, da er naturgemäß dadurch an Gewicht zunahm.

Heute sind wir um viele Erfahrungen reicher, auch um die, dass nach einer Kastration ein Rüde nicht am "wandern" zu hindern ist. Wenn es uns in den letzten Jahren gelungen ist, diese Erlebnisse zu reduzieren, hat das mehr praktische Gründe. Zum Beispiel die sicherere Einzäunung des Grundstückes. Ganz "dicht" haben wir den Zaun vom mehreren Kilometern Länge nie bekommen, zumal die vorhandenen Wildtiere sich immer wieder ihre Wildpfade hindurchgraben, oder Kinder in ihrer "Freizeitgestaltung" ihre Schneidinstrumente ausprobieren...

Eine andere Variante, ihn zur Reviertreue zu bringen, war letztendlich, ihm die ganz wichtige Aufgabe der Bewachung der Kleintiere zu übertragen. Also das Aufhalten in einem ca. 120 m² großen Auslauf am Geflügelstall. Auch ein zeitweises Anbinden an einer 5 m langen, gefederten Leine am Haus nimmt er uns nicht übel.

Ersatzpapa
Foto: Dorette Knobbe

In diesen Tagen, kurz vor seinem 10. Geburtstag, fiel folgende Episode vor: Ivo hat die Angewohnheit, sein "Geschäft" nicht unbedingt vor "Publikum" zu verrichten, und zieht sich zu diesem Zwecke immer in geschützte Bereiche des Grundstückes zurück. Ein kleines Laubwäldchen, diesseits am Rande des Weidezaunes ist der ideale Ort. Ein interessanter Geruch oder eine verlockende Spur muß ihn wohl wieder nach "draußen" gerufen haben ... Dieses Mal schaffte er es unbehelligt die 2 km zum Kindergarten im Dorf. In seiner Panik rief ein Passant sofort die Polizei. Zum Glück kam gerade eine Freundin von mir vorbei, die den Ausreißer gleich erkannte. Vor den Augen des verdutzten Passanten lockte sie Ivo mit "Riva!"-Rufen in ihren Kleinbus, mit dem sie ihn dann zu uns zurück chauffierte ... ja, so ist er, unser Ivo!

Dorette Knobbe