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Ausgabe 05/2006 |
Mai 2006
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Foto: Dorette Knobbe RivaAus dem "Arbeitsleben" einer Hirtenhündin Über meine Hündin Riva hatte ich bereits im März 2006 ein "Hundeportrait" fertig geschrieben. Nun schreibe ich es neu, denn durch ihren plötzlichen Tod nach kurzer, aber schwerer Krankheit soll das, was der "Lebenslauf eines Hirtenhundes" werden sollte, ein sehr persönlicher Dank an die fast 10 Jahre mit einer wunderbaren Freundin werden. Aber alles der Reihe nach. Nach einem Jahr Erfahrung mit einem Sarplaninac-Rüden zur Bewachung von Hof und Herde wollte ich 1996 mit einen zweiten Hund, besser gesagt: einer Hündin, das "Rudel" erweitern. Ein Gelände von 22 Hektar ist nicht mit nur einem Hund zu bewachen - und ich hatte ein kleines Fünkchen Hoffnung, dass sich die "Spaziergänge" meines Rüden Ivo außerhalb des Reviers dadurch verringern würden. Zu diesem Zwecke wandte ich mich wiederum an den zuständigen Zuchtverein in Deutschland um Hilfe bei der Auswahl einer Hündin. Der Verein war sehr daran interessiert, "frisches Blut" in die Sarplaninac-Gemeinde Deutschlands zu bekommen, und unterstützte mich mit der Vermittlung einer Hündin aus Kroatien. Eine eventuelle spätere Zuchttätigkeit habe ich nicht ausgeschlossen, und so war es erforderlich, eine nichtverwandte Hündin für den Rüden zu suchen. Das war schwerer als gedacht, denn nach Auskunft der Zuchtleitung gab es zu der Zeit in Deutschland keinen Züchter, der einen passenden Wurf ohne Blutsverwandtschaft zu unserem Rüden Ivo hatte. Bald schon erhielt ich die Nachricht vom Verein, daß ein weiblicher Welpe gefunden wurde, und zwar bei einem kroatischen Züchter. Ein in Deutschland lebender Kroate brachte mir die Hündin bis nach München entgegen. Die junge Hündin, zu dem Zeitpunkt ¼ Jahr alt, holte ich mir dann dort ab, um sie zu unserem Bauernhof bei Magdeburg, ihrem zukünftigen "Einsatzort" zu bringen. "Rivas Reise" habe ich bereits seit längerer Zeit auf meiner Webseite veröffentlicht. Am Tag nach der Ankunft, Wie auch mein Rüde Ivo, so blieb die Hündin sehr bald draußen, bei den anderen Tieren und natürlich Ivo. Wie auch der Rüde, so hatte die Hündin vermutlich in den ersten Lebenswochen auch keinen Kontakt zu Nutztieren bzw. einer Herde, so dass die Gewöhnung an die Tiere grundsätzlich das Wichtigste überhaupt für den Einsatz als Hirtenhund war. Eine ausschließliche Haltung der Hunde in der Herde mit minimalem menschlichen Kontakt, wie es oft bei Haltungen in den Herkunftsländern geschildert wird, wollte ich nicht. Wie in den "modernen" Koppelhaltungen üblich, ist das Revier eingezäunt. Unsere Hunde sollten allein entscheiden, wo sie sich aufhalten, und auch von den Hof- und Wirtschaftsflächen haben sie einen guten Überblick über das Gelände. Die ersten Begegnungen zwischen Ivo und Riva liefen wie folgt ab: Ivo, freudig schwanzwedelnd, versuchte sich anzunähern, und Riva legte sich hin, um den unbekannten Rüden schnüffeln zu lassen. Diese Zurückhaltung dauerte nicht lange, denn bald schon nahm die Kleine "das Zepter in die Hand". Neugierig lernte sie die Tiere kennen: Rinder, Pferde, Schafe und allerlei Kleingetier wie Hühner und Kaninchen. Ivo, der sich ja bereits "auskannte", folgte ihr überall hin. Das Verhalten der Hündin war von Anfang an anders, als ich es vom Rüden gewöhnt war: während Ivo eigentlich zu jedem fast schon anbiedernd freundlich reagierte, verhielt sich Riva distanziert zu anderen, aber sehr liebevoll zu mir. Damit meine ich aber keine überschwenglichen Freudentänze, sondern die stumme Verbundenheit und ständiger Augenkontakt. Unterschiedliche Charaktere sind wie bei uns Menschen auch innerhalb einer Hunderasse selbstverständlich auch vorhanden. Und Riva verhielt sich für unsere "Zwecke" eben charakteristischer als Hirtenhund. Hinzu zählen würde ich die Ignoranz die sie den vorgestellten Besuchern oder Handwerkern entgegenbrachte, bis hin zum Ersatz einer Hausklingel, da sie jede Bewegung am Hoftor zuverlässig meldete. Riva, ¾-jährig, bei den Kühen Wie auch meinen ersten Hirtenhund, Ivo, habe ich auch Riva ohne "Erziehungsratgeber" oder Hundeschulenbesuche zu einem problemlosen Hund, mit dem man sich auch in der Stadt und beim Tierarztbesuch, zeigen lassen konnte, erzogen. Vielleicht spielte auch dabei die "freie Haltung" eine große Rolle. Um bei dieser Haltungsform der Hunde die entsprechende Bindung zum Rudel zu erhalten, haben wir unser Leben den Hunden so angepaßt, dass sich unser Tagesablauf ¾ des Jahres im Freien abspielt. Keiner unserer Hunde hatte es zu dieser Perfektion gebracht, mit der Riva die Verbindung zu uns im Hause hielt, indem sie öfters mit der Vorderpfote an die Terrassentürenscheiben "klopfte". Eine "Ausbildung" für den Einsatz als Hirtenhund hat Riva nicht bekommen sie lernte alles, was sie für die Herdenarbeit brauchte, im alltäglichen Umgang mit den Tieren und mir, so dass wir uns im Laufe der Jahre als "eingespieltes Team" bezeichnen konnten. Bei den täglichen Weiderundgängen habe ich ständig den Kontakt zu den Hunden gehalten, indem ich immer mit ihnen sprach, sagte, was ich von ihnen wollte, und Fehlverhalten gleich korrigierte. Bei der Arbeit an der Herde kann es verheerende Folgen haben, wenn die Hunde machen, was sie wollen, daher ist ein gewisser Gehorsam auch bei Hirtenhunden erforderlich. Riva war ein Paradebeispiel dafür, dass man bei solchen Hundecharakteren sensibel vorgehen muss, und den Hunden den Stolz und die Würde nicht nimmt. Mit der Zeit lernte auch ich, zum Beispiel, dass immer ein Grund vorlag, wenn sie einen meiner Rufe nicht befolgte, zum Beispiel, verkroch sie sich einmal im Pferdestall, und ich versuchte, schon fast wütend, sie zum Herauskommen zu bewegen. Der Grund wurde mir dann Minuten später klar: es zog ein fürchterliches Unwetter auf, und sie suchte einfach nur Schutz. "Pudelnass" im Stall Mit einem "Drill" war also auch bei Riva nichts zu machen, und so verlangte ich auch nichts von ihr, was sie für die Arbeit nicht brauchte, zum Beispiel ein strenges Fußgehen. Die Richtung der Weiderundgänge gab ich vor, und an bestimmten Wegstellen/Abzweigungen hielten die Hunde von allein an, um zu sehen, wohin es geht. Natürlich gab es "interessante" und "langweilige" Wege für die Hunde, und so waren die "Schnüffelstellen" an Fuchsbauten oder im Futterlager immer ein beliebter Bestandteil der täglichen Rundgänge. Wenn Riva merkte, dass das Futter für die Rinder mit dem Pick-Up gefahren werden soll, meldete sie ihren Mitfahrwunsch an, und sie ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen, während die anderen sich zu Fuß abstrampelten. Nach der "Einarbeitung" als Hirtenhund, nach 8 Monaten, begleitete mich Riva in den Jahren 1997 bis 2000 bei meinem Aufenthalt auf dem Elisabeth-Hof, welchen ich mit meinen Eltern renovierte. Hier kam es vor, dass Riva die Nachbargrundstücke (ohne eigene Hunde) gleich mitbewachte. Wir einigten uns mit den Nachbarn, daß wir keinen festen Zaun benötigen, und sie freuten sich jedes Mal, wenn Riva auch ihr Grundstück besuchte. So verging die Zeit mit Hühnern, Enten, Gänsen und Katzen friedlich ... Kinder und Katzen - kein Problem, Im Alter von 1 ½ Jahren ließ ich Riva HD-röntgen, um eine eventuelle Zuchttauglichkeit erlangen bzw. überhaupt über den Zustand ihrer Hüften Bescheid zu wissen. Dazu haben wir einen Termin bei der Tierklinik bekommen, und fuhren voller Elan zur Röntgenuntersuchung. Es lief alles bestens, bis zu dem Zeitpunkt, als der Direktor der Tierklinik mir mit einer Trauermiene mitteilte, dass der Hund wohl kaum das zweite Lebensjahr erreichen würde, bei dem HD-Befund. Es wurde eine beidseitige HD-E2 festgestellt, und ich konnte es nicht glauben schließlich habe ich ja einen Hund mit Papieren, auf denen HD-freie Vorfahren bescheinigt waren. Zur Sicherheit ließ ich in der Berliner Uni-Tierklinik noch ein Obergutachten anfertigen, aber es brachte kein anderes Ergebnis. Von da an beobachtete ich meine Hündin ganz genau, denn bisher war kein Anzeichen des drohenden Hüftgelenksschadens zu erkennen. Ich achtete auf eine Ernährung von hoher Qualität, ohne ihr Gewicht zu erhöhen, bot ihr viel Bewegung praktisch den ganzen Tag, wenn sie wollte, auf dem Grundstück und Treppen steigen musste sie auch nicht. Doch der Tag X kam, und sie hatte Beschwerden beim Laufen. Seit der HD-Diagnose hatte ich ja genug Zeit, mich über alle gängigen Behandlungsmöglichkeiten zu informieren, und hatte mich eigentlich schon für den Einsatz künstlicher Hüftgelenke entschieden. Doch durch einen Zufall erfuhr ich von homöopathischen Tropfen, die auch in der Veterinärmedizin erfolgreich gegen die schmerzhaften Arthrosen in den Gelenken eingesetzt wurden. Diese wandte ich bei Riva an und siehe da: ihr Zustand besserte sich schon nach einigen Tagen. Gleichzeitig erfuhr ich in einem persönlichen Gespräch mit dem Direktor der Tierklinik über die Risiken, die eine OP mit sich bringen könne, und entschied, diese Tropfen so lange anzuwenden, bis die Hündin offensichtlich wieder stärkere Schmerzen haben würde. Im Nachhinein kann ich jetzt sagen, dass ich ihr die Tropfen fast 8 Jahre bis zu ihrem Tod erfolgreich gegeben habe.
Guter Beobachtungsposten Die Zeit der HD-Diagnose war gleichzeitig die Zeit der endgültigen Rückkehr zum Einsatz als Hirtenhund in der Landwirtschaft. Die Umgewöhnung war eigentlich keine, denn sie verhielt sich so, wie "Gut, dann passen wir jetzt wieder auf die großen Tiere auf!". Oft werde ich gefragt, wie das denn so in der Praxis aussähe, mit der "Arbeit" der Hirtenhunde. Mal abgesehen von der reinen Begleitung bei der menschlichen Arbeit, also den Herdenkontrollen, den Fütterungen usw. ist das Betätigungsfeld der Hirtenhunde sehr vielfältig. Wobei viele dieser Arbeiten von allein übernommen werden, d. h. ohne bestimmte Ausbildung. Um hier einige Beispiele zu nennen: Als Hauptaufgabe ist natürlich die Hof- und Herdenbewachung zu nennen. Nun wären sicher Rinder in der Lage, sich dem hier in Mitteldeutschland als Raubwild vorkommenden Fuchs selbst zur Wehr zu setzen, aber besser ist immer, wenn keiner auf der Weide ist, um die Ruhe in der Herde nicht zu stören. Aber es gibt auch zweibeinige Räuber, die es auf lebende Tiere oder Inventar abgesehen haben. Leider mussten auch wir die Erfahrung des "Besuches" eines Pferdemörders machen. Zum anderen kann man "Herdenschutz" bei freilebenden Mutterkühen von Robustrinderrassen auch so interpretieren, dass man auf der Weide vor der Herde schützt. Mit viel Theater und Gebell werden die Rinder auf Distanz gehalten, wenn z. B. ein Zaun zu reparieren ist oder die Ernte der Streuobstwiese nach Hause gebracht werden soll. Sogar als Hilfe beim Treiben der Herde konnte ich vor allem Riva gewinnen. Wie ich bereits vor einigen Jahren an anderer Stelle schrieb, dass man Hirtenhunde nicht als Hütehunde einsetzen kann, ist der heutige Stand meiner Erfahrungen der, dass im Laufe der Jahre eine gewisse Mitarbeit, zumindest beim vor-sich-Hertreiben erreicht werden kann. Sogar den "Fersengriff", den eigentlich mehr die Hütehunde anwenden, konnte ich bei Riva beobachten. "Schafe nach Hause bringen!" Bei der vielen Zeit, die wir täglich intensiv verbrachten, bildete sich natürlich eine gewisse Vertrautheit heraus, wie alte Freundinnen, die sich aufeinander verlassen können. Vertrauensfördernde Rituale, wie das abendliche "zu Bett gehen" vertieften dann die innere Bindung noch. Während der kalten Jahreszeit verbrachte Riva die Nächte im Pferdestall mit direktem Zugang zum Wohnhaus. Je älter sie wurde, um so lieber nahm sie diese Schlafstätte an, an Tagen, an denen es schon sehr spät war, drängte sie nahezu, ins "Bettchen" zu gehen. Nicht selten legte ich mich dann mit zu ihr ins Stroh, und manchmal spielte und buddelte sie übermütig. Jeder Abend endete aber immer mit einer "Schmusestunde" - und morgens war das auch die erste Begegnung mit ihr, bevor sie wieder zu den "Jungs" 'raus ging. "Gleich geht's los ...!" Riva blieb eine unkastrierte Hündin bis zum Schluß, denn im Hinterkopf hatten wir immer noch die eventuell anstehendende Hüftgelenksoperation, und wir wollten sie nicht unnötig mit medizinischen Eingriffen/Risiken belasten. Ab einem Alter von 9 Jahren wäre für uns sowieso nur noch eine Kastration gesundheitlichem Erfordernis in Frage gekommen. Das Rudel (mit zwei kastrierten Rüden) ist mit diesem Umstand sehr gut zurecht gekommen. Während der "kritische Zeit" bekam sie bei unserer Abwesenheit eben Sonderaufgaben, z. B. beim Geflügelauslauf zu wachen, wo wir sie dann separieren konnten, ohne dass sie den Kontakt zu den anderen verlor - nur durch einen Maschendrahtzaun getrennt. Unter unserer Beobachtung ging auch diese Zeit ganz normal vorbei, mit einigen Ermahnungen den Rüden gegenüber, sie doch in Ruhe zu lassen (wegen der Hüfte). Eines der letzten Fotos auf der Winterweide, eine Woche vor ihrem Tod An einem Tag im März 2006 begann das Ende: als ich nachmittags mit meinem Auto den Hof befuhr, bellten die Rüden und schrie die Riva jämmerlich: ihr waren genau diesem Augenblick die Hinterläufe gelähmt! Es war nicht die HD, sondern ein eingeklemmter Nerv in der Wirbelsäule. Von da an pflegten wir sie rund um die Uhr in ihrer gewohnten Umgebung. Aber es sollte nicht sein. Sogar die Entscheidung des Zeitpunktes des Abschiedes hat sie mir abgenommen, indem sie nach 4 Tagen einfach eingeschlafen war. Danke, mein Mädchen, für die schöne Zeit! Dorette Knobbe [zurück] |