Ausgabe 02/2004
März + April 2004

Tagaktiver Hirtenhund im Miroc Gebirge/Yugoslawien
Foto Dragan Drndarski

Der nachtaktive Herdenschutzhund ...

Vor einigen Tagen gingen wir mal wieder mit unseren beiden Hirtenhunden bei Tageslicht spazieren und da sahen wir ihn, den Unterschied zwischen nachtaktiven Herdenschutzhunden und aufmerksamen Hirtenhunden.

Laut Günter Bloch ist der Herdenschutzhund eben besonders nachtaktiv und wie er das beschreibt, soll dem/r geneigten Leser/in nicht vorenthalten werden:

"Herdenschutzhunde verändern ihr Verhalten mit wechselnden Licht-Zyklen, das heißt, die viel strapazierte Reizschwelle sinkt mit Zunahme der Dunkelheit, und der Hund zeigt sich aggressiver (seine arbeitenden Verwandten werden nachts mit dem Erscheinen von Raubtieren konfrontiert). Schlecht erkennbare optische Außenreize stehen außerhalb der verhaltensökologischen Routine, so daß der Herdenschutzhund massiv bellt und jederzeit verteidigungsbereit ist. Ein Angriff kann - territorial motiviert - blitzschnell erfolgen. Territorial motiviert verteidigen viele Herdenschutzhunde auch Autos in einem übersteigerten Maße. Hier gilt es, die Außenreizanlage durch Verdunkelung der Scheiben oder durch Nutzung einer Transportkiste zu verändern."

Besser kann es nicht erklärt werden und deshalb kann ich mir die anderen Experten sparen, denn die sagen das gleiche mit wesentlich weniger qualifizierten Worten.

Bei unseren Wohnverhältnissen sind Hirtenhunde einfach besser zu halten und so möchte ich das Verhalten unserer Hunde einfach mal schildern, damit der Unterschied besser erkennbar ist.

Wache ich morgens auf, dösen unsere Hunde in ihrem Gehege gemütlich vor sich hin. Allerdings nicht lange, denn um die Zeit geht ein Hundebesitzer an unserem Grundstück vorbei. Obwohl es heller Tag ist, wird dieser Mensch mit seinen beiden Hunden wütend verbellt. Warum auch muß er meine beiden derart provozieren?

Wenig später, mit zunehmendem Tages- bzw. Sonnenlicht werden meine Hunde dann extrem aktiv, denn die morgendliche Fütterung mit einer Blödelrunde ist angesagt. Lediglich eine mehr oder minderstarke Aggressivität kann ich dabei nicht beobachten, die haben sie aber schon bei den Spaziergängern und ihren Hunden gezeigt.

Anschließend folgt eine länger Ruhe- und Schlafpause, denn den Rest des Vormittages wird nicht mehr viel geboten (Kindergarten, Schule, Arbeit) . Nach der dörflichen Mittagspause sieht das anders aus, da verhalten sich meine beiden, wie die von Bloch beschriebenen Herdenschutzhunde bei Nacht. Sehr aufmerksam wird alles beobachtet und verbellt, an Schlaf oder wenigstens eine Ruhepause ist da selten zu denken. So geht das den größten Teil des Nachmittags, denn besonders an schönen Tagen ist auf den Wiesen hinter unserem Haus einiges geboten. Erst der Einbruch der Dunkelheit sorgt dann wieder für Ruhe. Meine beiden Hirtenhunde nehmen eine Mütze Schlaf und werden wieder munter, wenn es so etwa Neun Uhr am Abend ist, da gehen wir dann spazieren und es gibt Futter. Während der Spaziergang, egal ob hell oder dunkel, mit relativer Ruhe und Gelassenheit hinter sich gebracht wird, kommt es während der Fütterung noch mal zu einem der aktiven Höhepunkte des Tages, wenn man so will, einer sehr nachtaktiven Phase, ähnlich den Herdenschutzhunden.

Natürlich füttern auch wir zweimal am Tag, denn nicht nur Herdenschutzhunde, sondern alle großen Hunderassen vertragen eine zweimalige Fütterung besser. Nach der "Hochaktivphase Füttern" kehrt dann Ruhe bei uns ein, die lediglich noch mal kurz gestört wird durch die nächtlichen Gassigeher, die die letzte Runde drehen.

Auch wir schlafen nach einem Gute Nacht Leika, Gute Nacht Gane tief und selig bis zum ersten Hahnenschrei, der aus dem Radiowecker kommt. Siehe oben, dann beginnt ein neuer Tag und der geht so ...

Nachdem der Unterschied nun sehr klar herausgearbeitet wurde, ist eines sicher klar geworden, Herdenschutzhunde eignen sich am besten in Gegenden, die nicht oder nur sehr dünn besiedelt sind (Abstand zum Nachbarn z.B. 2 km), Hirtenhunde sind besser zu halten, wenn die Nachbarschaft dichter dran wohnt, denn sie bellen zwar auch, aber nur, wenn sie etwas bemerken, ansonsten sind sie reichlich faul und dösen gerne. Herdenschutzhunde sind am Tage passiv, aber während der menschlichen Nachtruhe sind sie zu laut. Daher hat es in der Vergangenheit schon oft heftigste Proteste der Nachbarschaft gegeben, die irgendwann auch mal schlafen wollte.

Warum sind eigentlich Herdenschutzhunde so blöde und versauen sich mit ihrem Verhalten so manchen schönen Platz?

Eines ist klar geworden, Hirtenhunde sind flexibler, sie passen sich den Situationen besser an, d. h., sie sind dann aktiv, wenn es diese erfordert. Besonders deutlich konnte ich das in Yugoslawien beobachten, denn ein Teil der Verwandtschaft von Gane arbeitet noch. Nachts entgeht ihnen zwar nichts, aber auch am Tage sind sie sehr gut zum Schutz der Herden zu gebrauchen.

Und noch ein Punkt ist mir aufgefallen, der für die Anschaffung eines Hirtenhundes spricht. Es ist ja durchaus modern (z.B. bei Manta oder Golf GTI) die Scheiben zu verdunkeln, aber die Mehrzahl der deutschen Autofahrer tut dies eben nicht. Wenn also Herdenschutzhunde besser in abgedunkelten Autos transportiert werden sollten und Hirtenhunde jedes Auto mit normalen Scheiben besteigen können, dann ist auf jeden Fall ein Hirtenhund vorzuziehen. Genauso, wie auch Hirtenhunde mit einem normalen Schutzgitter im Auto transportiert werden können und nicht unbedingt eine Transportkiste benötigen, die u. U. auch noch Gardinchen besitzt, wegen der "Außenreizanlage".

Übrigens ist diese Nachtaktivität ziemlich einmalig und nur bei Herdenschutzhunden zu beobachten, denn alle unsere Hirtenhunde haben sich so verhalten, wie ich es geschildert habe. Selbst unsere deutschen Schäferhunde, die wir viele Jahre gehalten haben, zeigten ein solches Verhalten nie, obwohl sie ausgewiesenehrmaßen Schutzhunde sind.

Zusammengefasst kann daher gesagt werden, Häuser, Grundstücke, Kinder oder Haustiere die von normalen Schutzhunden oder auch Hirtenhunden bewacht werden, sollten immer und zu jeder Tageszeit gemieden werden. Findet der mehr oder weniger kriminelle Aktivist dagegen einen Herdenschutzhund vor, kann ein Diebstahl tagsüber durchaus gelingen, nachts allerdings sollte man von einem solchen unbedingt absehen.

Wer es bisher noch nicht bemerkt hat, dieser Artikel ist zwar durchaus ernst gemeint, allerdings auch als Satire zu verstehen, denn ich mag keine Pauschalierungen. Was ich allerdings noch viel weniger mag, wenn man mit angedichteten Verhaltensmustern Hunde für blöder darstellt, als sie sind. Es glaubt wohl kein Mensch, daß ein Hund, egal welcher Rasse, nicht innerhalb kürzester Zeit in der Lage ist, sich an die gegebenen Situationen anzupassen. Deswegen gibt es nacht - und tagaktive Hunde und sogar solche, die beides sind, denn ein Jäger geht auf die Jagd, wenn er sich einen Erfolg davon verspricht und da muß der Hund dann eben mitarbeiten, egal was für eine Beleuchtung gerade herrscht.

Hartmut Deckert