Ausgabe 02/2004
März + April 2004

Ursprungsländer -

und mit denen ist es manchmal so eine Sache!

Für eine " ganz normale" europäische Hunderasse ist die Eintragung in ihrem Ursprungsland kein großes Problem. Bei einigen Hirtenhunderassen sieht es mit diesen Ursprungsländern aber etwas anders aus und das möchte ich an Beispielen darstellen. Denn leider ist eine Eintragung der folgenden Rassen nicht gerade zum Vorteil der Hunde gewesen.

Da ich selber weiß, wo dieser Artikel angreifbar sein wird, möchte ich ausdrücklich betonen, daß gegen bestimmte Zuchtziele innerhalb der eigentlichen Ursprungsländer nichts zu schreiben wäre. Das aber sehr wohl das "Gemixe" in den verschiedenen Ländern den Rassen schadet und gegen die Kultur der Hunde ist. Genau diese Kultur aber ist es, die es Hirtenhunden ermöglichte, so viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zu überleben. Besinnen sich die Züchter nicht auf diese Kultur, werden in wenigen Jahrzehnten diese alten Rassen "kaputtgezüchtet" sein.

Centralasiatin Bobbyna
Foto: Potter

Centralasiaten

Wer sich von dem irreführenden Begriff "mittelasiatischer Owtscharka" lösen kann und statt dessen wenigstens die wesentlich genauere Einschätzung "centralasiatischer Owtscharka" benützt, wird schnell merken, daß sie keine russische Rasse sind. Obwohl ihr Standard von der ehemaligen Sowjetunion aufgestellt und eingereicht wurde.

Als ein Beispiel soll der berühmt berüchtigte "Alabai (y)" dienen. Denn an ihm lässt sich das Desinteresse deutscher Züchter darlegen, wenn sie diesen Begriff verwenden. Dazu kommt, daß sie meinen, damit auch noch etwas besonders originales oder wertvolles zu präsentieren, obwohl eigentlich das Gegenteil der Fall ist.

Auf zu wenigen Internetseiten ist nachzulesen, wie eine Zucht funktioniert oder sich so lange erhalten kann. Daher schreibt Qadirie, der Mittelasiate sei ein unbeständiger Hund durch "wilde" Inzucht und planloses Kreuzen der verschiedenen Schläge aus den verschiedenen Ursprungsländern. Gemeint ist, daß nach Russland immer wieder Hunde aus den centralasiatischen Ländern geholt werden, um die eigene Zucht zu verbessern.

Also heißt im Umkehrschluss "Alabai(y)" nicht eine Qualitätsverbesserung, sondern das Gegenteil ist der Fall. Denn in den Zuchtlinien sind die dominanteren Hunde sogenannte "Russenhunde". Daher kann man, wie es Georg C. Meyer tut, auf keinen Fall von einem Alabai(y) sprechen und seine Hunde als "die lebende Legende Turkmenistans" bezeichnen. Dazu kommt, daß eben der Begriff "Alabai(y)" seinen Ursprung nicht in Turkmenistan hat, sondern in der ganzen Region Centralasiens verwendet wird. In Kyrgyzstan bezeichnet man z. B. die größeren und schwereren Hunde als Alabai.

Im Norden von Afghanistan stellen Usbeken und Tadschiken die Mehrheit der Bevölkerung und dort gibt es nach meinen Informationen die schönsten und besten Hunde des Landes und auch den Begriff Alabai(y).

Ein weiteres Vorurteil macht immer wieder die Runde und das lautet, die afghanischen Centralasiaten seien die besten und sicher auch ursprünglichsten Hunde. Etwas rassistisch und auch nicht richtig. Dazu muss man die Strukturen der einzelnen Länder anschauen und damit wären wir wieder bei den Nomaden und den Karawanen der Seidenstrasse. Grenzen in unserem Sinne gab es Jahrhunderte nicht, nur Stammesgebiete und eben Weideflächen. Bei dieser Lebensweise konnte es nicht ausbleiben, daß die einzelnen Schläge geplant verkreuzt werden. Diese "Mischlinge" entstehen aber nicht willkürlich, wie bei heutigen Zuchtlinien in Russland, sondern sie haben sehr wohl eine alte Tradition.

Beispiele: Die Hunde der Karawanen sollten immer etwas leichter sein, als die reinen "Schafhunde", also züchtete man einen hochbeinigen, relativ leichten und ausdauernden Typ. Diesen "Karawanentyp" finden wir daher in allen Ländern der "Seidenstrasse", den Wüsten - oder Oasentyp. Keinen Sinn machte es aber, diese Hunde mit den Hunden der Herden zu kreuzen und so fand das auch sicher nicht statt.

Anders sah es bei den Herdenhunden aus. Da die Herden langsam zogen oder gar über einen längeren Zeitraum an einem Standort blieben, können diese Hunde ruhig schwerer sein, die dann dank ihres Gewichtes und ihrer Größe besser in der Lage sind, "Viehdiebe" in Schach zu halten. Daher teilt man diese Hunde in die Gruppe der "Berghunde" ein. Auch hier fand zwischen den Stämmen und Volksgruppen, die reine Herdenhunde benötigten, ein Austausch statt. Und so ist es ein Widerspruch, wenn die Hunde eines Landes (Afghanistan) als die besten bezeichnet werden und man andererseits in der Literatur findet, daß die Hunde über die Seidenstrasse wanderten.

Anders ist die Situation in Russland. Dort wird mit allen Schlägen gezüchtet und man neigt in den letzten Jahren zu Gigantismus. Die Folgen sind erkennbar, Skeletterkrankungen und HD und die Optik leidet gewaltig. Natürlich soll hier nicht die Zucht in Russland samt und sonders verurteilt werden, denn auch mir ist klar, daß es auch dort gute und verantwortungsbewusste Züchter gibt. Schön wäre es aber, wenn die eine Mehrheit stellen würden.

Kaukasin Lara
Foto: Rosemarie Birke

Kaukasen

Auch bei Kaukasen kann man eine ähnliche Entwicklung beobachten. Leider tun dies deutsche Züchter selten und so sind in etwas über 30 Jahren Kaukasenzucht Hunde entstanden, die man als "deutsche Kaukasen" bezeichnen kann. Diese Feststellung ist nicht neu und sie stammt auch nicht von mir. Irgendwann Mitte der neunziger Jahre stand diese "Behauptung" in der Vereinszeitung des KOC (kaukasischer Owtscharka Club) und niemand regt sich besonders auf. Daher spielt eine Unterteilung in Berg - oder Steppenkaukasen auch keine Rolle mehr, zumal sie in Deutschland genetisch gar nicht mehr möglich ist.

Wenn bereits bei dieser nun wahrlich groben Einteilung nicht an die Ursprünge gedacht wird, ist auch die Kaukasenzucht auf dem besten Wege, ihre Identität und damit ihre Kultur zu verlieren. Denn ähnlich den Centralasiaten ist auch der Kaukase nicht der Hund eines Landes und schon gar nicht Russlands, sondern einer Region, die an die Tierhaltung und den Herdenschutz sehr unterschiedliche Ansprüche stellt. Erinnert sei, daß es in den Ländern und Regionen des Kaukasus sehr unterschiedliche Klimaverhältnisse gibt und die topographischen Gegebenheiten sehr unterschiedlich sind.

Auch sollte bedacht werden, daß die Ansichten über gute Hirtenhunde auch in diesen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich sind, daher finden wir eben diese unterschiedlichen Typen. In einer Übersetzung aus dem russischen wurde von Roland Kaschel ein Artikel veröffentlicht, der sich mit den Schlägen der Kaukasusrepubliken beschäftigte. Ersichtlich war hier z. B., daß die Hunde alleine im Index (Verhältnis Höhe zur Länge) schon variieren.

In Deutschland waren eine ganze Reihe von Kaukasenhaltern und Züchtern sehr erstaunt, als sie feststellen konnten, daß der ziemlich einheitlich gezüchtete Kaukase sich wesentlich von den Hunden unterschied, die langsam in Veröffentlichungen und auf Bildern auftauchten. Als Beispiel sei genannt, daß der Gampr aus Armenien ebenfalls ein Kaukase ist und sich von vielen anderen Schlägen schon in der Größe unterscheidet, er ist nämlich fast "zwergenwüchsig", vergleicht man ihn mit "deutschen Kaukasen". Auch ein extrem kurzes Fell beim Steppenkaukasen, fast identisch mit dem der Centralasiaten, war bis vor einigen Jahren in Deutschland fast unbekannt, denn es wurde in der Regel ein Mischtyp gezüchtet. Richtiger aber ist, auch hier, in Lang - und Stockhaar zu unterscheiden.

Auch für den Kaukasen gilt genau die gleiche Devise, wie für Centralasiaten und alle anderen Hirtenhunde, die Arbeitsfähigkeit ist über alle anderen Kriterien zu setzen. Deswegen kann die Rasse nur überleben als "Hund der Hirten", wenn dieser nicht dem "Gigantismus" zum Opfer fällt. Leider sind auch hier in Russland und anderen Ländern genau gegenteilige Hunde zu sehen. Den Höhepunkt dieser Zuchtbemühungen stellt der sogenannte "Moskauer Wachhund" dar, eine Kreuzung aus Bernhardiner und Kaukasen.

Züchter behaupten immer wieder, sie wollten etwas für die Rassen tun und meinen damit, diese zu erhalten und zu verbessern. Im Falle der Kaukasen und der anderen Hirtenhunde heißt dies aber, es muss wenigstens der Versuch unternommen werden, Hunde aus den "ursprünglichen" Regionen zu bekommen und diese in der Zucht einzusetzen.

Ein anderer Punkt wird auch bei Kaukasen immer wieder übersehen, und das ist der Charakter der Hunde. Natürlich haben auch Kaukasen die vielen Jahre nur überlebt, weil sie mit Menschen eine enge soziale Gemeinschaft bildeten und nur die "Beutegreifer" verfolgten. So schreibt E. v. Buchwaldt, daß Kangale seit jeher getötet wurden, wenn sie eine Gefahr für Menschen und andere Haustiere darstellten. Diese Feststellung kann auch für die anderen Hirtenhunderassen bestätigt werden. Wer daher heute versucht, Hirtenhunden durch gezielte Zucht Aggressivität "anzuhängen", sorgt nicht nur dafür, daß Kaukasen und andere ihren schlechten Ruf behalten, sondern er entfernt sich wieder ein Stück weiter von der Kultur der Hunde.

Natürlich ist mir klar, daß sowohl der Kaukase, wie auch andere Hirtenhunderassen sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert haben. Das war schon immer so und diese Entwicklung wird weitergehen. Alleine deswegen, weil sich neben den Menschen und ihrer Tierhaltung auch die Umweltbedingungen verändern. Trotzdem bemühen sich viele Menschen in den tatsächlichen Ursprungsländern, trotz widriger Umstände und Lebensbedingungen, "ihre" Rassen zu erhalten. Aus Respekt sollten wir in Europa dem nicht gegensteuern. Allein schon deswegen nicht, weil uns neben einem Stück alter Kultur in der Regel charakterfeste und gesunde Hunde geschenkt werden.

Sarplaninac Rüde Ando
Foto: Berna Kobaslic

Sarplaninac

Keiner der vielen Hirtenhunde ist so eine "politische Rasse", wie der Sarplaninac. Dies ist so zu verstehen, daß es diese Hunde zwar vom Norden in Slowenien bis in den Süden, also Macedonien gab, daß aber trotzdem alles unter dem Namen Republik Yugoslawien lief. Die verschiedenen Volksgruppen hatten von dem yugoslawischen Hirtenhund aber sehr unterschiedliche Vorstellungen. So schreibt Dr. Mattlas in einem Artikel über den Kraski Ovcar sinngemäß, je kleiner der Bauer und seine Herden, um so kleiner die Hirtenhunde. Das heißt, im Süden gab es eine ausgeprägtere Weidewirtschaft mir großen Herden und je weiter man in Richtung Norden kam, nahm die Größe der Herden und Hunde ab und auch die Gefahr durch Beutegreifer, also Bären und Wölfe.

In Kroatien gab es schon seit altershehr auch den Tornjak, den Hirten aus Zentralbosnien übernommen hatten. Der machte sich mit dem Sarplaninac Konkurrenz und konnte sich nicht so ausschließlich durchsetzen wie der Sarplaninac in Serbien - Montenegro und in Macedonien, oder wie der Kraski in Slowenien. Unterschiedlich sind die Hunde des Südens und des Nordens sicher auch deswegen, weil im Norden die Zuchtbasis kleiner war, als bei den recht zahlreichen Sarplaninac - Schlägen des Südens.

Solange Yugoslawien ein Land war und auch die Hirtenhunde dieses Staates einheitlich als eine Rasse bei der FCI eingetragen werden sollten, gelang als kleinstmöglicher Nenner dieser Eintrag unter dem Namen "Ilyrischer Schäferhund". Der damals erstellte Standard schadete insbesondere dem Sarplaninac und sorgte unter anderem dafür, daß die Hunde in der Größe und im Gewicht gewaltig reduziert wurden. Inwieweit eine Veränderung des Charakters stattfand, vermag ich nicht zu ermessen.

Erst im Jahre 1957 konnte man sich entschließen, die beiden Schläge des Ilyriers wieder als eigenständige Rasse zu führen. Die vielen Jahre einer gemeinsamen Zucht hatten den Bestand der "ursprünglichen" Sarplaninac schwer gefährdet. Und so wurde im Süden des Landes bereits von zwei Schlägen des Sarplaninac gesprochen, zum einen vom ausgesprochenen "Show-Hund" des Nordens und zum anderen von "echten" Arbeitshunden des Südens. Dies ist sicher nicht richtig, denn auch viele der zu Unrecht abqualifizierten sog. Show-Hunde arbeiteten wie immer an Herden.

Diese ganze Problematik hat Obrad Scipic in seinem Buch über den Sarplaninac und in zahlreichen Artikeln dargestellt. Einer dieser Artikel ist zu finden in der Rassebeschreibung des Sarplaninac und daher braucht nicht alles wiederholt zu werden. Es kommt hinzu, daß Serben und Albaner hauptsächlich im Kosovo unterschiedliche Auffassungen in der Zucht des Sarplaninac hatten. Gemäß dem einmal aufgestellten Standard züchtete man in Serbien-Montenegro den in der restlichen Welt bekannten Schlag oder Typ, wie wir ihn auch in Deutschland hauptsächlich kennen.

Die Albaner hingegen hielten trotz gleichem Standard und dem gleichen Namen ihrer Hunde an den alten Schlägen fest und so gibt es heute noch sehr helle, fast weiße Hunde. Auch in Macedonien konnte man zwar mit dem Standard des Sarplaninac leben, aber auch hier gab es immer wieder Abweichungen. Sehr viele Hunde sind sehr dunkel bis fast ganz schwarz. Außerdem wurden in Gebieten und Regionen Yugoslawiens die Hunde auch nach ihrem Aussehen mit anderen Namen belegt. Beispiel hierfür sind der Karabash und der Merdjan, einmal ein gelber Hund mit ursprünglich schwarzer Maske (Karabash) und ein fast weißer Hund (Merdjan). In wenigen Veröffentlichungen tauchen aber auch die Hunde der Goraner auf, einer kleinen Volksgruppe, die im Kosovo lebt und die wiederum ihren eigenen Schlag hat.

Seit Ende der neunziger Jahre sind mindestens in Serbien-Montenegro und Macedonien Bestrebungen im Gange, sich in der Zucht der Sarplaninac auf ein einheitliches Bild zu einigen. Wäre zu wünschen, daß man sich möglichst schnell darauf einigt, auch Goraner, Karabash und Merdjan in irgendeiner Form in die Rasse Sarplaninac einzubinden. Gelingt dies, blieben alle Schläge des Sarplaninac erhalten. Wenn nicht, ist zu befürchten, daß sich die Vielfalt der Hunde verkleinert. Im Sinne einer gesunden Population und einer breiten Zuchtbasis mit allen genetischen Traditionen wäre dies der falsche Weg für die Rasse.

Und noch etwas ist wichtig, den Charakter der Hirtenhunde zu erhalten. Gerade der macht nämlich einen großen Teil eines Hirtenhundes aus. Und ist der nicht in Ordnung, kommen Spinner auf die Idee, Hirtenhunde könnten gefährliche Hunde sein, die es verdienen, auf Listen geführt zu werden. Ein "echter" Hirtenhund gehört da aber nicht drauf.

Meiner Meinung nach sind diese Überlegungen schon deshalb wichtig, weil der kleinere Bruder des Sarplaninac, der Kraski, auf dem besten Weg in eine genetische Sackgasse ist.

Hartmut Deckert

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