Ausgabe 03/2004
Mai + Juni 2004

Foto: unbekannt, aus dem Internet

Märchen aus Kirgistan

Im Norden von Kirgistan am Fuße der Berge lebte einst eine Familie, deren wertvollster Besitz eine kleine Herde von Schafen und Ziegen war.

Als der Sohn dieser Familie alt genug war, die Ziegen und Schafe zu hüten, bekam er von seinem kirgisischen Großvater einen hohen Filzhut, wie ihn das Volk der Kirgisen schon seit Jahrhunderten trägt und der wunderbar gegen Wind und Wetter schützte.

Außerdem durfte er sich als Wächter der Herde einen der Hirtenhunde aussuchen, die ebenfalls seit Jahrhunderten zur Tradition der Hirten gehörten.

Eines Tages zog er wieder mit den Tieren in die Berge. Die Sonne schien und der Junge wurde am Nachmittag müde und schlief ein. Irgendwann weckte ihn der Hund, denn es zog ein Gewitter auf und vorher sollten rechtzeitig die Tiere in Sicherheit gebracht werden.

Aber das Unwetter kam schneller, als gedacht und so mussten sich die beiden mit ihren Tieren sputen. Eine ganze Strecke des Weges rannte der Junge und dabei verlor er seinen Filzhut. Zum Suchen blieb keine Zeit und außerdem vertraute er darauf, dass der Hund am nächsten Tage ihn schon finden würde.

Tags drauf trieben sie wieder die Schafe und Ziegen in die Berge und der Junge bat seinen treuen Hund, den Hut zu suchen. Verkeilt in einem Dornenbusch fanden sie ihn und als der Junge ihn gerade herausziehen wollte, winselte der Hund leise und hielt seine Hand zurück. Aufmerksam schaute der Junge in den Hut und entdeckte, dass über Nacht ein kleiner Vogel sein Nest darin gebaut hatte und bereits brütete.

Natürlich ließen sie den Hut zurück und schauten täglich nach dem Vogel und seinen Jungen. Als alle flügge waren und auch die Eltern das geschützte Nest verließen, konnte er den Hut wieder an sich nehmen.

Immer wenn er mit seinem Tieren und dem Hund in der Nähe des Dornenbusches rastete, glaubte er, der schönste Gesang stamme von der Vogelmutter, die ihm dafür danken wollte, dass er ihr den Hut überlassen hatte.

Seit dieser Zeit aber haben die kirgisischen Hutmacher ihre Hüte noch länger gemacht, als bisher und sollte wieder mal ein Vogel einen Nistplatz suchen, ist er darin noch besser geschützt, als bisher.