Ausgabe 04/2004
Juli + August 2004

Leika, kaukasischer Owtscharka
Fell zu lang und zu dicht
Foto: Hartmut Deckert

Das ideale Fell

Eine uralte Diskussion, wie soll das Fell des idealen Hundes gestaltet sein, oder anders ausgedrückt, mit welchem Fell ist ein Hund arbeitsfähig. Die Frage kann natürlich ausgedehnt werden, nämlich, wann fängt bei der Pflege eines unnatürlichen Haarkleides Tierquälerei an.

Dazu zurück zu den Anfängen der Diskussion. So etwa 30 - 40 Jahre ist es her, da sperrte der SV (Verein für deutsche Schäferhunde) langhaarige und langstockhaarige Hunde zur Zucht. Begründung damals, der langhaarige Schäferhund hat keine oder keine ausreichende Unterwolle, dem ist nichts mehr hinzuzufügen, denn es stimmt.

Anders der Langstockhaar. Unterwolle sehr ausgeprägt, daher absolut wetterfest. Warum dann aber ein Zuchtverbot? Hunde, mit denen gearbeitet wird, sollen bei allen Witterungsverhältnissen ihren Job verrichten, also auch im Schnee. Sehr viele Hundeführer haben sich zu Recht beklagt, ein Langstockhaar sei im feuchten Schnee mit seiner starken Behaarung zwischen den Zehen stark gehandikapt. Stimmt wenigstens in dem Fall, daß der Schnee feucht und pappig ist, im trockenen Pulverschnee zieht das Argument nicht mehr richtig. Abhilfe könnte dadurch geschaffen werden, daß die Haare zwischen den Ballen ausgeschnitten werden. Zuviel Arbeit und daher Zuchtverbot.

Wie aber ist es bei unseren Hirtenhunden und den anderen Rassen, die mit einem immer längeren Fell "gesegnet" sind? Auch hier gilt natürlich, wie bei allen Arbeitshunden die Regel, Haarkleid darf die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Das heißt im Detail, eine zu starke Behaarung verfilzt zu stark und Pflege ist in der Regel nicht gerade eine Stärke der Hirten, die sich um andere Dinge kümmern.

Beispiel unsere Leika. Sie ist optisch ein schöner und beeindruckender Hund, dabei wesentlichen Anteil hat das lange und dichte Fell. Weniger schön ist ihre Fellpflege. Ab dem Frühjahr haart sie ständig, aber in kleiner Dosis und im Herbst ist immer noch kein sauberer Fellwechsel erfolgt. Jedes Wetter beeinträchtigt den Zustand ihres Felles, z.B. eine Regenperiode von nur wenigen Tagen sorgt für Verfilzungen der übleren Art, bürsten hilft nur eingeschränkt und ist nicht gerade sehr angenehm für sie. Wir haben uns das ganze einfach gemacht und nehmen eine Schere. Optisch nicht immer gerade schön, aber sehr wirkungsvoll.

Übel die gesundheitlichen Folgen, Leika hat während der Sommermonate immer mal wieder Ekzeme auf dem Rücken, Behandlung nur möglich, wenn das Fell bis auf die Haut fällt. Konsequenz für uns, auch dieses Jahr werden wir sie wieder scheren bis auf Igelschnitt, oder bis sie wie ein Mittelasiat aussieht.

Konsequenz für einen Hirten wäre, einen solchen Hund auszumustern, denn mit solchen Haaren ist er nicht arbeitsfähig. Und das muß natürlich auch für einen Züchter heißen, Zuchtverbot für diese immer langhaariger werdenden Kaukasen. Leider ist das Gegenteil der Fall und das gilt für alle nicht stockhaarigen Rassen.

Anders Kole, bzw. jetzt Gane. Ihr Fell ist was die Unterwolle angeht, nicht minder dicht, aber das Deckhaar ist lockerer und kürzer. Die Hosen, der Hals und auch die Rute sind weniger dicht behaart und der Fellwechsel im Frühjahr ist ein heftiger aber kurzer. Danach kommt nichts mehr und auch im Herbst wäre eine Aktion, wie z.B. bei ungarischen Kuvasz mit einem echten und einem zweiten ausgekämmten Hund daneben nicht möglich. Probleme im Schnee fast keine und Verfilzungen kennen wir bei beiden Hunden nicht.

Gane + Jule,
Sarplaninac + Bobtail
Foto: Hartmut Deckert

Ein wichtiger Aspekt kommt noch hinzu und der sorgt in den letzten Jahren immer mehr für volle Tierarztpraxen. Wächst die Länge des Felles, sind natürlich alle Körperpartien betroffen und dazu gehören die Ohren. Lange "Löffel" mit dichter Behaarung sind schwer und liegen immer stärker an, das Ohr wird immer schlechter be- bzw. entlüftet. Ohrenzwang und Entzündungen der krasseren Art sind so z. B. beim Cockerspaniel verstärkt zu beobachten, aber auch bei zahlreichen anderen Rassen mit "schönem Fell".

Ein weiterer Aspekt dieser unnatürlichen "Fellzucht" ist die Gebrauchstüchtigkeit im Wasser, oder bei Kontakt mit Wasser. Gemeint ist damit, daß das Fell nicht mehr schnell genug austrocknet. Das nennt man ein hygroskopisches Fell. Dazu schreibt Michaela Richter im Zusammenhang mit der Zucht von Do-khyi: "Ein weiteres wesentliches Europa/Dorftyp-Merkmal ist das überlange, stark hygroskopische Fell.

Hygroskopisch bedeutet Wasseraufnehmend oder vielmehr Wasseranziehend. Hier fehlt der natürliche Schutz vor Feuchtigkeit, weil das Fell eine offene Oberflächenstruktur aufweist Ein solches Fell zieht an Tagen mit erhöhter Luftfeuchtigkeit systematisch Nässe an und es dauert mitunter Tage bis es wieder trocken ist. Das führt natürlich früher oder später zu erheblichen Gesundheitsstörungen wie Erkrankungen der Luftwege, der Nieren und der Blase, bis hin zu schweren rheumatischen Entzündungen des gesamten Knochenapparates.

Einen Do Khyi mit solchem Fell muss man auf jeden Fall vom Wasser fern halten, da er nicht zum Schwimmen geeignet ist." Diese Feststellung gilt natürlich auch für alle anderen Hirtenhunderassen und insbesondere für Hunde, die ein derartig langes Fell haben.

Do-khyi mit einem hygroskopischen Fell
Foto: Francesco Caricato

Woher kommt dies Entwicklung und wo führt sie hin?

Der größten Anteil an diesem Unsinn kann getrost den Züchtern und Zuchtrichtern in die Schuhe geschoben werden, sie bestimmen in Wahrheit den sogenannten Zeitgeist und behaupten anschließend, der Käufer und Kunde wolle es so. Falsch, der nämlich hat in der Regel keine Ahnung und läßt sich genauso beeindrucken, wie der Züchter, wenn ein absolut unfähiger Richter Hunde mit einem solchen Haarkleid auf vordere Plätze setzt. Wir als Halter und z.T. auch Züchter müssten uns eigentlich gegen eine solche Entwicklung wehren, nur wer möchte schon gerne bei einer Ausstellung das Feld von hinten aufrollen?

Die Auflistung ließe sich beliebig lange fortsetzen, ein Beispiel sei noch genannt, denn diese Hunde sind in Deutschland wahrscheinlich der am stärksten vertretene Hirtenhund, der Kuvasz. Weit entfernt vom Status arbeitsfähig, durchgezüchtet als Familienhund hat auch sein Fell sich in den letzten Jahren stark verändert. "Ein Kuvasz haart eben immer" ist der Standardsatz seiner Besitzer. Muß nicht sein, gab es einmal auch anders. In strengen Wintern dichtes und fettiges Haar, wasserabweisend und selbstreinigend, im Sommer fast nackt und nur noch die nötige Dichte um mal Regen vertragen zu können. Leider Vergangenheit.

Würde wieder nach Kriterien wie ursprünglich verlangt, gezüchtet, hätten wir andere Hunde und auch die seidenweichen und am Boden schleifenden Haare eines Yorkie würde es nicht geben. Hütehunde wie Collie und auch Bobtail mit ihrem "wunderschön" toupierten Ar..... müssen nicht sein, denn auch diese Hunde waren mal Arbeitshunde an der Herde.

Schade eigentlich, denn einen Nutzen haben nur die Tierärzte, aber die verdienen an anderen Zivilisationskrankheiten sicher schon genug. Würden wir uns zurückbesinnen, müssten Hunde wie Kole oder Gane die Deckrüden Nr. 1 sein, denn ihre Behaarung ist ideal, so aber sind auch Sarplaninac mit immer längerem Haar auf Ausstellungen die Spitzenreiter.

Hunde mit einem umweltgerechten Fell sind, geht die Entwicklung so weiter, nur noch auf Bildern zu sehen, die Sammler und Jäger in ihrem Fundus haben, im alltäglichen Straßenbild verschwinden sie immer mehr. Und so kann irgendwann getrost gesagt werden, "glücklich ist, wer nicht vergisst, daß es auch noch stockhaar gibt".

So gesehen müsste eigentlich irgendwann ein mittelasiatischer Owtscharka bei uns einziehen. Noch aber gibt es Züchter wie Dragan Drndarski, die Sarplaninac züchten, die Sommer wie Winter ihre Arbeit an der Herde verrichten und dies auch u.a. wegen ihrem Fell können.

Hartmut Deckert