Ausgabe 03/2006
März 2006

Pyrenäenhunde in der Nähe gesehen

Bericht aus dem Rundschreiben und Mitteilungen der Fachschaft für Ungarische Hirtenhunde e. V.
Unterabteilung: Pyrenäenberghunde Nr. 11/1942

Eingangspforte Schloss Waldenburg

Schon seit einigen Jahren, seit sie überhaupt in Deutschland gezeigt werden, hatte ich Gelegenheit, diese schönen, seltenen Hunde auf Ausstellungen zu bewundern.

Es war schon eine kleine Sensation, als der Fürst von Schönburg auf der Grünen Woche 1939 erstmalig seine beiden aus den Pyrenäen eingeführten Zuchthunde ausstellte.

Sensationell schon deshalb, weil diese Hunderasse bisher in Deutschland völlig unbekannt war. "Fantol" und "Bigorre" waren aber auch imponierende Erscheinungen und stellten sich wirklich in bester Kondition vor.

Seither habe ich oft Gelegenheit gehabt, mich von den Zuchterfolgen des Zwingers "von Waldenburg" zu überzeugen und mich an der Kraft und Schönheit der Tiere zu erfreuen.

Nun pflegen sich große Hunde auf Ausstellungen, wenn sie in ihrem Freiheitsdrang gehemmt, in Sammelräumen eingesperrt sind, recht wild zu gebären, und ich hatte schon lange den Wunsch, diese Tiere einmal in ihrer gewohnten Umgebung zu sehen.

Durch die Liebenswürdigkeit Seiner Durchlaucht des Fürsten von Schönburg war es mir nun möglich, mir diesen Wunsch zu erfüllen und mich auch von den charakterlichen Eigenschaften der Pyrenäen zu überzeugen.

Fürst v. Schönburg-Waldenburg
Aufgenommen 1940

An einem Abend Anfang Oktober des Jahres rollte ich also in Waldenburg in Sachsen, einer reizenden Kleinstadt mit engen Straßen, einem bezaubernden Marktplatz und allen Vorzügen einer hübschen Kleinstadt, vielleicht auch allen Nachteilen ein, die sich dem flüchtigen Besucher aber nicht so schnell offenbaren. In diesem Städtchen liegt nun auch das Schloss Waldenburg, der Sitz des Fürsten Schönburg.

Noch am gleichen Abend begrüßten mich die Lieblinge des Hauses, der Reichssieger "Figaro von Waldenburg" und seine Schwester "Bigorre von Waldenburg", die die Aufgabe haben, das Schloss zu bewachen.

Zuerst begegnete mir der Herr Reichssieger mit einiger Vorsicht. Nachdem er sich aber von meiner Harmlosigkeit; überzeugt hatte, wurde er zutraulich und ließ sich sogar kraulen, wohingegen seine Schwester gleich ihre weibliche Liebenswürdigkeit spielen ließ.

Am nächsten Morgen paradierte nun der ganze Bestand des Zwingers vor dem Schloss und es war eine Freude, zu sehen, mit welcher Geschmeidigkeit sich diese doch an sich schweren, schneeweißen Hunde bewegten.

Blick auf Waldenburg und Schloss

Bestimmt steckt in diesen Hunden, die Anlage, sehr scharf zu werden, und in unverständiger Hand können sie vielleicht zu Bestien werden.

Hier ist wieder einmal der Beweis erbracht, daß vernünftige Haltung gepaart mit Verständnis und Liebe, gutmütige, leicht zu regierende Hunde aus ihnen macht, ohne ihnen etwas von ihrer natürlichen Schärfe und Wachsamkeit zu nehmen. Wenn man sieht, wie sich der mächtige "Figaro" vor Herrchen aufstellt, ihm die Pfoten auf die Schultern legt und sich streicheln lässt, wird keiner an Bösartigkeit bei ihm glauben.

Trotzdem würde ich es nicht wagen, das Schloss - womöglich am Abend - ohne Begleitung zu betreten, ich fürchte, "Figaro" würde meine Punktkarte stark dezimieren, wenn er sich nicht sogar markenfrei ein Schnitzel besorgt (1).

Nun sind allerdings in Waldenburg alle günstigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Hundezucht gegeben. Erstens wurde die Zucht mit erstklassigem Material begonnen, zweitens steht den Hunden ein ungewöhnlich großes Freigelände zur Entfaltung ihrer Kräfte zur Verfügung und drittens, und das ist wohl die Hauptsache, liegt die Leitung des Zwingers in der sachverständigen Hand von Fräulein von Helldorff, die mit viel Liebe, aber ohne jede falsche Sentimentalität die Blutverbindungen bestimmt, die Auswahl der Welpen trifft und ein vorbildliches Zwingerbuch führt. Immer nur das Ziel vor Augen, den Zwinger "von Waldenburg" so weit zu bringen, dass er nicht nur in Deutschland, sondern auch nach dem Kriege im Ausland die Konkurrenz mit den großen französischen Zwingern aufnehmen kann.

Unter solchen Voraussetzungen zu züchten, ist wirklich eine reine Freude und ich möchte seiner Durchlaucht an dieser Stelle nochmals dafür danken, dass er mir Gelegenheit zu der Besichtigung des Zwingers gegeben hat.

Nun grüße ich alle Hunde, Figaro, Fori, Florette, Brambilla und wie sie alle heißen und rufe ihnen zu: "Bleibt das, was ihr seid, die schönen unbestechlichen Wächter und die Freunde des Schlosses Waldenburg.

(gez.) Ilse Heiligenthal

(1) Die Autorin meint mit dieser Bemerkung, dass der fürstliche Rüde allerhöchstens bestechlich ist. Da es während des Krieges nur Lebensmittel auf Karten gab, hätte Figaro einen "dramatischen Verlust" auf Ihrer Karte angerichtet.

Die Redaktion

Die Treppenhalle um 1930

Unser Dank geht an das Schloss Museum Glauchau. Von dort bekamen wir einen Schlossführer und die Erlaubnis, Bilder aus diesem zu verwenden.