Ausgabe 03/2007
Mai + Juni 2007

Heut' wissen wir, was wir haben ...

... zwei Hundefindelkinder aus Kroatien bereichern unser Leben

Dunja und Lucy
Foto: Doreen Langer

Ganz spontan sind wir Ende September 2005 für eine Woche Richtung Nord-Dalmatien aufgebrochen. Einmal ausspannen und die Viehcher zu Hause Viehcher sein lassen ... Das Wetter war super, die Gegend faszinierend schön. Und dann, am dritten Urlaubstag, passierte es auch schon. Wir waren am Morgen von der Küstenstrasse abgewichen um uns die Plitvicer Seen anzuschauen und hatten einen schönen Tag. Die selbe Strecke fuhren wir am späten Nachmittag zurück um uns weiter Richtung Süden vorzutasten. Kurz noch einmal angehalten, um die Landschaft zu fotografieren. Einsteigen, weiterfahren. Und dann mein "Schau mal Holger, da sitzt etwas". Ich hatte es noch gar nicht richtig ausgesprochen, schon trat mein Freund auf die Bremse und fuhr auf die Haltebucht. Neben einem großen Sack Müll sprangen zwei winzige Fellkugeln umher. Ich stieg aus und da kamen sie – tollpatschig noch – auf mich zugestapft. Ach waren die süß...

Foto: Doreen Langer

Es waren zwei Welpen, handgroß mit je zwei kleinen schwarzen Knopfäuglein. Ungläubiges umsehen wo die beiden denn hingehören. Aber nichts. Nur weite Leere. Im Hintergrund immer wieder ein vorbeirauschender LKW. Doch halt, da waren Stimmen. Tatsächlich, da kam eine Reitergruppe aus dem Gehölz. Einer sprach sogar deutsch. Doch nach unserem Fundbericht meinte dieser nur "Jaja, die saßen heut Mittag schon dort" und ritt weiter. Was nun? Sitzen lassen? Diese armen beiden, so niedlichen Hundekinder? Also ab ins Auto bevor noch etwas passiert. Wir wussten, im nächsten Dorf gab es viele Gehöfte, sicher werden wir die beiden dort los. Frohen Mutes ging es weiter und am ersten Hof angehalten. Wir, mit Händen und Füßen redend, versuchten die beiden Welpen loszuwerden. Doch nur verständnisloses Kopfschütteln und "nix verstehen" oder der Versuch, uns die eigenen 5 Fresser zu erklären. Das selbe Spiel am nächsten Hof und am nächsten.

Dann ein Stand, an dem wir am Vormittag eine Flasche Slivovic gekauft hatten und wussten der junge Mann spricht gut deutsch. Er war auch sofort entzückt von den beiden und sah sie sich genauer an. Erzählte uns, das die beiden 30, höchstens 40 Tage alt sind. Rannte in seinen Hof und kurz danach kam seine Mama mit einer Schale Milch für die beiden. Er erklärte uns noch, das die beiden ein bisschen aussehen wie die großen Hunde der Schafhirten und wünschte uns noch viel Erfolg. Wir versuchten es dann noch an einigen Bauernhäusern. Am letzten im Dorf saßen zwei alte Männer. Wir stoppten und zeigten ihnen die Hunde. Sie taten fachmännisch. Zeigten uns, das die dunkle gute Zähne hat. Beide sollten ihren Erklärungsversuchen wohl sehr gute Hunde sein. Der eine Mann suchte nach Zettel und Stift und schrieb etwas auf. "80 kg" konnten wir lesen. WOW!!! OK, wenn sie hier keiner haben will dann sind das jetzt unsere Hunde. Basta.

So sollten unsere Zwerge mal werden ...
Foto: Doreen Langer

Wir haben bei Leipzig eine Wasserbüffelfarm. Sie liegt etwas abgelegen und wir wohnen 3 km entfernt. Da ist es nicht verkehrt wenn zwei so große Hunde Wache halten.

Wir bedankten uns bei den beiden Herren und fuhren weiter. Inzwischen war es schon recht spät und dunkel. In Otacac wollten wir uns eine Übernachtung suchen. "Oh Holger, in dem Laden brennt noch Licht. Wir brauchen noch Futter für die Hunde." Und ich konnte es kaum glauben, da stand Pedigree Welpenfutter im Regal, in dem es außer Brot, Butter und etwas Käse nicht viel mehr gab. Und schräg gegenüber auch ein Schild "Appartment". Ich blieb bei den Hunden und Holger ging fragen. Etwas später kam er mit einem englisch-sprechenden Mann zurück. Zimmer ist frei, aber Hunde müssen unten bleiben. Er ist Tierarzt und kümmerte sich um die beiden. Von ihm erfuhren wir, das sie einen sehr gesunden Zustand hätten, es aber total untypisch sei. Der Sarplaninac sei Nationalhund der Kroaten und würde niemals ausgesetzt. Allerdings sind es zwei Weibchen und die kann man nicht brauchen. Welpen durchfüttern kostet Geld und eine Sterilisation könnten sich die wenigsten leisten. Müde, aber auch glücklich gingen wir zu Bett.

Foto: Doreen Langer

Den Rest des Urlaubes passten wir ganz den Bedürfnissen der kleinen an. Nachts stand ich einmal auf um mit den beiden ins Grüne zu gehen, sonst waren sie in dieser Hinsicht sehr anspruchslos. Wo wir auch hinkamen waren die Leute vernarrt in die beiden und konnten es nicht wirklich glauben, das wir sie am Straßenrand gefunden haben. Auch die Zimmersuche war problemlos und wir hatten einige schöne Begegnungen. Einmal, auf einer Nebenstraße, sahen wir einen alten Schäfer mit zwei Hunden und hielten an um ihm unsere beiden zu zeigen. Er zeigte dabei auf seinen großen und auf unsere Welpen. In stark gebrochenem deutsch meinte er, es wären schöne Tiere und wie viel sie kosten sollen. Aber dann sah er das es Mädchen waren und meinte "Frau nix gut", klopfte dann mir auf die Schulter und meinte "aber Frau gut". Im Nationalpark Krka waren sie die ungeschlagenen Magnetpunkte auf der Fähre und bei der Kassiererin. Ein ganzes Stück liefen die Welpen auch mit. Als sie nicht mehr konnten packten wir sie kurzerhand in unseren Rucksack. Dort schliefen sie, bis es dann doch zu warm wurde. Ab da gab es immer Wechsel zwischen getragen werden und selber laufen müssen.

Zu Hause kamen wir 1 Uhr nachts an. Wir stiegen aus und wollten erst einmal unsere Podhalanerin Loki begrüßen. Doch wir interessierten sie überhaupt nicht, sie schlüpfte aus der Tür und rannte zum Auto. Sie nahm die Welpen vom ersten Augenblick sehr gut an und war sorgsam liebevoll zu ihnen. Doch da wir die beiden nicht in der Wohnung halten wollten ging es nach einer halben Stunde raus auf die Farm. Sie bekamen Futter und Wasser hingestellt und ein warmes Bett aus Stroh.

Die Findelkinder mit Loki, der Podhalanerin
Foto: Doreen Langer

In den nächsten Tagen machten wir uns im Internet auf die Suche nach irgendwelchen Rassehinweisen. Ich stieß dabei auf www.hirtenhundewelt.de und schrieb eine email mit ein paar Bildern von den beiden. Nach ein paar Tagen kam Antwort. Es könnten evtl. Sarplaninac sein, aber genau ließe sich das erst in ein paar Monaten sagen. Dann habe ich alles findbare über diese Rasse aufgesogen und war total happy. Durch meine Suche lernte ich auch Familie Knobbe/Kliegel kennen, die in der Nähe von Magdeburg ein Paar dieser außergewöhnlichen Rasse halten. Wir vereinbarten einen Besuchstermin und fuhren eines Sonntags hin. Doch die Enttäuschung war groß. Die Hunde waren gerade ausgestiegen, da schüttelt Dorette den Kopf und Gottfried meinte "Vergesst es, die Köpfe sind viel zu schmal und für ihr Alter müssten sie schon viel größer sein".

Wir verbrachten einen schönen Tag auf dem Hof der beiden, besuchten deren Highland- und Galloway-Herde auf der Weide. Lucy, die graue, gab sich auch ganz mutig und bellte die Tiere kräftig an, Dunja blieb im Hintergrund. Nach diesen Beobachtungen und Dorettes Grübeln erzählte sie uns bei Kaffee und Plätzchen, dass aufgrund des gelockten Fells und der Hütehunde-Statur etwas vom Hrvatski Ovcar in den Hunden stecken könnte. Aber wer weiß bei Findelkindern und derartigen Abstammungsgegenden schon, was sich alles eingekreuzt hat.

Sarplaninac-Hündin Riva "untersucht" die Kleinen
Foto: Dorette Knobbe

Heute, gut ein Jahr später, sind wir ein klein wenig schlauer. Die beiden haben sich prächtig entwickelt und könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie kommen sehr gut auf dem Hof zurecht, passen auf und haben nebenbei noch viel Zeit um Schabernack zu treiben.

Dunja, unsere ruhige, kommt vom Wesen dem Herdenschutzhund sehr nahe. Sie spielt den Boss, ist sehr ruhig und total anhänglich. Wir sagen immer es ist der ideale Oma-Hund. Bisschen fressen, ab und zu mal Gassi gehen und sonst einfach nur schmusen. Egal mit wem Holger oder ich mal 2 Minuten knuddeln wollen, Dunja drängelt sich grundsätzlich eifersüchtig dazwischen und passt auf das sie ja nicht zu kurz kommt. Wenn wir auf der Farm arbeiten oder zu den Wasserbüffeln gehen ist sie immer dabei und trottet neben einem her, legt sich aber in einiger Entfernung ab und beobachtet das ganze. Jetzt, da es fast Winter wird und wir den Ofen anhaben bleibt sie auch mal davor liegen und schläft.

Dunja
Foto: Doreen Langer

Lucy hingegen ist ein temperamentvolles Energiebündel. Ohne Anzeichen von Angst oder Respekt stöbert und stänkert sie zwischen den Büffel und Pferden umher, versucht diese zum spielen anzutreiben oder betätigt sich als Hütehund. Mit einem Erfolg gleich null weil es die Büffel nicht im geringsten interessiert. Bei unseren Tätigkeiten ist sie immer im Laufschritt dabei. Ist sie doch mal müde – oder tut zumindest so – und legt sich hin kann sie beim noch so kleinsten Anzeichen oder Wort 100% einsatzbereit sein. Fahrrad fahren ist ihr Lieblingshobby, Ziegenbock jagen kommt gleich danach. Lucy ist auch die mutigere und prescht bei allem und jedem vor, Dunja läuft nur mit und hilft ihr.

Mit dem Gehorsam der beiden sind wir zufrieden. Sie sind absolut gelehrig und könnten sicher auch kleine Späße lernen. Am Anfang stand überhaupt die große Frage, was und wie erzogen wird. Als selbständig denkende und entscheidende Hunde sollten sie zwar ordentlich an der Leine gehen und auch mal sitzen bleiben. Aber einen Sporthund mit "Pfötchen" und ähnlichem haben wir nie gewollt. Heute können sie Sitz und Platz und Bleib sowie Fuß.

Lucy
Foto: Doreen Langer

Dunjas "Ausbildung" lief sehr ruhig. Sie verstand etwas schwer, was ich von ihr wollte, wurde ich etwas lauter zuckte sie zusammen und es ging nichts mehr. Heute ist sie die etwas gehorsamere. In Gefahrensituationen ist sie mit einem lauteren Kommando abrufbar.

Bei Lucy Wildfang war es schwer, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Hat sie einmal verstanden was ich bei welchem Kommando von ihr will führte sie es dann aber auch zügig aus. Aber Kraft ihres Temperamentes bekommt sie alles mit was sich auf und um den Hof abspielt und sobald sie einmal losprescht ist ein Abrufen nicht mehr machbar.

Wenn Loki mal mit auf den Hof kommt ist die Freude bei Dunja und Lucy riesengroß. Von meiner ehemaligen Hundetrainerin haben wir erfahren, das ihre Mimik und der Gang etwas sehr wölfisches haben. Im Futter sind die beiden sehr genügsam. Trockenfutter steht immer zur Verfügung. Auch wenn es da sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Aber sie fressen so das, was sie brauchen und sind immer noch sehr dünn. Wenn sie im Wasser waren – und Lucy ist eine Wasserratte – möchte man gar nicht hinschauen sonst bekommt man noch Mitleid mit den ausgehungerten Tierchen.

Den kleine Kater Frek, den wir im Sommer geholt haben, haben die beiden liebevoll aufgenommen. Und auch der Kater macht Unterschiede zwischen den beiden. Zu Dunja geht er um sich anzukuscheln und zu schmusen, bei Lucy weiß er findet er einen frechen Spielkameraden. Es ist köstlich, die drei zu beobachten. Oder Geschichten, das Dunja die Mäuse vorm Kater rettet. Das konnten wir im Sommer ab und an beobachten. Immer wenn Frek mit der Maus gespielt hat saß Dunja daneben und hat das ganze beobachtet. Dann ist sie zu der Maus, hat sie ganz vorsichtig mit den Zähnen gepackt und weggetragen. Sie hat sie zwischen ihre Vorderpfoten gelegt und drübergeleckt. Und wenn die Maus soweit trocken und wieder fit war durfte sie sich vom Kater unbemerkt davonschleichen. Aber Mäuse jagen und wie vorgestern totmachen und auffressen können beide Hunde auch sehr gut.

Dunja und Lucy mit Kater Frek
Foto: Doreen Langer

Das wichtigste allerdings fehlt ja noch: Aus den "großen, imposanten Hunden" haben sich 45 cm hohe, etwa 14 kg schwere Zwergenhunde entwickelt. Ihre Größe, oder besser Kleinigkeit, beschert uns neben Vorteilen (Platz im Auto und auf Schoß, Futterkosten) auch einen großen Nachteil: Sie finden immer wieder ein Loch im Zaun. Ihnen ist es ein lustiger Zeitvertreib, zum Nachbarn auszubüchsen und dessen Komposthaufen nach fressbarem abzusuchen.

Wenn uns heut jemand fragt, welcher Rasse die beiden angehören dann antworten wir, es seien Mischlinge aus Hrvatski Ovcar und Sarplaninac. Ob es stimmt wissen wir nicht, und sicher kann man den Stolz in unserer Stimme heraushören. Denn, auch wenn wir der Hoffnung auf große, mutige, sehr schöne und Eindruck-schindende Hunde beraubt worden sind, sind die beiden von unserem Hof nicht mehr wegzudenken. Es ist in der Handhabung oft schwierig und dennoch unheimlich spannend, zwei so extrem unterschiedliche Charaktere nebeneinander zu erleben – nimmermüdes Energiebündel Lucy und die ‚vernünftige’ Dunja.

Doreen Langer

Besuche auf unserer Farm sowie sachdienliche Hinweise sind herzlich willkommen.

Wasserbüffelfarm Dewitz (www.weichhan.de)