Ausgabe 04/2007
September + Oktober 2007

 

Kurzhaarige Cao da Sera Estrela

Oder endlich mal was erfreuliches

 

Foto: Mario Jessat

Eingeführt wurden unsere ersten zwei Estrela von der „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ unter Mithilfe der „Grupo Lobo“ aus Portugal. Da es in der Lausitz gelegentlich zu Wolfsübergriffen kam,  wurde ein Projekt geschaffen, Hirtenhunde wieder in die Herden zu bringen. Mein Schäferkollege Gerhard Baumann sowie ich hatten schon früher Hirtenhunde in oder an der Herde, daher waren wir natürlich begeistert. In unserer Gegend gibt es keine Wölfe, aber seit unseren  ersten Hirtenhunden sind uns keine Autobatterien, Stromgeräte, Pferchnetze, Schafe und vor allen Dingen Lämmer abhanden gekommen. ( und das waren einmal über sogar fast100 Stück im Jahr) Also kontaktierte  Schäfermeister Baumann die GzSdW und unsere Estrela - Welpen konnten kommen.

Foto: Mario Jessat

Unser erstes Ziel war, die Junghunde  nach einer Eingewöhnungsphase bei uns an die Schafherde und umgedreht zu gewöhnen. Wir hatten zwar schon zwei Kaukasinnen in den Herden, diese stellten sich  jedoch als furchtbar schlechte Lehrerinnen heraus. Futterneid und zu viel Beschäftigung mit den neuen, nicht ihren Welpen ließ unsere alten Damen nicht in Zuneigung schwelgen.  Also ohne sie und ganz von vorn.

Wir bauten den zwei jungen Hundekollegen  neben die Schafkoppel einen eigenes Freigelände, durch  das Sie jederzeit die Schafweiden betreten konnten. Die Umgebung war passend, ein Naturschutzgebiet mit fast 180 ha, betreten verboten für Menschen.(hält sich keiner dran) Nach längerer Suche hatten wir vorher zwei unverschämt teuere, leicht transportable Thermohütten besorgt, welche wir natürlich mit in das Hundegelände stellten

 

Foto: Mario Jessat

In diesem separaten Gehege brachten wir die Estrela Porto und Strella langsam mit Lämmern zusammen. In der ersten Zeit hatten wir auch Milchlämmer, also Lämmer, welche mit der Flasche großgezogen wurden. Das war natürlich passend. Nach und nach vergrößerten wir die Anzahl der Lämmer und fütterten die Estrela aus der Milchflasche mit den Lämmern zusammen. Dieses gemeinsame Füttern hatte einen guten Erfolg. Die Estrela - Welpen verloren schnell jegliche Aufregung den Lämmern gegenüber. Und zum Schluss zeigten die Lämmer ein größeres Interesse an den Hunden als umgedreht.

Danach gingen wir dazu über, auch die Mutterschafe mit den Estrela besser bekannt zu machen. Die Junghunde waren jetzt etwa 3 Monate. Wir brachten die Herde mit den Mutterschafen direkt neben die Hunde, getrennt durch einen Lämmerschlupf. In der einen die Mutterschafe, der andere betretbar nur für  Estrela und Lämmer durch den Lämmerschlupf. So hatten wir die Möglichkeit geschaffen, dass unsere Estrelas jederzeit die große weite Welt der Schafe erkunden konnten, aber auch eine gute Rückzugsmöglichkeit hatten.

Foto: Mario Jessat

Es klappte fast prima. Unsere mutigen Estrela - Welpen wechselten durch den Lämmerschlupf zu den Altschafen und waren mindestens so schnell oder schneller wieder zurück. Leider hatten doch einige der anwesenden Schafdamen überhaupt kein Verständnis dafür, das ihr Lämmchen so prima mit den Hunden zurecht kamen. Ich möchte die Eile des Rückzuges durch den Lämmerschlupf nicht unbedingt als Flucht bezeichnen. Trotzdem waren wir heilfroh, das wir den Welpen eine Rückzugsmöglichkeit geschaffen hatten und das unsere tapferen Hirtenhunde von nicht all zu viel Zuschauern gesehen wurden.  Und das der Lämmerschlupf für die Mutterschafe zu klein war.

Ich weiß nicht ganz genau, ob es meine Ansprachen wegen Feigheit vorm Feind und das gewünschte Verhalten eines HSH waren, oder einfach nur die Neugierde der Welpen, die Estrela kehrten zu den Schafen zurück. Heute, wo sie so würdevoll und stolz sind, vergesse ich diesen Beginn nie. Sie waren als Junghunde natürlich neugierig und aufgeweckt. Und einfach sturer  als Schafe. Eigentlich hatte es doch gut geklappt bisher. Die Junghunde spielten nicht mit den Lämmern, waren an das alleine sein gewöhnt und gingen den Angriffen der "wilden" Mutterschafe locker aus dem Weg.

Foto: Mario Jessat

Vor allen Dingen zeigten sie den Schafen gegenüber keinerlei Aggressionen. Und ihre Sturheit siegte. Irgend wann ließen sich die Schafe nicht mehr von den penetranten Besuchern Ihres Territoriums stören und fasten langsam aber stetig Vertrauen.

Die Lernphase nahm einen positiven Abschluss. Die Estrela lernten die Umgebung der Schafherde als ihr Territorium anzusehen, die Schafe verloren ihre natürliche Scheu.

Schön war natürlich, dass die Wacheigenschaften der Hunde von den ersten Tagen an nach Eingewöhnung bei uns vorhanden waren. Sie sind von Natur aus reserviert zu Fremden, betteln bei  Besuchern nicht um Streicheleinheiten und wurden  immer sicherer und sehr dominant. In den 3 Jahren an der Herde kam es aber nicht zu einem Beißunfall mit Menschen, was in erster Linie an den Hunden lag. Die Hunde verstanden es, klar ihr Territorium Fremden gegenüber abzugrenzen. Ihre Warnungen sind unmissverständlich, obwohl sie dabei niemals sofort zum Angriff übergehen. Nun hat ihnen die Erfahrung und auch unsere Unterstützung gezeigt, das drohendes Verhalten reicht. Sie lassen sich schnell durch uns beruhigen, ohne aber Besucher oder Spaziergänger auch nur einen Augenblick aus den Augen zu verlieren. Aber sie stellen die „Gefahr“ auch konsequent. Es gibt keine Falschheit, sie sind immer gleich in ihrem Verhalten.

Viel zu viel wird meiner Meinung nach in den Hirtenhund hinein interpretiert. In erster Linie sind  Estrela Berghunde erst einmal Hunde. Was auf diesen  Hirtenhunde zutrifft, trifft auch fast auf alle andere Hunde zu. Ich wollte zum Beispiel die Schafe als einzigen Bezug für meine Estrela machen. Das ist, denke ich, misslungen. Unsere Hunde bleiben zwar nachts an der Herde in der Koppel und wachen hervorragend. Weil natürlich ein Zaun herum ist. Sind wir dabei, bleiben sie natürlich auch an der Herde. Das machten aber auch andere Hunde von mir. Sie genießen tagsüber ihre Streicheleinheiten genau so gern wie unsere Hütehunde. Der Bezug sind wir Schäfer geworden. Freunde sind willkommen, auch wenn die Hunde etwas länger brauchen, Freundschaften zu schließen. Sind wir nicht dabei und lassen Sie frei laufen, werden die fast 180ha Naturschutzgebiet besucht und kontrolliert. Sie kommen aber immer zu den Schafen zurück. Das machten auch andere Hunde von mir. Der Unterschied besteht darin, das sich neuerdings im Naturschutzgebiet, (Betreten verboten) nicht mehr ganz so viel Vogelkundler und Wanderer aufhalten, bzw. die Wanderungen wurden vollständig eingestellt. Und da ja betreten verboten ist, konnte sich auch keiner beschweren, er wurde da unten im Tal von einem Hund vertrieben.

Harte Bestrafungen sind völlig tabu, sie vergessen nichts. Ein Welpe von uns wurde einmal von einem ihm bekannten Besuch an den Stromzaun gelockt. Dort bekam er einen Stromschlag und verband dieses mit dem Besuch. Zweieinhalb Jahre später ist dieser Kollege immer noch unten durch. Ich habe festgestellt, besonders bei den Hunden bei mir zu Hause, das konsequente Verbote und eine laute Stimme völlig ausreichen. Natürlich bekommt man einen angriffsbereiten ausgewachsenen Estrela nicht mit Leckerlie von dem Objekt seiner Begierde, doch meine reagieren selbst bei Rangordnungs-Gehabe mit anderen Hunden auf mich und lassen sich abrufen oder stoppen. Zu dem gibt ja auch noch Hütehunde an der Herde, gelegentlich auch mal einen neuen Rüden. Da müssen die Estrela den von uns gewünschten Burgfrieden akzeptieren und die neuen in Ruhe lassen. Auch wenn es ihnen sichtbar schwer fällt, gehört der neue doch nicht zur Herde. Aber auch das kenne ich von den Hütehunden.

Foto: Mario Jessat

Ich habe da einfach von Anfang an immer wieder eingegriffen und ihnen mein Missfallen oder meine Freude sichtbar gezeigt. Gerade in und für Stress - Situationen ist am Anfang der Aufbau von Vertrauen für sie zum Partner Mensch am wichtigsten. Meine Entscheidungen müssen akzeptiert werden und
dürfen dem Hund in keiner Weise schaden. Ich habe Porto 3 Jahre kein anderes Kommando als „komm her“ beigebracht. Trotzdem kommen wir in allen Situationen bestens zurecht.

Ich habe auch von so genannter Gradwanderung gelesen. Auf der einen Seite soll es ein wachsamer Hirtenhund sein, auf der anderen Seite ein friedvoller Mitbewohner unserer Gesellschaft. Das ist für mich keine Gradwanderung, das ist normal und möglich. Schließlich sind wir mit Wölfen und Bären dünn besiedelt. Wir haben immer versucht, bei uns keine Gefahren für Menschen aufkommen zu lassen. Wichtig erscheint mir, dem Hund das Beißen nicht zu lernen. Darin darf er nicht bestärkt werden, Hirtenhunde haben alle eine gewisse Kraft und Macht, unvorstellbar, das ich ihnen noch lerne, dieses einzusetzen. Immer versuchen wir, alles ein wenig zu händeln. Nachts sind die Hunde bei den Schafen in der Koppel. Da hinein sollte sich eigentlich niemand  verlaufen. Tagsüber sind sie in unserer Nähe. Dort haben wir Einfluss.

Foto: Mario Jessat

Festzustellen ist, das es seit den Estrela keinen Diebstahl mehr bei uns gibt und nächtliche Übergriffe auf die Schafe durch streunende Hunde aufgehört haben.

Besonders positiv ist, das sie langsam damit beginnen, festliegende Schafe (in der Lammzeit oder krank) vor den Angriffen der Krähen zu verteidigen. Leider betrachten sie das aber noch als Hobby, als lustigen Zeitvertrieb. Wir versuchen nun, dieses Verhalten zu bestärken. Was nicht leicht ist, leider fliegen die Krähen weg, wenn wir kommen. Aber wir haben Erfolge. Gut hat sich das füttern der Hunde neben dem Zaun, also knapp neben ihrer Koppel erwiesen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Hunde separat, also ohne Schafe. Die Krähen sind frech und holten sich das restliche Futter und die Hunde kamen nicht ran. So hat sich ein gewisser Futterneid gegenüber den Krähen aufgebaut. Als sich später ein Schaf im Zaun verfing, lag Strella davor und ließ keine Krähe an das Tier.

Foto: Mario Jessat

Sehr oft wurden wir gefragt, warum es der kurzhaarige Estrela sein sollte. Das ist ganz einfach. Nach Erfahrungen mit Kaukasen und Kuvasz, welche sich in unserem Hütegelände frei bewegen konnten , zogen wir in erster Linie einen Hund vor, bei dem sich die Kletten besser entfernen lassen. Übrigens haben sie auch die teuren Hütten nie betreten. Sie liegen lieber draußen, wie es sich für einen Hirtenhund gehört. Glaub ich.

Mario Jessat

www.cao-da-serra-da-estrela.de


Nachsatz: Ein großes Dankeschön an Mario Jessat, denn er werden nach unserer Meinung immer noch nicht genug Hirtenhunde von Schäfern eingesetzt. Braucht man die überhaupt? Man braucht sie, denn nicht in allen Gegenden Deutschlands tauchen Wölfe oder sogar ein Bär auf und das wird sich auch in Zukunft nicht viel verändern. Aber in allen Gegenden Deutschlands klagen Schäfer über Diebstahl.

Ein altes Sprichwort aber sagt: Mit Hund wäre das nicht passiert.


Hartmut Deckert