Ausgabe 09/2006
September + Oktober 2006

Urlaubsbilder von Kothaufen mit Bucheckern

Bären, Wölfe und Luchse locken Naturtouristen in die Karpaten 

Unübersehbar liegen die Kothaufen mitten auf dem steinigen Waldweg in den rumänischen Karpaten. Rotbraun stechen die fast unverdauten Bucheckern-Bruchstücke aus der dunkelbraunen Masse ins Auge. "Bären sind schlechte Futterverwerter, deshalb erkennt man ihre letzte Mahlzeit sofort im Kot", erklärt Christoph Promberger im bayerischen Tonfall den neugierigen Touristen, die gerade durch teure Objektive die Exkremente analog auf Zelluloid oder digital auf Chips bannen.

Auf Bärenkot trifft man überall in den rumänischen Karpaten -
bei mehr als fünftausend Bären ist das auch kein Wunder
Foto: Roland Knauer

Der Forstwirt lebt mit seiner Frau, der österreichischen Biologin Barbara Promberger-Fürpaß, in der Nähe der Kleinstadt Zarnesti. Im Herzen Transsilvaniens untersuchen die beiden Forscher, wie fünftausend Bären, dreitausend Wölfe und zweitausend Luchse mit den fünf Millionen Menschen auskommen, die in den rumänischen Karpaten leben. Und manchmal führen die beiden Wissenschaftler und Naturschützer auch kleine Gruppen von Naturtouristen aus Deutschland und der Schweiz, aus Österreich oder Großbritannien zu den Kothaufen in den Wäldern.

Die Menschen aus Mittel- und Westeuropa kommen aus dem gleichen Grund in den Osten des alten Kontinents wie die beiden Forscher. Sie wollen mit eigenen Augen die Region sehen, in der Großraubtiere noch heute genauso zum Alltag gehören wie sie im Mittelalter überall in Europa Bestandteil des täglichen Lebens waren. Stilecht ziehen dann auch zwei stämmige Pferde den Holzwagen mit der Touristengruppe durch die weiten Blumenwiesen in einem Tal, das im Sommer vor Orchideen wimmelt.

Mit dem Pferdefuhrwerk fahren Naturtouristen
umweltfreundlich zu einem Ausflugsziel
vorne Christoph Promberger
Foto: Roland Knauer

Das Pferdefuhrwerk ist allerdings nicht etwa extra für die Touristen wieder aus dem Bauernmuseum ausgemottet worden. Auf den Landstraßen Transsilvaniens hält sich die Zahl der von einem oder zwei Pferden gezogenen Wagen vielmehr in etwa mit der Zahl der Kleinlaster die Waage: Im Durchschnitt schaukelt auf einer normalen Ortsverbindungsstraße einmal in der halben Stunde jeweils ein Fahrzeug irgendwelche Waren vom Heu bis zu Auto-Ersatzteilen durch die Gegend.

Auch die roten Bommeln am Zaumzeug der Pferde sollen nicht etwa nur als bunter Blickpunkt auf den späteren Erinnerungsphotos dienen, sondern sind unentbehrlicher Bestandteil der Fahrzeugsicherheit: Sie halten böse Geister ab. Kaum zwanzig Kilometer vom Schloss im einstigen Toerzburg und heutigen Bran entfernt, in dem alljährlich eine viertel Million Touristen den Spuren von Graf Dracula nachspüren, leuchtet ein solches Sicherheitsdetail auch den Touristen sofort ein, die von Geistern und Vampiren ansonsten wenig halten.

Die roten Bommeln
Foto: Roland Knauer

Thema der Studienreise ist jedoch nicht die Vampir-Welt Transsilvaniens, die in einem Halbtagesbesuch am Rande natürlich ebenfalls abgehandelt wird. Die Kamera-bewaffneten Naturtouristen wollen vielmehr in das Patchwork der hell- und dunkelgrünen Flecken eindringen, als das sich der Mischwald an den Hängen über den Blumenwiesen präsentiert. Dort erinnern knorrige alte Buchen an die Urwälder, die laut Tacitus einst auch Germanien bedeckten. Schweißströme demonstrieren rasch, dass schwülheiße Sommertage in Rumänien mindestens so häufig wie in Oberbayern oder der Po-Ebene auftreten. Im Dämmerlicht des Waldes ist es nicht einfach, durch den Schweißfilm Exkremente so zu fixieren, dass hinterher gestochen scharfe Bilder den Zuhause Gebliebenen zeigen, wie die Hinterlassenschaft eines Braunbären denn so aussieht. Zum Glück ist die Bärenkot-Dichte in den Wäldern um die Stadt Zarnesti ähnlich hoch wie die Hunde-Kot-Haufen auf deutschen Großstadt-Gehsteigen. Man findet also reichlich Gelegenheit die Objekte abzulichten, für die kein Photo-Handbuch nützliche Tipps zur Ausleuchtung und Filterwahl gibt.

Im noch feuchten Schlamm neben einer Pfütze zeichnet sich die Spur einer mächtigen Tatze ab. Um die Furchen gut ins Bild zu setzen, die drei Krallen in den Schlamm gerissen haben, empfiehlt es sich, die Szenerie mit einem Blitz aufzuhellen. Ein wenig Leben kommt in die Bilder, wenn Christoph Promberger dann an einem bis in Kopfhöhe entrindeten Baum demonstriert, wie der Bär sich hier Parasiten vom Rücken schrubbt. Ein Stückchen höher noch die Kratzspuren der ausgestreckten Vorderpranken, die etwaigen Rivalen des Braunbären zeigen, wie groß und damit auch wie stark der Hausherr ist. Ein kleinerer Bär trollt sich angesichts solcher Machtdemonstration meist ähnlich rasch wie ein renitenter, aber schmächtiger Diskobesucher vor dem bulligen Rausschmeißer flieht.

Bei einer solchen Fülle von Spuren glaubt man Christoph Prombergers Behauptung "nirgends in Europa leben so viele Braunbären, Wölfe und Luchse auf so engem Raum zusammen wie in den rumänischen Karpaten". Und genau das ist auch der Grund, aus dem Heinz Stalder vom World Wide Fund for Nature (WWF) in der Schweiz das Carpathian Large Carnivore Project (CLCP) von Christoph und Barbara Promberger kräftig unterstützt: In der Schweiz lösen zwei oder drei Wölfe, die sich ab und zu an weidenden Schafen vergreifen landesweite Diskussionen aus, die ähnlich kontrovers enden wie die seit Jahrzehnten wie ein Damokles-Schwert über den Eidgenossen schwebende Frage eines Beitritts zur Europäischen Union. Der WWF fürchtet, das Pendel könnte rasch von Artenschutz in Richtung Wolfsjagd ausschlagen. Deshalb möchte Heinz Stalder wissen, wie sich die Menschen in Transsilvanien mit erheblich mehr Vertretern des Raubtier-Trios aus Wolf, Bär und Luchs arrangieren.

Auch die Naturtouristen können sich über dieses Thema informieren, wenn sie einen der vielen Schäfer in Transsilvanien besuchen. "Erst letztes Jahr hat ein Bär meinen zweihundert Kilo schweren Eber weggeschleppt," erzählt Iustin Pruna.

Sogar eine zweihundert Kilogramm schwere Sau
kann ein Bär davon schleppen
Foto: Roland Knauer

Das ist ein herber Verlust für den lebensfreudigen Schäfer, dem man sofort ansieht, dass er Schnaps, Wein und gutes Essen durchaus zu schätzen weiß. Denn ohne männliche Schützenhilfe werfen die beiden ebenfalls gut vier Zentner wiegenden Muttersauen keine Ferkel, die Iustin Pruna entweder gewinnbringend verkauft oder noch lieber am Spieß über dem Lagerfeuer grillt. Ein solcher Lagerfeuer-Abend mit Lamm am Spieß über dem offenen Feuer ist übrigens ein weiterer Höhepunkt der meist einwöchigen Studienreisen in die Gegend von Zarnesti.

Iustin Pruna
Foto: Roland Knauer

Die Bauern in Transsilvanien sind noch weitgehend Selbstversorger, entdecken die Naturtouristen in der Schäferei rasch. Im Winter leben die Familien mit ein paar Schweinen und vielleicht zwanzig Schafen im Tal. Im Sommer aber brauchen sie die herrlichen Blumenwiesen dort, um Heu zu machen. Noch immer mähen sie mit Sensen die Wiesen und sichern so die bunte Blumenpracht und die Artenvielfalt. Denn das Mähwerk eines Traktors ebnet mit der Zeit die kleinen Sandhügel ein, auf denen zum Beispiel der Thymian wächst, der Trockenheit gut verträgt. In der Senke daneben wächst oft genug eine Schwertlilie aus dem Minisumpf, der von einem Mähwerk rasch zugeschüttet würde.

Die Schafe stellen die Bauern daher zu mehreren großen Herden mit jeweils knapp tausend Tieren zusammen, die Iustin Pruna und andere Schäfer auf die Almen in Höhen über 1400 Metern unter den schroffen Gipfeln der Südkarpaten treiben. So gehören Iustin Pruna von insgesamt 940 Schafen nur 180 selbst. Dazu kommen die Schweine, denen zur Zeit der Eber fehlt. Und ein paar Wasserbüffel, einige Rinder – Iustin Pruna ist für die Verhältnisse in Transsilvanien relativ wohlhabend.

Fünf weitere Schäfer in Diensten von Iustin Pruna melken zwei mal täglich die Schafe im Akkord. Einer treibt die Tiere in einen großen Pferch und von dort drängt er eine kleine Gruppe mit vielleicht sechzig oder achtzig Tieren in einen kleinen Pferch, der genau vier Ausgänge hat. Hinter diesen Ausgängen sitzen die anderen vier Schäfer unter einem Dach, das sie vor der prallen Sonne Rumäniens schützt. Sobald ein Schaf an ihnen vorbei schlüpfen will, packen sie es am Hinterbein und beginnen eifrig zu melken. Damit ist gleichzeitig der Weg für alle nachdrängenden Tiere versperrt, während die Kameras der Naturreisenden eifrig klicken. Erst wenn das vordere Schaf ausgemolken ist und weiterlaufen darf, kommt das nächste Tier zum Melker. Eine Art Fließband samt Akkord-Arbeit wurde also längst vor Henry Ford in Detroit Jahrhunderte früher irgendwo in Transsilvanien erfunden.

Aus der Milch macht Iustin Pruna Käse, von dem ein Teil an die Besitzer geht, während der Rest als Lohn für die Schäferarbeit vom Oberschäfer verkauft wird. Im Prinzip funktioniert das Geschäft recht gut, wenn nur die Wölfe und Bären nicht wären. Vor allem die Wölfe holen gerne einmal ein oder mehrere Schafe. Dagegen aber wehrt sich der Schäfer natürlich mit einigen Tricks. So lässt er immer einige Hundewelpen bei seinen Mutterschafen säugen. Die Hunde lernen die Schafherde daher als ihr Rudel kennen, das sie im Notfall mit aller Kraft verteidigen. Normalerweise trotten die Tiere träge inmitten der Grasfresser mit. Greifen aber Wölfe an, attackieren sie diese vehement. Da die Schäfer ihren Hunden auch noch ein Lederband mit massiven, nach außen ragenden Eisennägeln um den Hals binden, haben die Raubtiere keine Chance, ihren tödlichen Biss in die Kehle anzubringen. Meist gehen daher die sonst so trägen Hunde als Sieger aus einem solchen Angriff hervor.

Hundehalsband
Foto: Roland Knauer

"Meine Schäfer schlafen nachts mit offener Tür," erklärt Iustin Pruna einen weiteren Trick: So können die Wölfe den Menschengeruch leicht aufschnappen, den sie so sehr hassen, dass sie sich prinzipiell möglichst fern von allem halten, was mit "Mensch" zu tun hat. Außerdem hören die Schäfer so auch im Schlaf einen angreifenden Bären und eilen im Notfall ihren Hunden rasch mit einer Fackel zu Hilfe. "Die Raubtiere holen trotzdem einige Tiere, aber damit müssen wir leben," berichten die Schäfer den Touristen.

Barbara und Christoph Promberger wollten es genauer wissen: "Wovon ernähren sich die großen Raubtiere? Wie leben sie überhaupt?" "Wie viele Schafe und Schweine holen sie?" Diese Fragen wollten die beiden Wissenschaftler gemeinsam mit dem Wildbiologen Ovidiu Ionescu und anderen Mitarbeitern klären. Auf die Hilfe von Ovidiu Ionescu müssen sie inzwischen verzichten, der ist nämlich Staatssekretär im Umweltministerium der Mitte-Links-Regierung in Rumänien geworden. Jetzt läuft das Projekt ohne ihn, dafür aber mit kräftigem Rückenwind der Regierung weiter.

Fünfzehn Wölfe, einige Bären und ein paar Luchse haben die Wissenschaftler zwischenzeitlich betäubt, untersucht und mit einem Radiosender versehen wieder freigelassen. Jetzt können sie die Tiere mit einer Peil-Antenne orten und so feststellen, wo sie gerade sind. Einen Tag begleiten die Naturtouristen dann auch die Forscher mit der Peil-Antenne und beobachten, wie diese Telemetrie genannte Methode funktioniert. Hält sich ein Wolfsrudel zum Beispiel länger an einem Ort auf, könnte es Beute gemacht haben. Nachdem das Rudel verschwunden ist, können die Wissenschaftler dann nach den Resten der Beute suchen. Im Laufe der Zeit lernt man so, welche Tiere die großen Fleischfresser vor allem erbeuten.

Foto: Roland Knauer

Wölfe hetzen meist Rothirsche, aber auch gerne mal ein Wildschwein, hat Barbara Promberger so heraus gefunden. Der Luchs dagegen lauert vor allem Rehen auf, versucht sich aber auch hin und wieder an einer Gemse. Der Bär dagegen entpuppt sich als überwiegender Vegetarier, frisst Gras, Bucheckern, Himbeeren und plündert auch so manchen Obstgarten. Eine Riesenüberraschung brachte allerdings die Telemetrie von kleinen Wolfsrudeln mit nur drei oder zwei erwachsenen Tieren. Offensichtlich hat ein recht kleines Rudel sehr schlechte Chancen einem Rothirsch den Fluchtweg abzuschneiden. Also verlegen sich diese Minirudel auf die vielen wildernden Hunde, die aus den Städten und Dörfern Transsilvaniens in die Wälder rennen, um dort Kleintiere zu jagen.

Wie viele Tiere aber ein Schäfer durch die Großraubtiere tatsächlich verliert, lässt sich mit Telemetrie kaum messen. Dazu muss Annette Mertens, eine weitere Mitarbeitern beim CLCP, regelmäßig die Schäfer interviewen. Mit einigen Tricks bekommt die Wissenschaftlerin rasch heraus, ob die Schäfer ihr einen Bären aufbinden wollen, während sie ein Schaf selbst am Lagerfeuer verspeist haben. 1,5 bis zwei Prozent der Schafe holen Großraubtiere jedes Jahr aus einer Herde. Für zwei Drittel dieser Verluste sind Wölfe verantwortlich, der Bär holt das restliche Drittel, während der Luchs gegen die Hunde keine Chance hat.

Rumänische Hirtenhunde
Foto: Wolfgang Stasch

Die natürlichen Verluste durch Abstürze oder Krankheiten sind höher. Die Schäfer sehen das natürlich anders und klagen sehr über die zusätzlichen Verluste. Da die Mitarbeiter vom CLCP nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Naturschützer sind und ihr Studienobjekt vor dem Abschuss retten wollen, sinnen sie auf bessere Abwehr-Maßnahmen.

Fast vollständige Sicherheit bringt ein Elektrozaun, der mit Hilfe einer Autobatterie betrieben wird, hat Annette Mertens herausgefunden. Zehn Schäfer haben ihre Herden im letzten Jahr nachts mit einem solchen Zaun geschützt und einen überzeugenden Erfolg erzielt: Ganze zwei Tiere haben Raubtiere geholt – und da hat der Zaun nicht funktioniert, weil zum Beispiel die Batterie leer war. Ansonsten machen Wölfe und Bären einen riesigen Bogen um solche Zäune, nachdem sie völlig unverhofft ihren ersten elektrischen Schlag erhalten haben.

Elektro-Zäune
Foto: Roland Knauer

Iustin Pruna jedenfalls würde sich einen solchen Zaun auch auf eigene Kosten anschaffen, wenn Annette Mertens tatsächlich das Angebot einer deutschen Firma realisieren kann, für dreihundert Euro einen Hektar einzäunen zu können. Fünfzig Euro bringt ihm ein Schaf auf dem Markt. Sowohl nach den Erhebungen von Annette Mertens wie auch aus eigener Erfahrung rechnet der Schäfer mit mindestens zehn gerissenen Schafen im Jahr – da rentiert sich die Investition schnell.

Aber warum die teure Investition machen, wenn man die Raubtiere doch auch abschießen kann, werden sich die Menschen in Transsilvanien irgendwann fragen. "Die Menschen werden Wölfe, Bären und Luchse nur akzeptieren," erklärt Christoph Promberger, "wenn sie selbst etwas von den Tieren haben." Geld verdienen aber kann man die den Raubtieren nur, wenn Touristen aus dem Westen kommen und sie bewundern. Gerade in Zarnesti müssten Reisende sehr willkommen sein, dachten sich Christoph und Barbara Promberger angesichts der wirtschaftlichen Situation. Vor der Wende in der Weihnachtszeit 1989 hing die Stadt wirtschaftlich vollständig von einer Papier- und einer Munitionsfabrik ab. Heute haben die Waffenfabrikanten längst die Werkstore geschlossen und die Papierfabrik ist auf jeden Fall näher am Bankrott als in der Gewinnzone. Die Hälfte der Menschen in Zarnesti ist arbeitslos, neue Chancen bieten sich abgesehen vom Tourismus keine.

Lepsarianische Gastronomie
Foto:
www.karpatenwilli.com

Einzelne nutzen diese einzige Chance inzwischen, bauen zwei oder drei Zimmer in ihrem Haus zu Fremdenzimmern aus. Die Prombergers geben wichtige Tipps und sorgen so für einen Mindeststandard: Eigene Dusche und WC ist schließlich in Rumänien noch lange nicht Standard – in Zarnesti dagegen schon. Die Mühe lohnt sich: 1997 kamen ganze acht Reisegruppen mit bis zu sechzehn Touristen in das Land der Großraubtiere, 2001 waren es bereits 75 Gruppen, im Jahr 2002 soll die Hunderter-Marke fallen. Wer 1997 noch mit drei dieser holzverkleideten Zimmer angefangen hat, die keinen Vergleich mit deutschen Pensionen scheuen müssen, besitzt heute eine Pension mit 16 oder 17 Zimmern.

Das ist der Unterschied zu so manchem Ökotourismus-Projekt: In Transsilvanien funktioniert der Naturtourismus. 150 Arbeitsplätze wurden geschaffen, vom Pferdefuhrwerk-Besitzer bis zum Fremdenführer. Im Winter werden Schneeschuh-Wanderungen angeboten, im Sommer Reittouren. Ein Fahrradverleih hat aufgemacht. Der Souvenir-Laden allein garantiert mit selbstgestrickten Pullovern und Holzschnitzereien, die auf Mini-Balkonen mit Karpaten-Blick im Plattenbau gefertigt werden, inzwischen 65 Menschen den Mindestlohn. Zweihunderttausend Euro bleiben jedes Jahr durch den Tourismus in der Gegend, der Schutz der Schäfereien dagegen kostet allenfalls fünfzigtausend Euro. Die Großraubtiere rentieren sich, haben die Menschen in Zarnesti gelernt.

Foto: www.karpatenwilli.com

Nur sehen wollen die Touristen die Raubtiere auch. Ein Großraubtierzentrum wollen die Prombergers im Jahr 2003 bauen. In riesigen Gehegen sollen sich Wölfe, Bären und Luchse, aber auch ihre Beutetiere tummeln. In Verstecken kommen Amateur-Fotografen für zehn Euro Zusatzentgelt garantiert zum Schuss mit der Kamera. Ein solches Zentrum wäre einmalig in Europa, würde aber auch 1,5 Millionen Euro kosten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Berlin überlegt zur Zeit, ob diese Investition sinnvoll ist, die sich langfristig vielfach rechnen dürfte. Denn ins benachbarten Dracula-Schloss kommen alljährlich eine Viertel Million zahlende Besucher. Das Großraubtierzentrum aber wäre schon mit hunderttausend Besuchern in den schwarzen Zahlen.

Foto: Roland Knauer

Bis es soweit ist, schleichen die Touristen in kleinen Gruppen am späten Nachmittag zu einem komfortablen Hochsitz. Mucksmäuschenstill sitzt man stundenlang im Versteck. Nicht einmal fotografieren ist erlaubt, da das Klicken den Bären verscheuchen könnte, den ein Pferde-Hinterteil anlocken soll. Mit ein wenig Glück kommt er dann, der Bär. Und die Reise hat sich gelohnt, denn wo sieht man schon einen freilebenden Bären in Europa?

Service

Wer sich vorab schon ein wenig über Reisen nach Rumänien informieren will, findet im Reise-Handbuch Rumänien, erschienen im Conrad Stein -Verlag, für 14,90 Euro umfassende Informationen für Individual-Reisende.

Informationen zum Großraubtierprojekt des CLCP findet man in englischer Sprache unter http://www.clcp.ro.

Text: Roland Knauer

Wir bedanken uns für den Text und die Bilder bei Roland Knauer. Aber unser Dank geht natürlich auch an Wolfgang Stasch, der einige Hirtenhunde-Bilder in Rumänien extra für unsere Redaktion gemacht hat. Und empfehlen wollen wir allen Rumänien Freunden und denen, die es noch werden wollen, die Seite von Karpaten-Willi. Etwas ausführlicheres gibt es wahrscheinlich im Internet nicht.

Hartmut Deckert