Ausgabe 05/2005
Mai 2005

Nun haben sie sich selbst gefangen ...

... in ihrer Welt der "Herdenschutzhunde", in der man nur leben, oder Mitglied sein kann, wenn man über die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt und Besitzer/in eines entsprechend großen Grundstückes ist.

Foto: Hartmut Deckert

Mit gefangen meine ich: sie schufen erst den Mythos der "Herdenschutzhunde" und stellten die Behauptung auf, man könne derartige Hunde nur in geeignete Hände geben und bräuchte dazu quasi den "großen Befähigungsnachweis" und nun sitzen genau diejenigen auf diesen Hunden, für die dieser Mythos geschaffen wurde, um ihre Besonderheit zu unterstreichen.

Wenn man es mit derartig ausgefallenen Hunden zu tun hat, braucht man natürlich Menschen, die um diese besonderen Eigenschaften wissen und dann solche Hunde richtig behandeln und vor allem vermitteln können. Während es eine ganze Reihe von Tierheimen und anderen Tierschutzeinrichtungen gibt, die neben ihren anderen Hunden gelegentlich einen Hirtenhund in der Vermittlung haben, mussten für die "besonderen Herdenschutzhunde" auch entsprechende Vermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Vereine wurden gegründet die sich dann z. B. "Tier und Mensch - Hilfe für Herdenschutzhunde" nennen. "Herausragende Persönlichkeiten" waren und sind Ira Vakulic und Mirjam Coordt, Gründerinnen von "Tier und Mensch", oder Ursula Gericke vom Tierheim Ludwigsburg, die dann die "Mutter der Herdenschutzhunde" in der Hundezeitung genannt wird.

Wie absurd die Meinung dieser Leute ist und wie sie eine rasche Vermittlung nur behindert, soll an einigen Beispielen gezeigt werden.

"Chico 

'Chico' ist ein 4 Jahre alter Kaukasischer Owtscharka, ein Herdenschutzhund. Er wurde Mitte August im Tierheim abgegeben. Bis dahin hat er von Welpenalter an mit einer Familie im Haus gelebt. 

Im Tierheim zeigt er sich freundlich. Er ist sehr verschmust und anhänglich. Da er wegen Problemen mit den Kindern bei uns abgegeben wurde, sollte er nicht in einen Haushalt mit Kindern vermittelt werden.

Als Herdenschutzhund sollte "Chico" auf jeden Fall in sachkundige Hände abgegeben werden. Die Person sollte am besten schon Erfahrungen mit Herdenschutzhunden gesammelt haben."

Abgesehen davon, dass nicht geschrieben wurde, worin die Probleme mit den Kindern bestanden, soll Chico jetzt nur noch zu einer Person und die muss den richtigen Sachverstand haben. Schade eigentlich, dass jetzt alle anderen Plätze nicht mehr in Frage kommen und so wird er noch eine Weile im Tierheim stehen.

Ein anderes Beispiel ist Benni, Kaukase, Rüde/kastriert, geb. ca. 1998:

"Benni ist freundlich zu vertrauten Personen, er versteht sich gut mit Hunden, Katzen mag er nicht. In seinem Territorium wird er rassebedingt sehr wachsam, gesucht werden Menschen mit HSH-Erfahrung, ein eingezäunter Garten muss vorhanden sein."

Auch Benni hätte sicher eine um einiges größere Vermittlungschance, wenn nicht die üblichen Bedingungen gestellt würden und nicht mal wieder das Märchen vom Territoriumswächter verbreitet würde. Im übrigen ist er noch nicht mal wachsam, er wird es erst und daher kann man ihn nur beherrschen, wenn man eben diese "HSH-Erfahrungen" hat.

Den folgenden Hund kenne ich noch persönlich, obwohl ich seit rund drei Jahren das Tierheim Ludwigsburg nicht mehr betrete. Es handelt sich um Cindy, Mittelasiate, Hündin/kastriert, geb. ca.1996.

"Cindy ist eine typische Mittelasiatische Owtscharkahündin. Sie hat sehr ausgeprägte Herdenschutzeigenschaften, ist Fremden gegenüber sehr skeptisch, ihren Lieblingsmenschen aber sehr treu und anhänglich. Sie ist etwas scheu und sehr eifersüchtig. Jeder Herdenschutzhundekenner und -Freund wird diesen Hund mögen."

Auch hier wieder nur an Kenner zu vermitteln. Dazu kommt dann allerdings erschwerend, dass die gemachten Angaben nicht stimmen. Cindy ist nämlich keinesfalls eine typische Owtscharkahündin, sondern eine ziemlich hinterlistige und unberechenbare dazu. Ihr Verhalten war immer schon von Unsicherheit und Angst geprägt. Sollten so alle Owtscharkas sein, dann gehören diese Rassen mit einem Zuchtverbot belegt und einen Wesenstest würden sie auch nie bestehen. Wenigstens ich kenne Mittel - oder Centralasiaten ganz anders. Und daher kann ich behaupten, Kenner dieser Rasse würden sie als untypisch einstufen und sicher nicht besonders mögen, um bei der Wortwahl des Tierheimes zu bleiben.

Cindy steht seit mindestens drei Jahren im Tierheim, vermutlich aber noch länger.

Auch beim nächsten Beispiel habe ich mich gefragt, ob die Leute, die solche Texte für eine Vermittlung verfassen, eigentlich gar nicht merken, welchen "Stuss" sie sich zusammenschreiben. Denn die gemachten Angaben stimmen nun mal nicht mit den "Rasseeigenschaften" überein und daher sollten sich eigentlich alle Kuvasz - Züchter gegen solche "dümmlichen Behauptungen" wehren.

Es geht um Gismor, Kuvasz, Rüde kastriert, geb. 11.02:

"Gismor soll nach Angaben seiner Vorbesitzer ein problematischer Hund sein. Bei uns war er anfangs ängstlich, hat sich aber schnell eingelebt und zeigt sich hier als gelehrig, verspielt, noch ziemlich albern und sicher weder besonders dominant noch aggressiv. Er ist ein typischer Herdenschutzhund, wachsam und etwas eigenwillig, hängt aber sehr an seinen Bezugspersonen und verträgt sich auch mit den meisten Hunden. Gesucht wird ein souveränes Herrchen mit HSH-Verstand. Viel Zeit für eine sorgfältige Ausbildung sollte vorhanden sein, ein eingezäunter Garten wäre schön, ideal wäre eine selbstbewusste, große Hündin."

Falls es auch ein Frauchen, zur Not auch ohne "HSH-Verstand", sein dürfte und eine nicht so selbstbewusste und große Hündin, käme Gismor sicher schneller unter und besonders unglücklich würde er dabei auch nicht. Und wenn er ein typischer "HSH" wäre, wollte ich lieber einen Hirtenhund, denn rassetypisch ist seine Beschreibung wirklich nicht.

Ein besonderer Fall ist Rocky, Sarplaninac, Rüde/kastriert, geb. ca.2000:

"Rocky ist ein extrem kräftiger und wachsamer Sarplaninac. Der neue Besitzer sollte sowohl körperlich als auch mental sehr stark sein, da Rocky ihn sonst kaum akzeptieren wird.

Viel Hundeverstand und Geduld ist erforderlich, denn Rocky ist noch nicht sehr gut erzogen aber lernfähig.

Rocky zeigt sich ihm bekannten Personen sehr verschmust und regelrecht charmant. Auch wenn er auf seinem Grundstück sehr wachsam ist, würde er sicher nach einiger Zeit auch andere Tiere darauf dulden. Für ihn wird eine Familie ohne Kinder gesucht, die möglichst schon HSH-Erfahrung hat. Ansonsten zeigt sich Rocky kooperativ, sehr gut leinenführig, auch albern und verspielt."

Auch Rocky "sitzt" nun schon einige Jahre im Tierheim und an seiner Beschreibung hat sich nichts verändert. Einiges an diesem Text gehört aber klar gestellt. Zuerst mal ist er kein extrem kräftiger, sonder ein körperlich völlig normaler Sarplaninac. Und an seiner extremen Wachsamkeit habe ich gezweifelt, denn ich habe sie nicht bemerkt.

Die Beschreibung, er sei nicht sehr gut erzogen, aber lernfähig, ist stark untertrieben. Rocky ist im Grunde ein völlig normaler Hund. Leider haben aber im Tierheim der "Mutter der Herdenschutzhunde" die Betreuer und Ehrenamtlichen anscheinend zuviel Angst oder Respekt vor ihm. Rocky war, solange ich ihn im Tierheim gesehen habe, futterneidisch. Nur wo ist da ein Problem? Als Gane zu uns kam, sagte sein Züchter, er sei perfekt, aber er habe einen Fehler, FUTTERNEID. Am zweiten Tag war Gane nicht mehr futterneidisch und ist es bis heute auch geblieben. Rocky wurde immer getrennt von seinen Zwingergenossen gefüttert. So lernt er es nie.

Und mein Freund Maik sagt, man könne mit Rocky ganz gut laufen, nur müsse man ihm gleich bei Beginn des Spazierganges sagen, wie der ablaufen soll. Würde ihm dann noch jemand sagen, wie man mit Kindern umgeht, könnte der "Gelbe" ganz normal vermittelt werden. Denn doof ist er nicht, nur Weltmeister im Verar…. von Menschen.

Sarplaninac Welpen im Tierheim Ludwigsburg
Foto: Hartmut Deckert

Auch der nächste "Herdenschutzhund kann nur an Fachleute abgegeben werden. Es ist: Tango, Tibet Mastiff, Rüde, kastriert, geb. 2001:

"Tango hat bereits 8 mal seinen Besitzer gewechselt, er hat sicher mehr schlechte als gute Erfahrungen mit Menschen gemacht und braucht jetzt ein absolut zuverlässiges Zuhause, vorzugsweise bei einem Kenner der Rasse. Ein eingezäunter Garten sollte vorhanden sein, mit Hunden kommt Tango gut zurecht."

Man stelle sich mal vor, da kommt ein völlig normaler Mensch in das Tierheim, der Tango gerne hätte, aber leider nicht über die gewünschten "HSH-Erfahrungen" verfügt. Pech gehabt, dann bleibt er eben hier.

Ebenso, wie übrigens der nachfolgende "HSH",

"Der Mastin Espanol-Rüde Luigi ist sehr freundlich zu Menschen und auch Artgenossen, mag jedoch keine Katzen. Da er alle HSH-typischen Eigenschaften zeigt, wird eine HSH erfahrene Familie mit Haus und Garten gesucht."

Wer schreibt, ein Hund sei freundlich zu Menschen und Artgenossen und dann immer noch spezielle Kenntnisse verlangt, sollte mal seine Einstellung überprüfen und sich darüber Gedanken machen, ob es bei ihm selber an den verlangten Bedingungen hapert.

Ein besonders trauriges Kapitel stellt der folgende Hund dar. Er ist eigentlich kein "Herdenschutzhund", sondern ein Typ von einem solchen, sogar so einem, den es gar nicht gibt. Daher die Beschreibung des Tierheimes Ludwigsburg, bzw. der Tierheimleiterin Ursula Gericke:

"Pascha, Typ Karshund, ist ungefähr vier Jahre alt, kastriert, Ohren leider kupiert. Er hat schon einiges erleben müssen, so hat er unter anderem einen Schrottplatz an der Kette bewacht. Er erweist sich als recht agil, äußerst clever, sehr gelehrig, gut erzogen und sozialisiert. Besitzt ansonsten die typischen HSH-Eigenschaften. Ideal wäre für Pascha jemand, der Erfahrung mit den rassespezifischen Verhaltensweisen besitzt, der außerdem vielleicht schon eine souveräne Hündin, einen großen Garten und zudem viel Zeit hat."

Wer sich mal das Bild dieses Hundes anschaut, wird erhebliche Zweifel an der Rassezugehörigkeit bekommen, zumal es einen Kars-Hund nicht gibt. Wenn denn schon Türke, wäre er entweder ein Kangal, oder ein anatolischer Hirtenhund. Beides trifft aber nicht zu. Und was ein Hund vom Typ Karshund sein soll, ist mir schleierhaft. Daher ist der liebe Pascha sehr wahrscheinlich ein Mischling.

Trotzdem besitzt er die HSH-typischen Eigenschaften. Seine wundersame Verwandlung in einen HSH sorgt sicher auch dafür, dass er seit mindestens einem Jahr im Tierheim und auf diversen Vermittlungsseiten zu finden ist. Sollte jemand an ihm Interesse haben, kann er getrost die geforderten Bedingungen vergessen und dem Hund einfach das bieten, was jede Rasse oder jeder Mischling benötigt, ein Haushalt voller normaler Menschen, ohne die "Forderungen" einer Tierheimleiterin. Und noch etwas ist mir aufgefallen. Wenn Pascha so ist, wie er beschrieben wurde, warum soll er dann zu einer souveränen Hündin? Eher umgekehrt würde ein Stiefel draus.

Die nachfolgenden Beschreibungen habe ich abgeschrieben beim Verein "Tier und Mensch". Auch hier Widersprüche und Ungereimtheiten im Dutzend billiger. Und alle Hunde gehen nur an HSH erfahrene Menschen. Meine Frage in diesem Zusammenhang wäre dann lediglich, sind denn diese Leute alle mit dieser HSH Erfahrung auf die Welt gekommen, oder war die in der Muttermilch drin?

"Kaylash ist eine 4jährige Anatolische Hirtenhündin, die direkt aus der Türkei mitgebracht wurde. Nachdem sie Welpen hatte und die Familie nicht mehr mit ihr zurecht kam, wurde sie im Juli 2000 ausgesetzt und lebt seitdem im Tierheim. Sie ist Kindern gegenüber freundlich und bei Fremden ist sie misstrauisch bis freundlich - je nach Sympathie. Ihren Bezugspersonen gegenüber ist sie sehr verschmust. Kaylash hat einen ausgeprägten Schutzinstinkt und Jagdtrieb, verträgt sich zwar mit Rüden, ist aber sehr dominant. Für Kaylash wird ein neues Zuhause gesucht, das auf jeden Fall Hundeerfahrung und am besten Erfahrungen mit HSH hat."

Auch Apollo mit seinen 10 Jahren auf dem Buckel braucht sicher nur eines, Platz und die nötige Ruhe, die ein älterer Hund sich wünscht, keine beengten Verhältnisse und völlig "normale" Menschen. Dies lese wenigstens ich aus dem Text zu ihm. Oder:

"Apollo ist (mit Unterbrechung) seit September 2002 im Tierheim. Er war bereits ein Mal vermittelt, musste aber aus gesundheitlichen Gründen (des Besitzers) wieder abgegeben werden. Apollo, der ursprünglich ein Fundhund war, lebte auf dem Land (Haus mit großem Grundstück) und kennt Pferde, Katzen, Geflügel und Kaninchen. Fremden Menschen gegenüber ist er eher reserviert, allerdings sollten Fremde (wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte - egal bei welcher Hunderasse) nicht auf "seinem" Grundstück sofort auf ihn zugehen und versuchen, ihn zu streicheln. Apollo ist ein selbstbewusster, ausgeglichener und souveräner Hund, der sich konsequenten Erziehungsversuchen nicht widersetzt. Artgenossen gegenüber zeigt Apollo sich gut bis reserviert. Im Tierheim ist Apollo in einem Auslauf untergebracht, läuft aber auch mit anderen Hunden in der Gruppe. Für Apollo wird ein Zuhause bei herdenschutzhunderfahrenen Menschen gesucht, die ihm noch einen schönen Lebensabend bereiten."

Bei einer solchen Beschreibung fallen mir Hunde ein, wie der Centralasiate Pax. Ihn konnte man jedem absoluten Anfänger mitgeben, denn Pax war DER Hund schlechthin. Leider konnte auch er nur an HSH-Erfahrene abgegeben werden und daher "saß" er mindestens 2 Jahre im Tierheim und das waren mindestens 2 Jahre zuviel.

Centralasiate Pax
Foto: Urheber mir bekannt

Ebenfalls so ein danebengegangener Vermittlungstext ist der folgende:

"Manchen Männern gegenüber ist Panda etwas misstrauisch, insbesondere, wenn sie dominant auftreten. Frauen, Kindern und auch dem Pflegepersonal gegenüber zeigt er sich als absolut freundlicher und aufgeschlossener Hund. Besonders liebt er viele Streichel- und Schmuseeinheiten und das Spielen - in Beidem hat er einen großen Nachholbedarf. Sein zukünftiges Herrchen oder Frauchen sollte eine Person mit ruhiger Ausstrahlung sein und viel Erfahrung im Umgang mit Herdenschutzhunden besitzen."

Die zukünftigen Besitzer von Panda sollten bestimmt keine Erfahrung im Umgang mit HSH haben, höchstens Erfahrung im Umgang mit unsicheren Hunden. Denn auch Panda ist vielleicht ein "typischer HSH", wenn ich die Beschreibungen lese, die voller ängstlicher und scheuer Hunde sind, aber ein typischer Hirtenhund ist auch er nicht und daher braucht er Menschen, die sich auf solche Hunde einstellen können.

Auch der nächste Hund wäre sicher gut bedient, wenn er "nur" zu Leuten käme, die mit ihm normal umgehen, ihn normal erziehen und anschließend dann zusammen Spaß am Leben haben.

"Adam ist mit Artgenossen verträglich und mit mehreren Hunden in einer Gruppe untergebracht. Menschen gegenüber ist er freundlich, aber selbstbewusst. Da er bisher noch keine Erziehung genossen hat, wird für ihn ein neues Zuhause gesucht, das sich nicht nur mit den HSH-Eigenheiten auskennt, sondern das auch die Zeit und Geduld aufbringt, Adams Selbstbewusstsein in die richtigen Bahnen zu lenken und ihm die nötige Erziehung zukommen zu lassen."

Das gleiche gilt im Prinzip für den nächsten Hund. Zugeben möchte ich nur eines, wenn diese Hunde groß sind und eine gewisses Gewicht haben, würde ich sie nicht an Leute vermitteln, die mit diesen Äußerlichkeiten nicht klar kommen, denn ein "Supermodell" mit etwas über 50 Kg bekommt bei einem richtigen "Karwenzmann" dann Probleme, wenn der mal richtig Gas gibt. Daher läuft meine Frau nicht mit Gane, denn mit seinem Temperament kann sie ihn aus körperlichen Gründen nicht halten. Mit Leika ist das etwas anderes und daher laufen die beiden zusammen. Dieser Einwand gilt aber für alle Rassen, denn schließlich gibt es außer Hirtenhunderassen auch noch andere, die ein ähnliches Gewicht haben.

"Boomer ist mehr Kangal als Schäferhund: Selbstbewusst, ruhig und das Alleinleben gewohnt. Er reagiert anfangs auf neue Menschen und Situationen unsicher und zurückhaltend. Er braucht einige Zeit um zu einem Menschen vertrauen zu fassen, ist dann aber gehorsam, befolgt problemlos die Grundkommandos und kuschelt ganz gerne. Spieltrieb ist eher wenig vorhanden. Boomer verbringt schon die meiste Zeit seines Lebens im Tierheim und sollte für seinen ruhigen Lebensabend noch ein schönes Zuhause finden. Er wurde einige Male kurzzeitig vermittelt. Einmal scheiterte es daran, das die neue Besitzerin doch nicht genug Kraft hatte ihn zu führen. Hier lebte er allerdings problemlos mit einer Katze zusammen. Ein anderes Mal gab es Schwierigkeiten mit dem Kind. Seine neuen Besitzer sollten Erfahrung mit Herdenschutzhunden haben. Als Zweithund wäre Boomer nur zu einer freundlichen, ruhigen Hündin geeignet. Besser wäre Einzelhaltung mit genügend Platz für seinen Bewegungsdrang."

Das letzte Beispiel zeigt nach meiner Meinung überdeutlich, wie falsch diese Vermittlungsangaben sind. Denn Boomer muss man nach seiner Beschreibung nur eines beibringen, nämlich zu lernen, wer ins Haus darf und wer nicht. Im übrigen ist er auch nicht mehr der Jüngste.

Als Letzter ein ganz junger Hund:

"Der gerade halbjährige Paul ist ein lieber und verschmuster Hund, der altersgemäß sehr verspielt ist. Er ist mit Kindern und einer Katze (mit der er sich das Körbchen teilt) aufgewachsen und verträglich mit Artgenossen. Er sucht ein neues Zuhause, da er Fremden gegenüber wachsam geworden ist und die Familie sich einem HSH mit seinen Ansprüchen und Eigenheiten nicht gewachsen fühlt."

Einen Kommentar über die bisherigen Besitzer will ich mir verkneifen. Wie aber ein halbjähriger Hund nur zu Leuten kann, die mal wieder die berühmten "HSH-Erfahrungen" haben müssen, ist mir schleierhaft.

Bei der Gelegenheit fallen mir dann Hunde ein, wie z. B. die Kaukasin Centa im Ludwigsburger Tierheim. Sie verbrachte das erste halbe Jahr ihres Lebens außerhalb der Tierheimes, seither steht sie zur Vermittlung. Meine Frau und ich kennen sie sehr gut. In unseren Augen war sie nie ein "Problemhund", sondern eher eine absolut umgängliche, etwas sture Hündin, die weiß, was sie will. Mit ein bisschen Menschenverstand, Logik und Konsequenz wäre Centa ein prima Hund. Aber das gilt für alle Rassen und ist wirklich nicht rassespezifisch oder gar "HSH-spezifisch".

Kaukasin Centa
Foto Hartmut Deckert

Wer die Seiten dieser Vereine und Tierheime regelmäßig besucht, wird feststellen, dass eine ganze Reihe von Hunden dort seit Jahren zur Vermittlung angeboten werden. Meine Angaben über die Dauer des Tierheimaufenthaltes sind eher nach unten korrigiert, als nach oben.

Andere Tierheime oder Vereine, die diesen "HSH-Wahn" nicht haben, vermitteln wesentlich schneller. Oder sie sind verwundert, warum es bei diesen Rassen länger dauert. Schaut man sich deren Ansprüche an die zukünftigen Besitzer an, stellt man fest, dass sie "normale Menschen" suchen und auch finden.

Daher wünsche ich mir im Interesse der zahlreichen Hirtenhunde, dass auch sie wieder unter normalen Ankündigungen vermittelt werden. Es wäre in ihrem Interesse, wenn dieser Mythos und Kult, den einige Leute um sie machen, endlich aufhören würde.

Kaukasin Jenna
Foto: Hartmut Deckert

Hartmut Deckert