Ausgabe 05/2009
Oktober - Dezember 2009

 

Die trügerische Sicherheit durch Haustierkennzeichnung

In Deutschland werden etwa 5,5 Mio. Hunde und 8,2 Mio. Katzen als Haustiere gehalten und über 500 Tierheime  bemühen sich täglich um die Aufnahme, Versorgung sowie Identifizierung und Rückgabe von entlaufenen Haustieren an ihren rechtmäßigen Besitzer.

Zur Haustierkennzeichnung wird dieser nur ca. 12 mm lange Mikrochip

vom Tierarzt unter die Haut des Tieres „injiziert“. 

   

Foto: Jens Wolters  

Im Durchschnitt können 75% der aufgefundenen Hunde und nur etwa 10 – 20 % der Katzen ihrem Besitzer zugeordnet werden. Zusätzlich wird mit Hilfe von Tierverlustdateien nach zahlreichen, als vermisst gemeldeten Hauskatzen gesucht, die oft für immer verschwunden bleiben und wodurch schnell Gerüchte über z.B. organisierte Tierfänger entstehen.

Trotz der Tatsachen, dass viele Tierheime fast ausnahmslos mit Mikrochip gekennzeichnete Tiere an neue Besitzer vermitteln und es drei große Einrichtungen in Deutschland gibt, die seit Jahren für Tierkennzeichnung und -registrierung werben, gibt es eine leider bei Städten und Gemeinden weit verbreitete, öffentlich kaum bekannte und von vielen Tierschützern nicht thematisierte Vorgehensweise im Umgang mit tödlich verunglückten Hunden und Katzen, durch die diese - trotz Kennzeichnung - praktisch spurlos verschwunden bleiben können und deren Rechtmäßigkeit angezweifelt werden muss.

Tödlich verunglückte Hunde und Katzen werden im öffentlichen Verkehrsraum von der Feuerwehr, privaten Tierentsorgungsunternehmen oder der Stadtreinigung aufgenommen und meistens, ohne auf Tierkennzeichnungen oder Eigentümerhinweise zu achten, sofort in eine Tierkörpersammelstelle transportiert bzw. in einem dafür vorgesehenen Sammelcontainer entsorgt.

Auf Autobahnen erfolgt der Abtransport durch die Autobahnmeistereien oder die Autobahnpolizei. Da nicht nur tote Haustiere, sondern auch andere überfahrene frei lebende Tiere, wie z.B. Wildkaninchen, Füchse oder Rehe, in der Tierkörpersammelstelle entsorgt werden, dürfen Tierkadaver, die bereits in einem solchen Tiersammelcontainer entsorgt wurden und eventuell Kontakt mit anderen Tierkadavern hatten, grundsätzlich, aus tierseuchenrechtlichen Aspekten, nicht wieder entnommen bzw. ausgehändigt werden.

Ein aufgefundener Hund wird im Tierheim eingeliefert und u.a. auf Tierkennzeichnungen überprüft.

 

Foto: Jens Wolters

Polizeibeamte „entsorgten“ tödlich verunglückte Hauskatze

Ein geradezu unglaublicher Vorfall ereignete sich vor einiger Zeit in der Stadt Wuppertal. Dort beklagte eine Familie den Verlust ihrer entlaufenen und mit Mikrochip gekennzeichneten Hauskatze und startete eine umfangreiche Suchaktion, u.a. mit Hilfe von in der Nachbarschaft ausgehängten Plakaten.

Daraufhin meldete sich eine aufmerksame Anwohnerin, die ein solches, leider tödlich verunglücktes Tier im Straßenbereich der Polizei gemeldet hatte. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, dass der Tierkadaver ordnungsgemäß der Tierkörperbeseitigung zugeführt wurde.

Die Tierkörpersammelstelle wiederum erklärte, dass dort kein solches Tier eingeliefert wurde, was die tierliebe Familie misstrauisch machte und veranlasste, weiter nach ihrer Katze zu suchen. Später fanden sich Augenzeugen, die die zum Fundort des verstorbenen Tieres gerufene Polizeistreife gesehen haben.

Einer der Polizeibeamten soll – im wahrsten Sinne des Wortes – das leblose Tier am Schwanz gepackt und im hohen Bogen in eine nahe gelegene Böschung geschleudert haben.

Diese Schilderung von mehreren Augenzeugen erscheint wahrheitsgemäß, weil die Katze später wirklich im besagten Gebüsch aufgefunden und nachträglich, anhand der von der Tierbesitzern veranlassten Kennzeichnung, eindeutig als deren Eigentum identifiziert wurde.

Mittlerweile wurde gegen die beiden Polizeibeamten ein Strafverfahren wegen Verstoß gegen das Tierische Nebenprodukte – Beseitigungs Gesetz (TierNebG) sowie gegen das Abfallbeseitigungs Gesetz (AbfG) eingeleitet. Außerdem scheint die Fälschung eines polizeilichen Protokolls, über die angeblich ordnungsgemäße Beseitigung eines Tierkadavers, vorzuliegen.

Tierheim-Routine: Ein aufgefundener Hund wird im Tierheim auf Tierkennzeichnungen überprüft.

 

Foto: Jens Wolters

 

Sind tödlich verunglückte Haustiere automatisch herrenlos?

Fundtiere sind meistens entlaufen, können aber nicht automatisch, ohne Nachweis als vom Besitzer ausgesetzt angesehen werden. Herrenlose Tiere können keinem Besitzer bzw. Eigentümer zugeordnet werden. Der in Tierschutzfragen erfahrene Braunschweiger Rechtsanwalt Hartmut J. R. Ritter verdeutlicht, ob tödlich verunglückte Hunde und Katzen automatisch als herrenlos einzustufen sind:

„Gemäß dem Paragraphen 90a des Bundesgesetzbuches sind Tiere keine Sache mehr. Dennoch sind auf sie die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Die in diesem Fall gemeinten Haustiere werden herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht auf das Eigentum zu verzichten den Besitz der Sache aufgegeben hat (§ 959 BGB). Auch wenn ein Tier z.b. überfahren wurde, bleibt es - solange ein Eigentumsverzicht nicht vorliegt - im Eigentum des Tierhalters.

Dies vorausgesetzt, muss bei jedem tot aufgefundenen Haustier immer unterstellt werden, dass eine Besitzaufgabe des Tierhalters nicht vorliegt. Den Finder (Polizei, Feuerwehr, Autobahnmeisterei, etc.) trifft somit die Verpflichtung, vor der Entsorgung des toten Tieres den Tierhalter, anhand z.B. einer Hundesteuermarke, Tätowierung oder Mikrochip, festzustellen“, erklärt Rechtsanwalt Ritter.

Bedeutet dies, dass viele Städte und Gemeinden mit toten Haustieren nicht rechtmäßig verfahren?

Ritter: „Auf jeden Fall handelt derjenige, der das Tier trotz erkennbarer Eigentumszuordnung dem Besitzer entzieht, im Sinne einer verbotenen Eigenmacht widerrechtlich. Würde ein derartig Handelnder auf frischer Tat angetroffen, so könnte der Tierhalter ihm den Tierkadaver notfalls mit Gewalt wieder abnehmen.

Würde ein derartig Handelnder auf frischer Tat angetroffen, so könnte der Tierhalter ihm den Tierkadaver notfalls mit Gewalt wieder abnehmen. Rein rechts - theoretisch könnte natürlich auch in diesem Fall der Besitzer die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm den Besitz entzogen hat.“

Welche Konsequenzen könnte man aus vorausgegangenem Fallbeispiel ziehen?

 

Dazu empfiehlt Rechtsanwalt Ritter: „Da es im vorliegenden Fall letztendlich darum geht, dass der Tierhalter von den oben angeführten Stellen informiert wird, müssen diese so sensibilisiert werden, dass sie getötete Tiere, soweit feststellbar, dem Tierhalter zu melden haben..

 

Mit Sicherheit wäre jeder Hunde- und Katzenbesitzer nach dem Verlust seines eventuell langjährigen Haustieres sehr dankbar, wenn er wenigstens eine Benachrichtigung über das Auffinden seines tödlich verunglückten Tieres bekommen würde und ihm - zusätzlich zu dem Trennungsschmerz - eine wochenlange, erfolglose Suche sowie die quälenden Gedanken an das ungewisse Schicksal des Tieres erspart bleiben würden.

Trauernde Tierfreunde nehmen auf einem Tierfriedhof Abschied von einem langjährigen,

vierbeinigen Familienmitglied.

 

Foto: Jens Wolters

Zum Autor: Jens Wolters engagiert sich seit 30 Jahren ehrenamtlich für den Tierschutz, war 25 Jahre für einen der größten niedersächsischen Tierschutzvereine - u.a. über 10 Jahre als Pressesprecher - tätig, war Mitglied im Deutschen Presseverband e.V., stellvertretender Vorsitzender einer gemeinnützigen, weltweit tätigen Tierschutz-Stiftung und ist Initiator der Internetseite www.tierschutz.pressedienst.de