Ausgabe 06/2008
November + Dezember 2008

 

Der Cane da Pastore Maremmano Abruzzese

 

Erfahrungen einer Deutschen im "Maremmanoland"

 

 

Eine Deutsche im „Maremmanoland“? Und dann schickt sie uns Bilder mit und von ihren Hunden, die wie Maremmano aussehen und tatsächlich auch solche sind. Darauf zu erkennen, die Hunde leben am Meer, genauer auf Sizilien. Das soll „Maremmanoland“ sein? Es ist, denn nicht nur auf Sardinien arbeiten die Schäfer mit Hirtenhunden, sondern auch auf Sizilien. Wieder was gelernt.

 

 

 

Ciatumé im Ater von 3 Jahren am Strand von Sizilien

Seit ich denken kann, haben mich Hunde fasziniert. Dank meiner Familie hatte ich die Möglichkeit, mit Hunden aufzuwachsen. Auch als ich mich aus beruflichen Gründen etwas von der Hundeszene entfernte, war der Wunsch nach einem Leben mit Hunden immer da.

Im Jahr 2000 beschloss ich mein Leben radikal zu ändern und wanderte nach Italien aus. Auf meinen Ausflügen im Süden des Landes begegnete ich eines Tages einem Schäfer, der seine Schafe eintrieb. Meine Neugierde entging dem Hund des Hirten nicht. Plötzlich stand ein großer weißer Hund vor mir und bellte mich mit tiefer drohender Stimme an. Instinktiv rührte ich mich keinen Millimeter und blieb wie angewurzelt stehen, denn obwohl mir der Hund drohte, war ich fasziniert von seiner Schönheit und Unbestechlichkeit. Noch nie zuvor hatte ich so ein schönes Tier gesehen und seine Statur und sein Verhalten beeindruckten mich nachhaltig. 

 

Im Laufe der Jahre baute ich mit dem Schäfer eine Art Freundschaft auf. Ich hatte viele Fragen, zum Beispiel, ob er alle seine 300 Schafe einzeln kennen würde. Dieses beantwortete er mir mit ja.  Eine weitere Frage war, ob seine Schafe seinen Kommandos folgen. Dieses bestätigte er mir, indem er seine Schafe mit für mich bis heute unverständlichen Lauten zu sich rief.

 

  Ciatumé im Alter von 9 Monaten  

Auf die Frage hin, wer nachts auf die Schafe aufpassen würde, deutete er auf eine Reihe von weißen Hirtenhunden, die er "Mannara-Hunde" (aus dem sizilianischen Dialekt übersetzt: Hunde der Herde) nannte. Er erklärte mir dann, es seien Maremmani. Sie schliefen nachts bei den Schafen und wären sichere Wächter. Er erzählte mir dann von Lämmern, die unter dem besonderen Schutz dieser Hunde stehen würden. Sie kümmerten sich um die Lämmer, die von ihren Müttern im Stich gelassen würden: lecken sie trocken und wärmen sie. Weiterhin wollte ich wissen, wie er ihnen das beigebracht hätte. Da schmunzelte mein Hirtenfreund nur und meinte, dass sie das von alleine täten.

 

 

 

Eines Tages überraschte mich der Hirte. Er zeigte mir eine Maremmanohündin, die 12 Welpen zur Welt gebracht hatte. Ich war etwas schockiert über die hygienischen Bedingungen. Die Hündin lag in einem Holzverschlag, in dem es heftig zog. Sie lag mit ihren Welpen, die gerade 2 Tage alt waren, in einer Mulde, die sie sich gegraben hatte. Als ich nach einigen Tagen wieder vorbeischaute, fehlten einige Welpen. Der Hirte sagte, sie seien gestorben und das wäre ganz normal, denn nur die Stärksten würden überleben. Brutpflege gehöre nicht zu den Aufgaben eines Hirten, das müsste die Hündin selber machen.

 

  Ich fasste einen sehr mutigen Entschluss, denn ich hatte Angst, wenn ich nach einigen Tagen wieder kommen würde, wären vielleicht wieder einige gestorben und fragte den Hirten, ob ich 2 Welpen mitnehmen dürfte. Meine Familie hatte eine Entebucherhündin aus Deutschland mitgebracht, die gerade Welpen hatte. Ich versprach dem Hirten, die beiden sofort zurückzubringen, wenn es mit der Amme nicht klappen würde. Zu Hause angekommen nahm ich einen der Welpen unserer Hündin und streichelte abwechselnd die beiden weißen Welpen und ihn, um den Geruch auf die beiden Neuankömmlinge zu übertragen. Dann legte ich die beiden zwischen den anderen Welpen ans Gesäuge. Die Hundemutter beäugte sie nur kurz. Die beiden weißen Knäuel suchten sich sofort eine Zitze und begannen zu trinken.

Im Laufe der nächsten Wochen entwickelten sich die beiden prächtig. Da die eigenen Welpen der Entlebucherhündin jedoch schon einen Monat älter waren,  versiegte ihre Milch, als die beiden Maremmanowelpen etwa drei Wochen alt waren. Also stattete ich meinem Hirtenfreund  einen Besuch ab, um frische Ziegenmilch zu bekommen.  Von der Schafsmilch riet er mir ab, da diese zu fetthaltig für die kleinen Welpen ist.
 

Wieder zu Hause angekommen, präsentierte ich den Kleinen die noch warme Milch, die sie auch nach anfänglichen Schwierigkeiten im Handumdrehen aufschleckten. Sie stellten sich dabei mit ihren Vorderpfoten  in die Milchtöpfe und stellten in den ersten Tagen regelmäßig die Küche unter Milch.

 Mit meinen ersten beiden Maremmani bin ich durch ganz Sizilien gereist. Die beiden haben mich überall hin begleitet. Wir haben gemeinsam die schönsten Sehenswürdigkeiten besichtigt, einmalige Naturschutzgebiete durchwandert, sowie Restaurants, Bistros, große Städte und kleine Bergdörfer kennen gelernt. Sie waren eigentlich wie jeder andere Welpe in diesem Alter. Neugierig und unternehmungslustig.

 

 

Einen doch sehr entscheidenden Unterschied stellte ich fest, als die beiden Brüder 7 Monate alt wurden. Wenn wir früher bei unseren Ausflügen auf Passanten trafen, ignorierten sie diese. Auf einmal änderte sich jedoch etwas. Wenn sie von weitem eine Person oder einen Hund entdeckten, wurde Alarm geschlagen. Sie wedelten mit dem Schwanz und bellten in Richtung des Fremden. Wenn wir irgendwo auf einer Wiese unter einem schattigen Olivenbaum oder auf einer Düne am Meer saßen, fiel mir auf, dass sich meine beiden Halbwüchsigen immer einen erhöhten Platz aussuchten und während ich "alle viere" von mir streckte, sie "Wache hielten". Es ging sogar soweit, dass sie sich nachts auf das Dach meines Autos schlafen legten, um einen besseren Überblick zu haben, womit ich natürlich nicht einverstanden war.

 

 

Die reservierte und manchmal schon fast abweisende Art meiner Hunde Fremden gegenüber, verstärkte sich im Laufe der Monate immer mehr. Irgendwann ließen sie sich außer von Familienmitgliedern oder Freunden von keinem Unbekannten mehr anfassen. Zutritt auf unser Grundstück wurde erst nach maremmanotypischer Begrüßungszeremonie mit mir und den Hunden zugelassen. Der Besuch wurde keine Sekunde aus den Augen gelassen, auch wenn es manchmal so schien als ob sie schliefen. Dies waren für mich ganz neue Wesenszüge von Hunden. Die Hunde, die mich in meinem früheren Leben begleitet hatten, fanden Besuch und andere Hunde grundsätzlich toll. Für mich stellte aber diese "Eigenart" kein wirkliches Problem dar, da ich zwar eigentlich ein geselliger Typ bin, aber auch die Ruhe in den "eigenen 4 Wänden" sehr schätze.

 

 

Auch war ich es von meinen früheren Hunden gewohnt, dass sie es gerne weich und warm haben. Das Sofa oder das Bett waren da im Winter bevorzugte Plätze. Mit meinen Hirtenhunden war es ganz anders. Sie liebten es, im Regen im Garten zu liegen und einen Knochen zu bearbeiten oder bei windigem kühlen Wetter im welligen Meer zu baden. Nur im Sommer wurde dann der kühlste Platz im Haus gesucht  und manchmal war es dann auch das kleine Badezimmer, in dem dann ein oder zwei riesige weiße Teppiche lagen.

 

 

Sein fast katzenartiges Verhalten war auch ein ganz neuer Aspekt, den ich im Zusammenleben mit dem Maremmano kennen lernte, wie zum Beispiel der fast lautlose Rundgang durchs Haus oder die Fürsorge, die sie bei der Fellpflege an den Tag legten.

Heute lebe ich mit einem Maremmanorudel im Südwesten Siziliens. Ich habe mir eine kleine Zucht aufgebaut und es macht mir viel Freude, Interessenten diesen wunderbaren Hund näher zu bringen.

Um den Maremmano Abruzzese zu verstehen und mit ihm in Harmonie zu leben, braucht man nicht viel. Man muss seiner Intelligenz gerecht werden und sich seine Treue und seinen Respekt "verdienen".

   

Alle Bilder und Text:

Bianca Franz, Italien

 

www.casabianca.biz

 

Unser Dank geht an die Autorin

 

Hartmut Deckert