Ausgabe 05/2004
September + Oktober 2004

Hirtenhunde -

Wächter und Beschützer der Herden

Roswita Hirsch-Reiter

Natürlich ist mir klar, was diese Buchbesprechung auslösen wird: Einen Sturm der Entrüstung. Aber ich frage mich schon, nachdem ich dieses Buch gelesen habe und ein bisschen Hintergrundwissen habe, wie lange sich die Leser/innen oder die Besitzer/innen von Hirtenhunden noch vera...... lassen von solchen Büchern.

Das Positive an diesem Buch vorweg, die Bebilderung ist von den bisherigen 3 deutschsprachigen Büchern die beste. Das war aber auch schon alles, was mir positiv aufgefallen ist. Und wenn man sich die Bilder der anderen beiden Bücher anschaut, war das auch keine große Kunst.

Mein Aufruf lautet, dieses Buch zu boykottieren.

Gründe:

Die Autorin betreibt eine Seite im Internet: www.starkehunde.com. Auf dieser Seite sind von den meisten Hirtenhunden Kurzportraits zu finden, nebst einem Bild der Hunde.

Wild bin ich geworden, als ich in der ersten Fassung dieser Portraits unter jeder Rasse als Abschluss ein Wort fand und das lautete: SCHARF.

Dümmer geht es nicht mehr, oder anders ausgedrückt, Höhn und Co. haben sich gefreut, denn besser kann man Listen gefährlicher Hunde nicht rechtfertigen.

Leider habe ich diese Seite nicht gespeichert, aber es gibt genug Leute, die sich wie ich darüber geärgert haben und dieses SCHARF bestätigen können. In der Zwischenzeit hat Roswita Hirsch-Reiter dies abgemildert, bzw. das Wort SCHARF gestrichen. Nur leider sind die Textpassagen immer noch eine Einladung an Politiker und Hundegegner.

Auszüge

Kaukasischer Owtscharka: Charakter: Furchtlos, scharf, selbständig, eigenwillig. Sehr wachsam, ausgeprägter Schutztrieb.

Mittelasiatischer Owtscharka: Charakter: Kühn, schneidig, angriffslustig, hart, ausdauernd, misstrauisch, wachsam.

Südrussischer Owtscharka: Charakter: Lebhaft, draufgängerisch, instinktsicher und nervenfest. Neigt zu unvermuteten Reaktionen und Bissigkeit.

Kraski Ovcar: Charakter: Lebhaft, draufgängerisch, instinktsicher und nervenfest. Neigt zu unvermuteten Reaktionen und Bissigkeit.

Sarplaninac: Charakter: Sehr selbständiger, schneidiger Hund mit stets aufmerksamer, verteidigungsbereiter Grundstimmung,

Kangal: Charakter: Besonders furchtloser, schneidiger Hund, reaktionsschnell und kämpferisch. Sehr treu und zuverlässig, der geborene Schutz- und Wachhund. Mit fremden Hunden meist unverträglich.

Kuvasz: Charakter: Selbständig, verlässlich, treu, unbestechlich, arbeitsfreudig, etwas angriffslustig und draufgängerisch. Ausgeprägter Wach- und Schutzinstinkt. Duldet keine Vertraulichkeiten durch Fremde.

"Scharfer" Sarplaninac Kole
Foto: Hartmut Deckert

Der Verein "pro Herdenschutzhunde" wirbt mit dieser Autorin und auf dem so genannten Herdenschutzhundetag 2004 verkaufte er zur Verfügung gestellte Bücher der Autorin. Mein Eindruck dabei war, daß der Verein wohl nicht genügend Hunde in der Vermittlung hat, denn wer Werbung für derartige Leute macht, kann sicher sein, daß das Elend der Hirtenhunde größer wird.

Aber auch inhaltlich bietet das Buch eine ganze Menge an Ungereimtheiten, um es mal vorsichtig auszudrücken.

So kann man die Seiten 1 - 47 getrost überspringen, denn Erklärungen, wie: Stammvater Wolf, vom Wolf zum Hund, antike Hundeformen, Beginn der Rassehundezucht, allgemeine Hundekunde, Triebveranlagungen und Verhaltensstörungen, Zucht und Ausstellungen wurden an anderer Stelle ausführlicher und kompetenter beschrieben.

Kapitel 6 "die Familie der Herdenhunde" bringt ebenfalls wenig erleuchtendes und würde von mir nicht erwähnt, wenn da nicht wieder unter "Charakter" die markanten Sätze stehen würden, ohne die gewisse Kreise dieser Szene anscheinend nicht auskommen.

Beispiel

"Bei Herdenschutzhunden handelt es sich in der Regel um wehrhafte Hunde, von großer Härte, Schneid, Ausdauer und einer gewissen Naturschärfe. Bedrohungen begegnen sie gewöhnlich mit Aggression."

Dieser eigentliche Leitfaden der Schärfe, Wildheit und übermäßigen Größe zieht sich durch alle Rassebeschreibungen.

So wird beim Do-khyi die "große Wildheit und Gefährlichkeit" hervorgehoben.

Der Kaukase hat "ein absolut furchtloses Wesen mit einer gewissen Angriffslust".

Centralasiaten sind "sehr kühn und schneidig. Angriffe erfolgen ohne Vorwarnung und blitzschnell. Er ist ein ausdauernder, hartnäckiger Kämpfer."

Der Südrusse "ist ein Draufgänger, lebhaft und bestimmt und neigt zu unvermuteten Reaktionen. ....Seine Naturschärfe, eine gewisse Angriffslust und Bissigkeit machen eine gute Sozialisierung ... unverzichtbar."

Auch der Kangal "ist besonders furchtlos und schneidig, gleichzeitig sehr reaktionsschnell und kämpferisch".

Auch die yugoslawischen Rassen Kraski Ovcar und Sarplaninac beschreibt Roswita Hirsch-Reiter auf Seite 183 mit Schneid und Schärfe.

Auch der Kuvasz ist "angriffslustig und draufgängerisch." Und allen bisher beschriebenen Rassen unterstellt die Autorin unterschwellig eine niedrige Reizschwelle. Überhaupt ist mir aufgefallen, daß Roswita Hirsch-Reiter die weißen Rassen in der Regel als gutmütiger und harmloser einstuft. Sie schreibt: "Trotz der angeborenen Schutz – und Wachinstinkte ist ihm (Slovensky Cuvac) Aggressivität jedoch fremd und keineswegs so scharf, wie die Hirtenhunde Russlands, der Türkei, oder des ehemaligen Yugoslawiens."

"Scharfe" Koochee Hündin
Foto Maik Bässler

Allerdings kommen dann bei den Hunden Portugals die Mär der "ausgeprägten Schärfe" und schon verwendete Bezeichnungen wieder zum Vorschein.

Auf eines möchte ich noch eingehen und das sind die Landesbeschreibungen. Abgesehen davon, daß ich auch in der Beziehung schon besseres und erhellenderes gelesen habe, sind sie teilweise an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

Beispiele

Die mongolische Hauptstadt Ulan Bator verlegt Roswita Hirsch-Reiter nach Kasachstan. Kirgistan bekommt eine völlig neue Hauptstadt namens Biscke und dafür wird die kirgisische Hauptstadt Bischkek nach Tadschikistan verlegt.

Wie wenig sich die Autorin mit Hirtenhunden beschäftigt hat, erkennt man daran, daß sie Rassen wie den anatolischen Hirtenhund beschreibt und den so genannten Karshund als Rasse führt. In der Türkei gibt es nun mal nur Akbash und Karabash (Kangal) und sonst nichts.

Es ist schon unanständig, mit solch schlechten Büchern Geld zu verdienen. Mindestens genauso unanständig ist es aber, bei allen Informationen, die man im Internet findet, über die Autorin und das Buch, so zu reagieren, wie dies Petra Krivy tat. Von mir auf die Internetseite von Roswita Hirsch-Reiter angesprochen und dem Blödsinn, der da drin stand und steht, meinte die Zuchtleiterin des Slovensky-Cuvac-Clubs, das würde vielleicht dazu beitragen, daß diese Hunde weniger gekauft und gehandelt würden. Meiner Meinung nach sollte man dieses Buch nicht verteidigen, denn es füllt die Tierheime und schadet den Rassen. Und eine derartige Meinung stellt den Club auch nicht gerade in ein gutes Licht.

Daher noch mal mein Aufruf:

Boykott der Buches Hirtenhunde von Roswita Hirsch-Reiter


Zu diesem Artikel bekamen wir folgende Leserbriefe: