Ausgabe 06/2005
Juni 2005

Langeweile -

oder wie man "Herdenschutzhunde-Besitzern" das Geld aus der Tasche ziehen kann

Kraski Ovcar
Foto: Hartmut Deckert

Auf Mailinglisten ist es zu lesen, im Internet zu finden: "Herdenschutzhunde" brauchen eine besondere Ausbildung und ist diese erfolgt, auch eine besondere "Beschäftigungstherapie". Wie in anderen Fällen auch, so was kostet Geld. Und alles, was kostet, schafft neue Ideen und Menschen, die diese besonders gut umsetzen können. Und so rennen dann diese Besitzer auf alle möglichen Seminare, Kurse und Veranstaltungen, um diese neuen Methoden zu erlernen, immer zum Wohle ihrer Hunde.

Anlässlich der Welthundeausstellung in Dortmund erschien ein Artikel, der eben genau diese Hundebesitzer animieren sollte, es mit ihren "Lieblingen" mal mit einer neuen Methode zu versuchen. Der hat uns wiederum animiert, diesen Artikel in Teilen zu veröffentlichen. Autor ist Frank Lorentz und veröffentlicht wurde das ganze am 25. Mai 2003.

"Das Welttreffen der Hunde"

"In Dortmund beginnt Donnerstag die größte Vierbeiner-Ausstellung aller Zeiten. Grund genug, eine neue Trendsportart auszurufen: Dogging.

Hunde, wollte ihr ewig Frisbee spielen? Ach nee, nur mittags mal zehn Minütchen. Und Hunde, wollt ihr ewig bolzen? Och nö, nur ab und an mal ein Viertelstündchen. Und Menschen, wollt ihr ernsthaft alle doggen gehen jetzt?

Hunde-Frisbee? Hunde-Fußball? Doggen?!

Von kommendem Donnerstag an ist der Begriff Hundeleben, der bislang für eine kaum erstrebenswerte Daseinsform stand, neu zu definieren. Dann nämlich findet vier Tage lang in den Dortmunder Westfalenhallen die "Welt Hunde Ausstellung" statt, das größte Welttreffen der Hunde aller Zeiten, 18.716 Rassehunde aus aller Herrchen Länder haben sich angekündigt. Und dass zeitgenössische Vierbeiner mehr zu leisten vermögen als kläffen, an der Leine zerren und Fremdhundepopos beschnuppern, das wird den zweibeinigen Besuchern, die Veranstalter erwarten rund 120 000, eindringlich vorgeführt."

Wie das aussieht, konnte ich am eigenen Leib erfahren, Gedränge ohne Ende in viel zu kleinen Hallen, Hunde, die fast aufeinander lagen, usw. Aber "Miesmachen" gilt nicht, denn das ganze hat ja schließlich einen Sinn und auch den beschreibt Frank Lorentz:

"Gewiss, im Mittelpunkt der Schau steht die Bewertung der Hunde durch 168 Richter aus 35 Ländern. Nicht zu vergessen diverse seriöse Hundewettbewerbe sowie 220 Aussteller aus 55 Ländern, die Hundekuchen, Leuchthalsbänder, Hundeliteratur zeigen.

Sarplaninac Tigar in Dortmund 2003
Foto: Hartmut Deckert

Andererseits aber dürfte es so einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn täglich in der Mittagszeit auf dem zentralen, 26 mal 40 Meter großen und von einer Tribüne umgebenen "Showring" ein paar Hunde, in Trikots gesteckt, Fußball spielen, wobei Eigentore wohl nicht ganz zu vermeiden sein werden. Wenn sie Frisbeescheiben fangen, indem sie reinbeißen (sollte es Frissbee heißen?), und tanzen, also sich im "Dog Dancing" hervortun. Und wenn zudem auf einer der vier Neben-Unterhaltungsflächen Lily Merklin mit zwei Hunden steht und erklärt, was "Dogging" bedeutet."

Und hier wären wir dann bei der schon erwähnten Beschäftigung für unsere Hunde. Um das ganze abzukürzen, es ist lächerlich und albern. Und es zeugt von absoluter Phantasielosigkeit, wenn man mit einem Hund nichts anderes anfangen kann, als jedem "Rattenfänger" und jeder "Rattenfängerin" hinterher zu laufen.

Wer Lily Merklin ist, verrät der Autor natürlich auch:

"So heißt das jüngst erschienene Buch der jungen Freiburger Autorin, der es darum geht, laut Buchuntertitel, "fit mit Hund" zu sein. Sage noch einer, er gehe joggen mit dem Hund! Völlig out! Von nun an wird gedoggt. Oder Rollschuh gefahren, der Hund darf ziehen. Nordic Walking, Blading, Radfahren, Wandern, Schwimmen, alles mit Hund. Das ist Dogging. Okay, vielleicht sollte ein schwergewichtiger Rollschuhläufer sich nicht von einem Dackel abschleppen lassen wollen, aber ansonsten, sagt Lily Merklin, Studentin der Psychologie und Sportpädagogik, "geht fast jede Sportart mit fast jedem Hund". Droht das eine Trendsportart zu werden? "Ja, das scheint sich abzuzeichnen." Dabei dürfte der wunderbare Name Dogging der Trendwerdung zuträglich sein, unklar ist, wer ihn erfand. Womöglich der in Memphis geborene Blues-Sänger Rufus Thomas (1917-2001), der in den Sechzigern viele "Dog"-Stücke aufnahm, der "No more Dogging around" sang und also frühzeitig ein Ende des Trends antizipierte."

Liest man diese Zeilen, wird klar, auf deutsche Hundeschulen, Trainer und besonders Tierpsychologen kommt eine Menge neues hinzu und das bringt Umsatz. Denn nach dem Kauf dieses Buches kann man die Praxis anschließend in Kursen erlernen. Ein Witz? Schwarzmalerei? Mitnichten, neulich sah ich im Fernsehen einen Bericht, wie man nach absolviertem Kurs in einer Hundeschulen erfolgreich im Winter mit dem Hund spazieren geht oder wandert. Denn auch das muss gelernt werden, erst dann macht es richtig Spaß und ist für alle "Hundebesitzer" ungefährlich. Seither überlege ich zweimal, bevor ich bei Schnee und Kälte mit meinen Hunden losziehe.

Bei allen Bemühungen rund um den Hund darf einer nicht fehlen und das ist der zuständige Verband. Schließlich wollen alle ihren Anteil vom großen Kuchen rund um den Hund. Daher unterstützt der VdH derartige Bemühungen und der Autor beschreibt das so:

"Alle Maulkorbverordnungen und Anleinzwänge haben die Hundebegeisterung in Deutschland offenbar nicht unterbinden können. Und so sieht Bernhard Meyer, Ausstellungsleiter und Hauptgeschäftsführer des Veranstalters, des Dortmunder Verbands für das Deutsche Hundewesen, die Schau mit der Rekord-Hundeteilnehmerzahl auch als Signal an den Gesetzgeber. "Die Politik hat sich oft auf brutalste Weise über Sachverstand hinweg gesetzt. In den seltensten Fällen machen Hunde Probleme, meist sind es die Hundehalter. Aber trotz aller Diskussionen: Wir sind immer noch da!"

Kurzhaar-Estrela in Dortmund 2003

Foto: Hartmut Deckert

In Dortmund geht das Treffen der Hunde und Kynologen (Hundekundler) zum sechsten Mal über die Bühnen, so oft wie in keiner zweiten Stadt dieser Erde. 1928 wurde es ins Hundeleben gerufen, seither richtet es sich jährlich ein größeres Schau-Körbchen ein auf der Welt, zuletzt in Amsterdam, davor in Porto, Mailand, Mexiko. Meyer nennt Dortmund "die kynologische Hauptstadt Europas". Es rührt daher, dass die Stadt jährlich zwei ranghohe Zuchtschauen ausrichtet. Und daher, dass die Menschen im Revier, Heimstatt der Taubenzüchter, "vielleicht einen größeren Bezug zu Haustieren haben als anderswo". Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass man es vom "Hauptquartier" des VdH zur Westfalenhalle nicht so weit hat.

Soweit die Möglichkeit, die "schnelle Mark" zu machen mit Büchern, dummen Ideen und neuen Trends. Ob sich nicht da so mancher Hund die Rückkehr zu seinem ehemaligen "Hundeleben" wünscht?

Das es aber auch anders geht, fanden wir ebenfalls im Internet. Genauer, wir sind über einen Artikel gestolpert, in dem beschrieben wird, wie ein Hirtenhund diese "Beschäftigungen" verweigert, mit Verachtung abstraft oder einfach nur blöd fragt, was das ganze eigentlich soll, denn solche Fragen können Hirtenhunde prima stellen.

Mit Genehmigung der Autorin Marion Breither veröffentlichen wir diesen Artikel ungekürzt.

"Als ich meine Kraski-Ovcar-Hündin Pera bekam, machte ich mir viele Gedanken, wie ich ihr nicht nur körperliche, sondern vor allem auch geistige Beschäftigung verschaffen konnte. Ich wusste, die Hunde sind intelligent und selbständig, und ich wollte sie fordern und fördern, wo immer ich konnte. Als sie alt genug war, dachte ich auch einmal daran, mit ihr Agility zu probieren.

... Also von uns dreien geht keiner mit zu diesem Agility
Foto: Marion Breither

Pera sah sich die Sache an und hopste mir zuliebe über eine Hürde. Vor dem Tunnel sah sie mich an: "Bist Du sicher, dass ich da durch muss? Außen herum geht es doch viel einfacher!" Da ich darauf bestand, trottete sie also durch den Schlauch. Slalom fand sie ausgesprochen blöd: "Warum soll ich mich da durchwinden? Daneben kann ich so schön gerade laufen - schau her!" Und lief fröhlich neben den Stangen davon. Was sie gut fand, war der Tisch. Aber nur deshalb, weil es da ein Leckerli gab (schließlich ist Pera verfressen bis zum Exzess!).

Nach diesen Erfahrungen stellte ich das Experiment Agility ein. Pera machte es sichtlich überhaupt keinen Spaß, und ich kann mich auch anders sportlich betätigen.

Da Hirtenhunde so gut wie keinen Beutetrieb haben, machte ich mit Flyball erst gar keinen Versuch. Pera findet Bälle ziemlich langweilig, und so wusste ich, dass Flyball kein Hit werden würde.

Hirtenhunde sind intelligente Hunde, die über Generationen darauf selektiert wurden, möglichst selbständig zu denken und zu arbeiten. Die Hunde müssen in Gefahrensituationen blitzschnell selbst entscheiden, was zu tun ist und können dabei nicht auf den Befehl des Hirten warten. Wenn sie in der Ausführung eines Befehls keinen Sinn sehen, tun sie diese Sache, wenn überhaupt, nur sehr widerwillig. Jede Stereotypie ist ihnen ein Greuel.

Als das Clickern in Mode kam, habe ich mich auch damit befasst. Pera war begeistert, dass der Clicker ein Leckerli ankündigte. Bei jedem Click rannte sie, so schnell sie konnte, zu mir, um sich ihre Belohnung zu holen. Click ohne Belohnung? Keine Chance - Pera war tödlich beleidigt und reagierte nach dem Motto: "Mach Deinen Kram allein, wenn Du mir kein Leckerli gibst. Oder glaubst Du, Dein komisches Klick interessiert mich?"

Unser Sarplaninac-Rüde Alf zeigt die Verhaltensweisen, die Pera an den Tag legt, noch viel ausgeprägter. Ihn kann man mit Leckerlis sowieso nicht hinter dem Ofen hervorlocken, und der Clicker entlockte ihm nur ein müdes Gähnen. Mein Lebensgefährte hat ihn ein einziges Mal mit auf den Agility-Platz genommen - Alf legte sich unter die Rampe in den Schatten und ließ sich nicht dazu herab, die verschiedenen Geräte auch nur ansatzweise auszuprobieren.

Um unsere Hunde geistig zu fordern, sind keine von Menschen erdachten Spielchen notwendig. Sie sind - schon aufgrund ihrer Veranlagung - aufmerksam, haben viel Spaß daran, unser Katzenrudel zu bewachen (Pera spielt sogar Babysitter!) - und: sie suchen gerne!

... Gehen wir jetzt suchen?
Foto: Marion Breither

Wir haben eines schönen Tages spaßeshalber eine kleine Fährte gelegt und sie mit wenigen Stückchen grünem Pansen garniert. Dieses Spiel finden beide Hunde toll, und so dürfen sie nun jedes Wochenende im Wald nach Verstecktem suchen."

Soweit Marion Breither. Und was lernen wir aus ihrem Artikel? Zum einen, auch sie gehört, wie wir auch, zu den ewig "Gestrigen", die ihre Hunde nach "alter Vätersitte" sehen und beschäftigen. Das ist zwar altmodisch, aber nicht erfolglos, denn von uns "Gestrigen" hört man weniger, wenn es um die Probleme und Problemchen der Hunde geht, die in der Fraktion der "modernen Hundebesitzer" immer wieder auftreten.

Daher werden wir wohl bei unseren alten Methoden bleiben. Die Blochs, Schokes, Ritters oder Krivys mögen uns verzeihen. Denn deren Kassen füllen wir auch in Zukunft nicht. Und auch "Dogging a la Lily Merklin, erlernt mit einem wieder mal überflüssigen Buch, wird nicht unser Ding. Trotzdem werden wir Sommers wie Winters auch in den kommenden Jahren unseren Spaß haben.

Schöner als auf jedem Platz
Foto: Marion Breither

Nachsatz: Wir bedanken uns bei Marion Breither für die Überlassung ihres Artikels und auch für die Bilder der "unsportlichen" Kraskis.

Hartmut Deckert


Zu diesem Artikel bekamen wir folgenden Leserbrief: