Ausgabe 10/2005
Oktober 2005

"Herdenschutzhunde"

Ihr Charakter, ihre Abstammung und Haltung

frei nach Günther Bloch

Hirtenhund Gane od Drndarskog
Foto: Hartmut Deckert

Einleitung

Beim Stöbern im Internet fand ich die "hochinteressanten" Gedanken von Günther Bloch über "Herdenschutzhunde" im allgemeinen und ihre Abstammung und die Probleme, die man mit ihnen hat. Und die sind nicht ganz unbeträchtlich, allerdings unterscheiden sie sich von den meinen und denen einer ganzen Reihe von Haltern und Züchtern gewaltig. Was sicher daran liegt, dass wir Hirtenhunde haben.

Bereits in der Einleitung kommt seine große Kompetenz zum Ausdruck und die Inkompetenz der "Herdenschutzhundehalter", die noch nicht seine Werke und Gedanken gelesen haben, oder durch seine "berühmten Seminare" gelaufen sind. Denn Günther Bloch schreibt:

" ...Das Telefon klingelt. Wieder einmal hat jemand einen Herdenschutzhund "in gute Hände" abzugeben. Wieder einmal ein hoffnungslos überforderter Mensch am anderen Ende der Leitung. Wieder einmal unterhalten wir uns über einen dieser "idealen Haus- und Familienhunde", die doch so einfach zu halten sind. Man braucht schließlich nur viel Liebe und Geduld, um einen Hirtenhund zu erziehen."

Zwar braucht man durchaus etwas mehr, als Liebe und Geduld, aber mindestens Geduld ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um einen Hirtenhund und alle anderen Hunde zu erziehen. Über die nötige Liebe, oder wie man das sonst noch nennen könnte, braucht man mit Bloch nicht zu diskutieren, so was kennt er anscheinend nicht.

Wenigstens für mich kommt dann seine ganze Arroganz gegenüber Haltern dieser Rassen durch, denn Hirtenhunde, die in Deutschland angeboten werden, als "Produkte eines Exotenmarktes" zu bezeichnen, ist schon stark, um es vorsichtig auszudrücken. Er schreibt:

"In Deutschland kommen immer mehr Herdenschutzhunde wie Maremmano, Kangal, Akbash, Owtscharka oder Kuvaczschläge auf den Exotenmarkt, die nicht selten aus dem jeweiligen Ursprungsland stammen. Zeitungsinserate überschlagen sich mit Beschreibungen der Superlative: "Attraktiver Freund der Familie", "unbestechlicher Familienhund", "große, liebe und anpassungsfähige Hunde" oder "sanfte Beschützer der Familie".

Aus diesen Zeilen kann, wer will, herauslesen, wie wenig Ahnung der Autor von diesen Rassen hat. Als kleine Hilfe bieten wir daher unser Rasseportrait des Kuvasz in der Hirtenhundewelt an. Dort ist nachzulesen, dass diese Rasse bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland gehalten und gezüchtet wird. Und es ist zu lesen, dass es keine Kuvaszschläge gibt, sondern nur einen Kuvasz und der ist seit fast 100 Jahren als Rasse anerkannt. Es sei denn, man bezeichnet den nicht existierenden Bundasch seiner alten Freundin Petra Krivy als Kuvaszschlag.

Junger Kuvasz Rüde aus dem Ursprungsland Ungarn
Foto: Gabi Hahlweg

Das gleiche gilt übrigens für (kaukasische) Owtscharka. Die wurden neben Centralasiaten bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in Deutschland gezeigt, waren also bekannt. Und lange bevor G. Bloch auch nur das Wort "Owtscharka" aussprechen konnte, züchtete man sie in der ehemaligen DDR. Genauer gesagt, das erste Zuchtbuch für Kaukasen wurde 1971 erstellt. Ab 1979 waren sie dann auch in der alten BRD zuchtbuchmäßig erfasst.

Wäre ich Züchter einer dieser Rassen, würde ich Bloch was husten, wenn er mir die folgenden Zeilen unterstellen würde.

" ...Auffällig ist, dass einige Züchter noch nicht einmal die grundsätzlichen Veranlagungen(!) ihrer eigenen Hunde kennen: Da werden Herdenschutzhunde plötzlich und völlig unerwartet zu Hütehunden, die sanft aber bestimmt verirrte Schafe zu ihrer Herde zurückführen (wie rührselig) oder Owczarek Podhalanski zu Hütehundschlägen umfunktioniert, weil es gerade ins Kalkül passt. Missverständnisse entstehen, weil die Bezeichnung "Owtscharka" für "Schafshund" oder "den Hund des Schäfers" steht."

Auch hier könnten wir "Hilfestellung" leisten, denn wir haben zwar noch nie mitbekommen, dass Podhalanski Züchter ihre Rasse als Hütehundschlag bezeichnen, aber immerhin haben in Deutschland und Ungarn z.B. kompetente Kenner der Rassen Kuvasz, Podhalanski und Slovensky festgestellt, dass in diese Hirtenhunde auch Hütehunde eingekreuzt wurden. Anders ausgedrückt, mit etwas mehr Wissen hätte er sich diese reichlich verächtlichen Sätze sparen können, zumal sie eben falsch sind und Züchtern Unwissen unterstellen. Dank seiner "fachlichen" Hilfe haben wir rasch den Unterschied begriffen zwischen Hütehunden und Hirtenhunden, denn er und andere haben sie, die Hirtenhunde, umgetauft in "Herdenschutzhunde". Allerdings kenne ich eine ganze Reihe Leute, die den Unterschied schon vorher kannten und diese Namensänderung nicht gebraucht haben. Als Beispiel sei der "Klub für ungarische Hirtenhunde" genannt, bei denen gibt es seit ihrer Gründung vor über 80 Jahren eben nur Hirten - und Hütehunde.

Auch die Einfuhr aus dem Ursprungsland sehe nicht nur ich etwas anders, denn wie soll man Hunderassen in Deutschland halten und züchten, wenn man sie nicht aus den Ursprungsländern holt? Bei anderen Rassen stört das Bloch nicht, lediglich bei Hirtenhunden ist das anscheinend nicht zu vertreten. Bloch schreibt dazu:

"Zuvor wurden diese "Schafshunde" oft bedenkenlos aus einem Ursprungsland in unser dicht besiedeltes Deutschland gekarrt, obwohl der in einer Reihenhaussiedlung lebende Hundehalter in spe terminlich absehen kann, wann sein misstrauischer Vierbeiner per Brief vom Ordnungsamt festgelegte Bellperioden vorgeschrieben bekommt. Aber diese Bellintervalle lassen sich ja durch Elektroschockgeräte beeinflussen."

Holt sich ein "Hundehalter in spe" in sein Reihenhaus einen Hirtenhund, gibt es selten Probleme mit dessen "Bellverhalten". Wir hatten aber z.B. schon mal Probleme mit der Stadt Stuttgart, weil unsere Hunde nachts angeblich zuviel bellten. Das waren deutsche Schäferhunde. Und alle Spitzrassen sind für ihre Wachsamkeit bekannt und die drückt sich in anhaltendem Bellen aus. Also ist das nicht ein Spezifikum der Hirtenhunde.

Im weiteren benötige ich auch für die folgende Feststellung etwas Hilfe, denn sie begreife ich nicht ganz. Bloch meint nämlich:

"Dabei wäre der krasse Gegensatz zum Herdenschutzhund ganz einfach in einem Satz zusammenzufassen: Hütehunde MÜSSEN das Verhalten von Nutzvieh (Schafen, Ziegen, Rindern) beeinflussen, um sie in eine gewünschte Richtung oder Position zu bringen; Herdenschutzhunde dürfen Nutzviehverhalten nach umsichtiger Sozialisierung KEINESFALLS beeinflussen, denn sie sollen ja Schafe oder Ziegen vor Raubtieren wie Braunbär, Wolf oder Fuchs bewachen und schützen. Herdenschutzhunde und Nutzvieh formen einen Sozialverband."

Aus menschlicher Sicht gesehen, könnte man das ja verstehen, aber Hunde sind keine Menschen und daher ist es ihnen wurscht, was sie bewachen und somit ist es reichlich überzogen, wenn man von einem Sozialverbund redet. Absurd wird dann der folgende Satz: "Der Hund wird - überspitzt formuliert - zum Schaf (Bloch, 1998)." Einen Kommentar dazu will ich mir verkneifen. Meine Hirtenhunde fressen zwar gelegentlich Gras, aber zum Schaf werden sie deswegen noch lange nicht, vielleicht aber der eine oder andere Mensch.

Centralasiate aus Kirgistan
Foto: Wolfgang Regar

Das zweite Kapitel in seiner Veröffentlichung nennt Bloch dann: "Grob umrissene Einblicke in die Geschichte" und grob sind sie wirklich und dazu auch noch falsch! Denn es hat sich anscheinend noch nicht bis zu Bloch herumgesprochen, dass die Haustierforschung seine These als falsch bezeichnet. Das kann man nachlesen in der Geschichte der Hirtenhunde. Auf jeden Fall ist der Do-khyi nicht der "Urvater" der Hirtenhunde.

Bloch aber schreibt:

" ... Der Ursprung aller Herdenschutzhunde geht wohl auf die im Volksmund als Tibetdogge oder Tibetmastiff bekannten, ehemals als Kampf- bzw. Wachhund eingesetzten doggenartigen Hunde zurück. Die Tibeter bezeichnen ihre eigenen, meist zum Schutz von Nutztierherden und Siedlungen eingesetzten Tiere als Do Khi, die bereits im Jahre 1121 v.Chr. Erwähnung finden. Aus diesem Ursprungsgebiet gerieten diese Hunde zunächst über China in die Mongolei, dann nach Zentralasien und Mesopotamien. Ihre Verbreitung nahm rasch zu, und die "Tibeter" vermischten sich in den neuen Lebensräumen häufig mit einheimischen Hundeschlägen. Teilweise verloren sie nun den langen Behang und erhielten eine vielfältige Färbung. Die meisten äußerlichen Merkmale blieben erhalten: der große Wuchs, der kräftige Körperbau, der massive Kopf mit der umfangreichen, doch nicht sehr langen Schnauze."

Do-khyi
Foto: Michaela Richter

Warum sollten Hirten, die lange vor der Nutztierhaltung in Tibet bereits Haustiere wie Schafe und Ziegen hatten, sich Hunde aus einem Land holen, das zum einen sehr weit weg war und wo es diese Hirtenhunde noch gar nicht gab? Und warum sind die Hirtenhunde Centralasiens, Mesopotamiens und der anderen Länder überwiegend weiß oder hell in der Farbe, wenn der Do-khyi der Vorfahr sein soll und dieser hauptsächlich schwarz war? Und seit wann waren Do-khyis Kampfhunde? Auch das würde ich mir verbitten, wäre ich Züchter dieser Rasse.

Auch seine Behauptung, sie seien mit Barsoi vermischt worden, ist schon "stark", denn auch der Barsoi existierte als Rasse damals nicht. Und wenn ich so was behaupte, sollte ich dann aber auch schreiben, wann das ungefähr war und welche Quellen es dazu gibt. Allerdings vermuten Rassekenner, die Betonung liegt auf vermuten, dass evtl. der Kangal aus einer Kreuzung mit Windhunden entstand. Erwiesen ist auch das nicht.

Und wieder mal abgeschrieben ist die Geschichte mit den Reliefen und Denkmälern. Denn diese Hunde haben mit Hirtenhunden nichts zu tun. Es waren "Kriegs- oder Kampfhunde". Er schreibt:

"Einige Tiere wurden mit Barsoi-Hunden verpaart und zur Jagd abgerichtet. Denkmäler der assyrisch-babylonischen Kunst retteten die Abbildungen der alten doggenartigen Hunde bis in unsere Zeit. Auf dem Hof des assyrischen Zaren Aschurbanipal (7. Jh. v. Chr.) wurden ebenso ausgezeichnet erhaltene Darstellungen von Umzügen gefunden, in denen die Hauptdarsteller große, doggenartige Kriegshunde waren."

Hirtenhunde, auch wenn sie "Herdenschutzhunde" sind, in eine Ecke mit "doggenartigen" Hunden zu stellen, ist falsch. Genauso daneben und abgeschrieben seine Gedanken zu den Molossern, auch das haben wir ausführlich beschrieben. Die Hunde der Provinz Molotien können höchstens von den aus Kleinasien eingewanderten Hirtenhunde abstammen, aber nicht umgekehrt, schließlich bin ich ja auch nicht der Vater meines Vaters. Dazu Bloch:

"Aus Mesopotamien drangen sie ins antike Griechenland, von dort unter der Bezeichnung Molosser verbreiteten sie sich um das ganze Mittelmeer (Hoefs, 1998). Mit der Zeit entwickelten besonders Schäfer und Hirten einen Hundetyp, der über die Mongolei in den vielen ehemaligen Sowjetrepubliken vom Süden Sibiriens bis ins östliche Kasachstan u. a. als Herdenschutzhund eingesetzt wurde."

Und diese Hunde hatten dann ein bis heute erhaltenes Verhalten. Bloch: "Charakteristisch ist auch heute noch das Verhaltensrepertoire:

"Misstrauen gegenüber allem Fremden, eigenständiges Handeln, blitzschnelles Umschalten aus ruhigem, phlegmatischem Verhalten in eine höchste Alarmbereitschaft, eine Verteidigungsbereitschaft und massives Bellverhalten bei Gefahr, territorial motivierte Angriffsbereitschaft besonders mit Einbruch der Dämmerung."

Da wäre er wieder, der dämmerungsaktive "Herdenschutzhund", der Territorialverteidiger. Das kann man damit abtun, dass wenigstens Hirtenhunde keine Territorial- sondern Objektwächter sind.

Maremmano mit neugeborenen Lämmern
Foto: Wolfgang Woltemade

Knüppeldicke kommt es im nächsten Abschnitt. Daher würde mich interessieren, warum der turkmenische Staat "Selektionen" der Hirtenhunde unterstützen sollte. Dies tut er sowenig, wie der deutsche Staat die Zucht von Marienkäfern fördert. Zumal dieses Land zu den ärmsten Ländern gehört und nicht das Geld dazu hätte. Diese absolut "blödsinnige Behauptung" wurde von zahlreichen Seitenbetreibern übernommen. Richtig wird es dadurch nicht und kein Hirten wäre jemals auf die Idee gekommen, seine Hunde in Kämpfen zu opfern. Ob diese als Arbeitshunde taugen oder nicht, konnte er auch anders erkennen. Dies haben wir ausführlich beschrieben in unserem Interview mit der Präsidentin des portugiesischen Estrela Clubs, denn Hirtenhunde müssen nicht die Helden sein, die viele beschreiben.

Zitat von Bloch:

"Auch heute noch wird der Herdenschutzhundetyp des jeweiligen Herkunftslandes primär auf Verhalten selektiert und per staatlicher Unterstützung, z. B. in Turkmenistan, sogar nur über Rüdenkämpfe (meist ritualisierte Auseinandersetzungen) zur Weiterzucht verwendet."

Wer keine Ahnung von Sitten und Gebräuchen einiger Länder hat, sollte den Mund halten und den Stift stecken lassen. Denn die Behauptung: "Auch in Afghanistan finden immer noch traditionelle Auswahlkämpfe statt", ist schon peinlich. Zwar gibt es dort Hundekämpfe, aber die haben eine andere Tradition und einen Ursprung, der mit dem, was Bloch schreibt, nichts zu tun hat. Ähnlich den Tierkämpfen in Europa (z. B. Ziegen) fanden hier Auseinandersetzungen zwischen Tieren als "Stellvertreterkriege" statt. Nie aber Selektionen auf Stärke oder Aggressivität.

Maremmano Rüde Umago
Foto: Wolfgang Woltemade 

Nach dem Studium der folgenden Zeilen weiß ich endlich, warum einige Hirtenhunderassen gefährdet sind. Bloch schreibt:

"Heute arbeiten Herdenschutzhunde selbst im westlichen Zipfel Europas (portugiesischer Estrella-Berghund). Bedauerlich ist, dass viele Arbeitshunde von Touristen oder Radikaltierschützern in unser Land verbracht werden, obwohl der Genstock in den Ursprungsländern dadurch immer weiter eingeengt wird und zudem Nutztierherden den Angriffen durch Raubtiere oft schutzlos ausgeliefert sind. Am Ende sind Braunbär und Wolf die Leidtragenden (Bloch 1999, in Druck)."

Die Arbeitshunde, die von "Radikaltierschützern" außer Landes gebracht, also geklaut werden, sind derart selten vorkommende Ereignisse, dass dadurch der "Genstock" noch nicht mal in Ansätzen gefährdet wäre. Richtig ist, dass einige Tierschutzorganisationen schon Hunde aus dem Ausland bekamen oder holten (z. B. Tierheim Ludwigsburg aus Portugal und Italien), das waren aber größtenteils keine Arbeitshunde und schon gar nicht, Hunde die wichtig für einen Zuchteinsatz waren. Nimmt man also alle geklauten, oder ausgeführten Hunde aller Rassen zusammen, die in Deutschland je auftauchten, könnte man mit ihnen wahrscheinlich eine mittelgroße Herde bewachen lassen, aber Gefährdung der Rassen? Auf Mailinglisten schreibt man hinter solche Bemerkungen *g*, was soviel bedeutet wie "grins" und ausdrücken soll, das war nicht ernst gemeint. Völlig "blödsinnig" dann die Behauptung, dadurch seien Wolf und Braunbär die "Leidtragenden", auch hier reicht es nur für ein müdes *g*.

Hirtenhunde + Hütehund
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Das dritte Kapitel befasst sich mit: Umsichtige Sozialisierung und Haltungsbedingungen und verspricht auch manches Schmankerl.

In einer pseudowissenschaftlichen Erklärung legt der "Meister der Herdenschutzhunde" nämlich dar, wie sich diese verhalten sollen. Leider auch mal wieder daneben, denn ein "Herdenschutzhund", der keinen Kontakt zu Menschen hat, oder diesen gar nicht erst aufbauen soll, ist höchstens deshalb kontraproduktiv, weil er für Hirten und Schäfer unbrauchbar ist.

Bloch schreibt:

"Die Sozialisierung von Arbeitshunden steht im krassen Widerspruch zur Prägung auf den Menschen. Junge Herdenschutzhundewelpen sollten sehr frühen Kontakt zu Nutztieren haben, damit sie einen Sozialverbund formen können. Kontakte zu Menschen ist für diesen Formungsprozess eher kontraproduktiv (Ancona 1985)."

Richtig ist zwar der Kontakt zu den Nutztieren, aber auch das ist keiner besonderen Erwähnung wert, sondern in den Augen der Hirten eine Selbstverständlichkeit. Sie stecken einen Welpen mitsamt der Mutter in den Stall, sind die Welpen alt genug, wandern sie mit der Herde mit. Und die Hirten suchen sich die Hunde aus, die sie als Arbeitshunde benötigen. Eine Erziehung oder Anweisung findet nicht statt. Wie das im Einzelnen funktioniert, kann man ebenfalls nachlesen im Interview mit der Präsidentin des portugiesichen Estrela-Clubs, erschienen im Kaukasen-Blättle. Im übrigen kommen wandernde Herden auch mit Menschen in Berührung und müssen daher natürlich auch eine gewisse Prägung auf diese haben. Sonst könnten z. B. die Programme in der Schweiz zum Herdenschutz nicht funktionieren, da die Hunde auch mit Menschen in Berührung kommen (z. B. Touristen). Und im übrigen sollte es schon bis zu Bloch gedrungen sein, im Winter sind die Hunde mitsamt den Herden in den Dörfern und da muss dann das Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren reibungslos klappen. Elisabeth v. Buchwaldt schrieb dazu, dass Hirtenhunde, die Menschen oder Tiere bedrohen, nicht geduldet werden. Daher sind natürlich Hirtenhunde sehr wohl auf Menschen sozialisiert.

Richtig toll ist dann die folgende Aussage, denn genau dazu verfügen wir über einige Bilder. Darauf zu sehen, wie Kangale sich in dieser lt. Bloch völlig abzulehnenden Haltung Schafen nähern. Er schreibt:

"Gut sozialisierte Herdenschutzhunde müssen gegenüber Nutztieren vertrauensvoll sein und diese aufmerksam und verteidigungsbereit bewachen (Bloch, 1995). Canidentypisches Raubtierverhalten, wie die Aufnahme direkten Blickkontaktes bei gleichzeitigem Abducken des Vorderkörpers gegenüber Nutzvieh, ist bei guten Arbeitshunden selten zu beobachten und wenn sehr schwach ausgeprägt. Die Verhaltensmuster Scheuchen und Zupacken werden aufgezeigt (Coppinger, 1995)."

Auffordern zum Spiel, fixieren, Blickkontakt
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Warum sich aber "Herdenschutzhunde" so verhalten sollen, schreibt er nicht. Diese Art, Behauptungen aufzustellen, ohne deren Sinn darzulegen, kenne ich auch von anderen Autoren dieser "Scene", z. B. Thomas A. Schoke. Traurig ist, dass niemand so was hinterfragt.

Da auch das Märchen von den Arbeitslinien, die für eine normale Haltung ohne Herden nicht zu gebrauchen sind, auch von Bloch aufgegriffen wird, fand ich in seiner Veröffentlichung auch dazu ein paar "markante" Sätze.

Bloch schreibt:

"Wenden wir uns nun aber den Haus- und Familienhunden zu, deren Besitzer mit einigen typischen Herdenschutzhundeverhaltensweisen große Schwierigkeiten haben. Natürlich unterscheiden sich einige Rassen voneinander.

Ungarische Kuvaszok sind normalerweise wesentlich beweglicher und brauchen demnach viel mehr Beschäftigung als z. B. Pyrenäen-Berghunde."

Auch nicht richtig, denn hier muss man sich einfach mal mit Zucht beschäftigen. Der Kuvasz ist zwar in den letzten Jahren etwas "windhundeartiger" geworden, aber deswegen ist er immer noch nicht der große "Läufer", sondern er passt sich seiner Umwelt an. Da ich immer wieder ausgesprochen kräftige Exemplare sehe, ist mir das mit der Beweglichkeit zu pauschal. Unausgegoren wird es dann beim Pyrenäenberghund. Seit einigen Jahren wird dieser nämlich in der Schweiz als Hirtenhund eingesetzt. Dazu holte man Hunde aus dem Ursprungsland und diese stammen aus Arbeitslinien. So ist es also völlig falsch, alle Zuchtlinien in einen Topf zu schmeißen und dann dieser Rasse pauschal mehr Unbeweglichkeit zu unterstellen. Dies ist deswegen wichtig, weil man die Zucht in den meisten westeuropäischen Ländern mit Hunden aus Arbeitslinien verbessern könnte, aber da ist Bloch dagegen.

Der Züchter Ernö Horvath
Foto: Gabi Hahlweg

Da immer wieder die Frage auftaucht, warum ich davon schreibe, dass diesen "Herdenschutzhunden" ein Mythos angehängt wird und ich diesen falsch finde, bieten die folgenden Zeilen eine Möglichkeit, zu verdeutlichen, was ich meine.

Denn Bloch schreibt:

"Fast alle Herdenschutzhunde sind allerdings schwierig über Spielzeug oder Futter zu motivieren, um Unterordnungswillen nach herkömmlichem Muster zu demonstrieren (Bloch, 1999, im Druck)."

Würden wir alle Hirtenhunde, die über Futter zu motivieren sind, Bloch vor die Haustür stellen, gäbe es erstens ein Verkehrschaos und zweitens könnten wir dann eine internationale Rassehundeausstellung veranstalten. Daher ist schon mal diese Behauptung wieder mal eine zu pauschale und eine falsche.

Und dann kommen die berühmten Zeilen, die diesen Mythos weit verbreitet haben und von jedem und jeder nachgeplappert werden.

Diese lauten:

"Sein Gesicht zu verlieren" mag dieser eigenständige Typ gar nicht.

Es muss Betonung finden, dass von einer umsichtigen Sozialisierung viel abhängt. Herdenschutzhundewelpen müssen während der sensiblen Entwicklungsphase mit allen verhaltensökologischen Umständen vertraut werden, die später zu einem alltäglichen Routineablauf gehören sollen. Das Verhalten von Herdenschutzhunden hängt entscheidend von einer korrekt durchgeführten Sozialisierung und Jugendentwicklung ab (Coppinger, 1995)."

Welch ein Schwachsinn, wenn man bedenkt, dass das alles nur für "Herdenschutzhunde - Welpen" gelten soll. Mein Opa fing mal in jungen Jahren mit Doggen an und als alter Herr begnügte er sich mit einem Dackel. Zeit seines Lebens hat er nichts anderes getan, als das gerade beschriebene. Er brauchte weder Bloch noch Coppinger, um zu wissen, dass jedes Haustier eine Prägung benötigt, die ein Zusammenleben erst ermöglicht. Und wir haben das übernommen. Übrigens auch für unsere Katzen.

Was "verhaltensökologische Verhaltensweisen" sind, wusste mein Opa sicher auch nicht, aber mit seinen Hunden hat es immer geklappt, auch beim Nachbarn. Pseudowissenschaftlich und albern sind diese "Merksätze", denn zig Züchter und auch meine Frau und ich haben nie etwas anderes getan, als unsere Welpen auf das "richtige Leben" draußen vorzubereiten. Hund ist Hund und daher braucht jede Rasse eine derartige "Schule". Daher gilt der "Merksatz", jedes Haustier egal welcher Coleur braucht eine Prägung, oder Sozialisierung, egal ob das die Bremer Stadtmusikanten sind, oder man z. B. auch noch Pferde dazuzählt.

Richtig übel wird es dann, wenn ich ausgerechnet im Forum von "pro Herdenschutzhunde" lese, dass eine Kangalhalterin fragt, ob es denn stimme, das der Kangal der schwierigste und gefährlichste "Herdi" sei und das dann noch mehr oder weniger bestätigt wird. Den gleichen Sch... fragen oder behaupten übrigens die Kaukasen- und Sarplaninacleute. All das verstehe ich unter dem von Bloch und Schoke, aber auch einiger anderer angefachten Mythos. Und darum haben in meinen Augen die vernünftigen Besitzer solcher Hunde eben Hirtenhunde. Denn zu uns kann jeder Besucher kommen, es wird ihm nie etwas passieren. Denn Gane und Leika sind keine "Herdenschutzhunde".

Besucher immer willkommen
Foto: Hartmut Deckert

Und auch sein nächster Satz sagt aus, was für alle Rassen gilt und deshalb ist er überflüssig im Zusammenhang mit "Herdenschutzhunden":

"Züchter haben also die Pflicht, eine breitgefächerte Routine herzustellen (regelmäßiger Umgang mit Kindern, Umwelteinflüsse, Integration von eher unüblichen Körperhaltungen und Bewegungsabläufen von Menschen, Kontakt zu Artgenossen, Katzen, Hühnern etc., Geräuschkulissen, besondere Gewöhnung an optische Eindrücke mit wechselnden Licht-Zyklen)."

Da stellt sich dann schon die Frage, was tun Züchter, egal welcher Tierart oder Hunderasse?

Was aber glaubt G. Bloch eigentlich, tun die Halter von Wind- oder Jagdhunden, Schutzhunden und den berühmten Schoßhunden? Auch sie haben das gleiche gemacht, das er beschreibt, aber ohne diesen Tamtam und ohne eine anscheinend nötige "Profilierungsneurose". Denn er schreibt:

"Hundehalter haben die Pflicht, vorausschauend in die Zukunft zu planen (regelmäßiger Kontakt zu Nachbarskindern und Freunden der Familie, regelmäßiger Besuch von gemischten Welpengruppen, regelmäßige Duldung von Vertrauten der Familie im Pkw, Nachbars Katze oder Kleingetier, Mofas, Skateboards, Fahrräder, Postbote, Schornsteinfeger, Lebensmittellieferant etc.)."

Zu dem Mythos gehört aber auch das Territorialverhalten von "Herdenschutzhunden". Oft genug habe ich geschrieben, dass wenigstens Hirtenhunde dieses nicht haben, sie sind objektbezogen. Und es macht mich wirklich wütend, wenn dann Sätze wie der folgende veröffentlicht werden:

"Wir unterstreichen diese Notwendigkeiten, weil wir wissen, dass ein eventueller territorial motivierter Angriff auch nicht vor der zuvor dem Herdenschutzhund unbekannten Schwiegermutter halt macht. Überhaupt ist der Schutz des Territoriums zentraler Bestandteil eines Herdenschutzhundelebens. Sie begegnen allem außerhalb der Routine stehendem mit großem Misstrauen, so dass an dieser Stelle von Schutzdienstarbeit dringend abgeraten werden muss."

Meine Schwiegermutter bewegt sich auch bei uns zu Hause völlig normal und unsere Hirtenhunde greifen weder sie noch jemand anderes an.

Sarplaninac Rile: Fremdes wird "begutachtet"
Foto: Erich Hoffmann

Auch die folgende Feststellung ist pauschal und falsch, denn sogar "Herdenschutzhunde" zeigen kein massives Bellverhalten, sie bellen, wenn etwas ihre Aufmerksamkeit erregt und dann ist wieder Ruhe.

Bloch schreibt dazu:

"Die Gewöhnung an vielfältige Routineabläufe in der Jugendentwicklung mindert das ansonsten massiv aufgezeigte Bellverhalten. Da sich Verhaltensweisen erst formen müssen und noch keiner festgefahrenen Etablierung unterliegen, kann die Alarmbereitschaft eines Herdenschutzhundes durchaus gelenkt werden. Dabei ist die eigenständige Handlungsbereitschaft dieser Tiere nochmals zu unterstreichen."

Hinzufügen möchte ich noch, auch in diesem Zusammenhang gibt es DEN "Herdenschutzhund" und DEN Hirtenhund nicht. Jeder Hund, egal welcher Rasse ist ein Individuum, einer bellt mehr, der andere weniger und jeder hat seine "Lieblingsobjekte, die dann eben verbellt werden. Andere Rassen bellen übrigens auch, denn das gehört zu den Angewohnheiten einer jeden Hunderasse. Es wurde oft genug von mir beschrieben, unsere Hunde bellen, wenn sie glauben, einen Grund zu haben. Den Mond anbellen oder heulen, oder aus Frust und Langeweile zu bellen, gibt es bei ihnen nicht.

Wann endlich merken die restlichen Hundehalter, dass ihnen mit Pauschalierungen und Vorurteilen etwas vorgemacht wird, was nicht stimmt. Denn Radio Eriwan meldet schon, es kann sein, aber auch nicht. Und so ist auch die nächste Warnung an "Herdenschutzhundehalter" eine Pauschalierung.

Bloch schreibt dazu:

"Wer Sandkasten oder Schaukel der Kinder im Vorgarten nahe des Eingangsbereiches plaziert, darf sich über eine extrem ausgeprägte Verteidigungsbereitschaft seines ,,Schafshundes" nicht wundern. Die als besonders schutzwürdig erachtete "Reproduktion" im Sinne von Nachwuchs in der Sozialgemeinschaft lässt grüßen. "Aufmerksamkeitsverhalten" wird zwischen vier und vierzehn Wochen gelernt, wenn der Herdenschutzhundwelpe seinen Sozialverbund formt (Coppinger, 1995). Auch die Fütterung des Welpen sollte im Hinblick auf späteres Territorialverhalten umsichtig erfolgen. Herdenschutzhunde lieben es, zur besseren Übersicht Anhöhen zu nutzen."

Seit wann interessiert sich ein Hund für "Reproduktion" im Sinne von Nachwuchs? Für ihn sind Kinder da, oder nicht da, oder Kinder sind angenehm, oder unangenehm, das hängt von seinen Erfahrungen ab. Und alles was zum Umfeld gehört, wird mitbewacht. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob die Schaukel im Vorgarten steht, oder hinter dem Haus, kommt jemand Fremdes, wird das gemeldet. Darum lieber Hundehalter, stell die Schaukel dahin, wo die "Gören" sie am liebsten hätten, aber nicht dorthin, wo sie nach Meinung von G. Bloch stehen sollte.

Auch hier ist die ganze Familie dabei
Foto: Erich Hoffmann

Ebenso eine "unsinnige" Behauptung die folgenden Sätze:

"Eine Fütterung auf Balkonen, Terrassen oder in Hauseingangsbereichen unterstreicht nicht gerade selten ihre Bereitschaft, diese strategisch wichtigen Örtlichkeiten zu verteidigen. Wir beobachteten in regelmäßigen Abständen Futter verteidigende Erwachsene, so dass die Herausgabe von Knochen usw. über den angewandten Schnauzgriff bereits im Welpenalter eingeübt werden muss. Vor der Bereitstellung des Futternapfes sollte das Zentralkommando "Sitz" Einbindung finden. Von einer Ernährung mit Hochleistungsfutter ist abzuraten, um überaktives Verhalten zu vermeiden."

Auch dazu einige Richtigstellungen. Wenigstens wir kommen nicht auf die Idee, Hunde auf dem Balkon zu füttern, andere hoffentlich auch nicht, denn da sieht ein bisschen albern aus. Eines der ersten Dinge, die unsere Hunde gelernt haben, war, dass die tägliche Fütterung etwas angenehmes ist und das wir die "Futtermeister" sind. Als solcher nehmen wir unseren Hunden nichts weg und daher verteidigen sie nichts gegen uns. Das sollte gängige Praxis sein und dann ist der nicht sehr originelle und reichlich blöde Schnauzengriff überflüssig. Warum aber ein Hund, selbst wenn er ein "Herdenschutzhund" ist, vor dem Fressen unbedingt sitzen soll, wird wohl ewig das kleine Geheimnis des Günther Bloch bleiben. Hochleistungsfutter fördert in den seltensten Fällen Überaktivität. Solche "pseudomedizinischen" Ratschläge sollte ein Laie unterlassen.

Oft genug haben sich schon alle möglichen Leute darüber lustig gemacht, dass ausgerechnet "Herdenschutzhunde" eine "umfassende Sozialisierung" auf Nutztiere bekommen müssen. Auch G. Bloch hält Bauernhöfe und eine ländliche Umgebung für das ideale Umfeld für diese Hunde. Natürlich ist der dicht besiedelte Vorort einer Großstadt nicht gerade der ideale Lebensraum für einen Hirtenhund, aber auch daran kann er sich gewöhnen, denn alle Hunde sind "Gewohnheitsmenschen". Und ein paar Schafe oder andere Nutztiere brauchen sie nun wirklich nicht für ihr Wohlergehen.

Wer dann allerdings die Meinung vertritt, "Herdenschutzhunde" könnten Betriebsgelände oder Industrieanlagen bewachen, hat offensichtlich den Sinn dieser Hunde nicht ganz verstanden.

Zu diesen Themen schreibt Bloch:

"Ländliche Gefilde stellen für Herdenschutzhunde ideale Rahmenbedingungen dar. Das jeweilige Grundstück muss ausreichend eingezäunt sein. Bauernhöfe und landwirtschaftliche Betriebe, Pferdeställe und Höfe lassen den Welpen in einem Umfeld aufwachsen, in dem eine umfassende Sozialisierung auf Nutztiere gewährleistet ist. Auf Grund ihrer Eigenständigkeit können diese Hunde problemlos im Freien gehalten werden; auch die Bewachung von Betriebsgeländen, Industrieanlagen, Autohöfen etc. kommt ihrem Beschützer-Naturell entgegen. Hier muss allerdings deutlich betont werden, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt, sondern regelmäßiger Kontakt zum Hundehalter (besonders als Junghund) eine Selbstverständlichkeit bedeutet. Soll ein Welpe im Hausstand heranwachsen, ist seitens des Menschen eine konsequente Tabuwelt aufzubauen, wobei auf Brachialgewalt zu verzichten ist."

Centralasiate: Aufmerksamer Beobachter
Foto: Ela Kirner

Hartmut Deckert

Wird fortgesetzt ... 


Zu diesem Artikel bekamen wir folgenden Leserbrief: