Ausgabe 11/2005
November 2005

"Herdenschutzhunde"

Ihr Charakter, ihre Abstammung und Haltung

frei nach Günther Bloch

2. Teil

Centralasiate
Foto: Bernd Kornmaier

Ein weiteres und wichtiges Kapitel ist für Bloch die Erziehung von Herdenschutzhunden.

Er schreibt:

"Dieser Hundetyp braucht einen ruhigen, souveränen Sozialpartner Mensch, der keine Schwächen aufzeigt.

Wer einen bloßen Befehlsempfänger sucht, sollte von diesem Hundetyp die Finger lassen!

Herdenschutzhunde sind bereits im Welpenalter auffallend selbständig und selbstbewusst. Machogehabe vertragen sie ausgesprochen schlecht, Kasernenhofdrill ist ihnen äußerst suspekt, so dass sie sich dagegen frühzeitig auflehnen. Agieren statt reagieren heißt die erzieherische Devise. Vorleben und Initiative zeigen! Herdenschutzhunde schlägt man am besten mit ihren eigenen Waffen. Ignoranz kann sich nur der Ranghohe leisten, ein Qualitätsmerkmal für umsichtige Führung (Bloch, 1999, in Druck). Erwarten Sie jedoch nicht zuviel von einem Welpen, denn Herdenschutzhunde reagieren im allgemeinen wesentlich langsamer als Vertreter kleinerer Rassen (Sims + Dawydiak, 1990)."

Da liegt der Widerspruch im Detail, denn mit menschlichen Attributen kommt man bei Hunden nicht sehr weit. Und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass diese Beschreibung auf eine ganze Reihe anderer Rassen ebenfalls zutreffen würde. Wer sich die Mühe macht und mit Züchtern und Besitzern von z. B. Wind- oder Schlittenhunden spricht, bekommt das gleiche zu hören. Würden wir das Verhalten unserer Hunde ignorieren, sähen die das anders, als Bloch glaubt.

Weiter schreibt er:

"Den Gedanken des Agierens nochmals aufgreifend empfehlen wir, während der Junghundephase bei Spaziergängen einen imaginären Punkt in der Landschaft anzusteuern und den Hund mittels langer Leine in eine Folgebereitschaft (zunächst ohne Kommandogebung) zu zwingen. Hat der Hundehalter einmal gelernt, stur seinen Weg zu ziehen, ist die erste und wichtigste Lektion an den Hund vermittelt worden. Die meisten Menschen haben nämlich das Problem, "zu gehen", ohne dabei ständig auf ihren Hund zu achten. Häufige Richtungswechsel im Gelände zeigen dem Junghund, dass es die Leitfigur Mensch tatsächlich ernst meint."

Diese Empfehlung zeigt, wie wenig Verständnis der Autor für das Verhalten eines Hundes hat. Zudem fühlte ich mich reichlich verarscht, wenn mir jemand unterstellen würde, ich könne nicht richtig laufen oder gehen. Außerdem sollte man allen Hunde wenigstens auf den Spaziergängen die Entscheidung überlassen, wie dieser abläuft. Das heißt bei uns, wir geben in etwa die Länge vor, die Zeit bestimmen unsere Hunde. Denn leider müssen sich die meisten uHunde Hunde sowieso schon genug Zwängen unterwerfen. Und die Frage stellt sich, warum ich meinem Hund bei einem eigentlichen "Lusterlebnis" auch noch meinen Willen aufdrängen muss. Alles wegen einer dümmlichen Erziehung, die nicht respektiert, dass Hunde auch ihre Ansprüche haben? Dazu fällt mir der Satz ein, den ein Besucher unseres Gästebuches schrieb. Er lautet: "Schade, dass sich die Hunde immer mehr den Menschen anpassen müssen." Es ist ein Widerspruch, wenn man einen Teil des Jahres damit verbringt, Caniden in "freier Wildbahn" zu beobachten und den Rest des Jahres dann versucht, Hundebesitzern klar zu machen, wie sie ihren Tieren auch noch das letzte Restchen Freiheit nehmen sollen. Bloch ist daher in meinen Augen ein Opportunist mitsamt denen, die ihm nachlaufen.

Kreuz- und querlaufende Centralasiaten
Foto: Bernd Kornmaier

Auch der nächste Satz ist ein Witz, denn Stachelhalsbänder erzeugen bei allen Hunden Widerwillen, denn die anderen Rassen sind auch nicht doof. Als Alternative aber ein Halti anzubieten, ist wiederum Opportunismus. Davon abgesehen, dass ich wetten würde, dass kaum ein Verkäufer/in eines solchen Gerätes in der Lage ist, die richtige Größe und das richtige Anlegen zu vermitteln.

Bloch also schreibt:

"Stachelhalsbänder und andere Starkzwanghilfsmittel erzeugen beim eigenwilligen Herdenschutzhund nur Widerwillen und Gegenwehr, die gegebenenfalls notwendige Alternativführung über Halti-Kopfhalfter bei gleichzeitig ruhigem, aber konsequentem Auftreten des Menschen kann als wesentlich vielversprechender angesehen werden. Die Erziehung eines solchen Hundes erfordert unbeirrbaren Weitblick und Vertrauensaufbau (Bloch, 1999, in Druck)."

Weitblick und ein Vertrauensaufbau sind nach meiner Vorstellung immer die Voraussetzung im Umgang mit Lebewesen. Wie sagte Eberhard Trumler mal? Erst habe er seine Hunde erzogen, anschließend 6 Kinder nach der gleichen Methode und alle seien etwas geworden, die Hunde und die Kinder. Dem braucht man nichts mehr hinzufügen. Außer vielleicht, dass man ja Bloch auch mal ein Halti umhängen könnte. Und wenn es immer noch nicht verständlich genug ist, ein Halti sollte in den Augen aller Hundebesitzer Tierquälerei sein.

Der Kernpunkt seiner Erziehung aber kommt im folgenden Abschnitt zum Ausdruck und der zeigt dann, dass Hunde sich gefälligst nach den Menschen zu richten haben, egal aus welchen Gründen. Dies widerspricht meiner Auffassung, denn die lautet, soviel Freiheit wie möglich in allen Situationen.

... soviel Freiheit, wie möglich ...
Foto: Bernd Kornmaier

Bloch:

"Innerhalb des Hausstandes gilt der besondere Augenmerk den Privilegien und dem Status Quo in der Sozialrangordnung, besonders wenn der Herdenschutzhund ständig als Forderer auftritt.

Agieren heißt hier, zuerst durch Türeingänge zu gehen, keine erhöhten Liegepositionen auf Bett oder Sofa zuzulassen, nicht auf geforderte Streicheleinheiten einzugehen, gemeinsames Spiel zu starten und zu beenden, dem Hunde feste, strategisch bedeutungslose Liegeplätze zuzuweisen (besonders zur Duldung von Besuch), Futterplätze umsichtig zu wählen und seinem natürlichen Wach- und Schutzinstinkt klare Grenzen zu setzen (Bloch, 1999, in Druck)."

Merkt denn eigentlich niemand, dass bei derartigen Vorstellungen Problem mit jedem Hund, egal welcher Rasse, vorprogrammiert sind? Zuerst durch die Türe gehen, welch ein Aufwand. Wir laufen im Haus oder der Wohnung und ich achte ständig auf so einen Blödsinn. Denn ich glaube lt. Bloch ja, der Hund denkt in menschlichen Dimensionen und muss zurückgestellt werden.

Keine erhöhte Liegeposition, wo Bloch doch behauptet, "Herdenschutzhunde" lieben geradezu eine erhöhte Position, wg. dem Überblick?

Nicht auf geforderte Streicheleinheiten einzugehen, gemeinsames Spiel zu starten und zu beenden? Warum sollte dann ein Hund nicht zur Nachbarin auswandern? Oder anders gefragt, sind denn Hunde auch schon Maschinen, mit Knopf "an" und "aus"? Welch "bescheuerter" Erziehungstipp.

Dem Hunde feste, strategisch bedeutungslose Liegeplätze zuzuweisen, Welch ein Widerspruch, wenn Bloch schreibt, dass es geradezu zum Naturell eines "Herdenschutzhundes" gehört, immer die strategisch beste Position zu haben. Hat schon mal jemand seinen Porsche auf 20 PS drosseln lassen? Meiner hat die vom Werk vorgegebenen immer noch!

Futterplätze umsichtig zu wählen und seinem natürlichen Wach- und Schutzinstinkt klare Grenzen zu setzen ? Warum soll dann dieser Hund überhaupt noch leben? Und wieder die Frage: warum sollte dann noch jemand einen Vertreter dieser Rassen halten? Und fühlt sich denn immer noch niemand auf den Arm genommen, oder total verar ...?

Wenn der große Meister meint:

"Von herkömmlichen Trainingsmethoden (über Stachelhalsband auflaufen lassen, Drilltraining usw.) ist dringend abzuraten. Leider landen viele verzweifelte Herdenschutzhundebesitzer bei Trainern, die keine hundtypenbestimmende Verhaltensbesonderheiten kennen und nur über Härte und Gewalt arbeiten",

was sind dann solche Ratschläge?

"Ich liege rum, wo es mir gefällt!"
Foto: Bernd Kornmaier

Wenn wir dann gerade bei den Ratschlägen der besonderen Art sind, kommt hier noch einer und der lautet:

"Die meisten Herdenschutzhunde brauchen eine Individualdistanz, um geschlechtsgleiche Hunde zu tolerieren. Die Demonstration der menschlichen "Alphastellung" auf Biegen und Brechen durchpauken zu wollen, ist kontraproduktiv und tritt das Gebot der konditionierten Aggression mit Füßen. Dieser konditionierte Verhaltensablauf findet auch statt, wenn der Hundehalter fortlaufend den gleichen Spaziergang wählt und sein Herdenschutzhund bestimmte Menschen und deren Hunde mit denselben Örtlichkeiten zuvor negativ verknüpft hat."

Beide Geschlechter durcheinander - es geht!
Foto: Bernd Kornmaier

Der Mensch denkt, der Hund handelt zu seinem Wohl. Vielleicht denkt er auch, aber nicht wie Bloch, denn wann er eine Individualdistanz einhalten will, oder nicht, entscheidet er am besten selber. Und die Geschichte mit dem immer gleichen Spaziergang führt auch beim "dümmsten Hund" nicht zu solchen Gedanken. Ein Hund in unserer Nachbarschaft stand jeden Abend bereit, um mit uns den immer gleichen abendlichen Spaziergang zu machen, Einen negativen Eindruck machte das nicht. Als er dann einen unserer Rüden nicht mochte, haben wir es aufgegeben, miteinander zu laufen. Aber da mochte der Nachbarshund unseren Rüden nicht, die Örtlichkeiten wurden nicht verknüpft, denn der Nachbar ging entweder vor oder nach uns die tägliche Strecke.

Nachdem wir nun ausreichen über die Erziehung informiert sind, fehlen natürlich noch

"Typische Aggressionspotentiale."

Auch sehr schön die Vorstellungen dazu von G. Bloch, er schreibt:

"Herdenschutzhunde können besonders aufgrund unzureichender Sozialisierung ausgesprochen unangenehm sein, weil sie dann einer Mischmotivation zwischen Angriffs- und Fluchtverhalten folgen. Hektische und unausgeglichene Hundehalter verstärken dieses Problem in einem ganz entscheidenden Maße. Oft wird Unsicherheitsverhalten mit Dominanz verwechselt, weil der hochterritoriale Herdenschutzhund sich innerhalb heimischer Gefilde sicher fühlt und so die eigentliche Ängstlichkeit geschickt kaschiert. Lernen am Erfolg bedeutet wiederum konditionierte Aggression, die auf dem aus der Psychologie bekannten Platzlernen basiert."

Wie verhält sich dann der "Nicht-Herdenschutzhund"? Genauso, wäre meine Antwort, denn Hunde mit diesem Verhalten haben aufgrund von Erfahrung oder Genetik dieses Verhalten. "Herdenschutzhundetypisch ist es ganz sicher nicht. Aber auch nicht hundetypisch, denn die Mehrheit der Hunde zeigt es nicht. Unsere armen und eingesperrten Hunde übrigens auch nicht.

Foto: Gabi Hahlweg

Und dann kommt eine Lieblinsthese von G. Bloch, der berühmte "nachtaktive Herdenschutzhund". Darüber haben wir schon mal einen Artikel veröffentlicht und darüber haben wir uns oft genug lustig gemacht, daher spare ich mir einen Kommentar dazu. Nur die berühmten Sätze will ich niemanden vorenthalten:

"Herdenschutzhunde verändern ihr Verhalten mit wechselnden Licht-Zyklen, das heißt, die viel strapazierte Reizschwelle sinkt mit Zunahme der Dunkelheit, und der Hund zeigt sich aggressiver (seine arbeitenden Verwandten werden nachts mit dem Erscheinen von Raubtieren konfrontiert).

Schlecht erkennbare optische Außenreize stehen außerhalb der verhaltensökologischen Routine, so dass der Herdenschutzhund massiv bellt und jederzeit verteidigungsbereit ist. Ein Angriff kann - territorial motiviert - blitzschnell erfolgen. Territorial motiviert verteidigen viele Herdenschutzhunde auch Autos in einem übersteigerten Maße. Hier gilt es, die Außenreizanlage durch Verdunkelung der Scheiben oder durch Nutzung einer Transportkiste zu verändern."

Darum nur ein kleiner Tipp, mal bei e-bay schauen nach gebrauchten Manta oder GTI mit getönten Scheiben. Wenn’s geht, gleich mit Fuchsschwanz an der Antenne.

Noch ein Satz aus der Kiste "Humor ist, wenn man trotzdem lacht!":

"Im heimischen Territorium ist dem Markierungsverhalten besondere Beachtung zu schenken. Uriniert der Herdenschutzhund ganz gezielt, scharrt und brummt regelmäßig, muss der Futterplatz gegebenenfalls drastischer Veränderung unterliegen (hinter das Haus, in den Keller oder die Waschküche, in einen ruhigen Raum)."

Wer mal so ein Erlebnis hatte, bitte unbedingt bei uns melden, denn unsere Hunde kommen auf dererlei Gedanken einfach nicht. Obwohl sie immer noch am gleichen Platz ihr "Frühstück und Abendessen" bekommen und das seit Jahr und Tag.

Keiner grummelt oder sonst was
Foto: Helmut Lenz

Ebenfalls ein Irrtum ist die Feststellung, Hirtenhunde seien an eine Person gebunden, bzw. viele von ihnen folgen einer solchen Personenbildung. Warum aber dann diese Hunde über Zweit- oder Dritthunde im Haushalt herfallen sollen, ist mir schleierhaft. Daher verstehe ich den folgenden Abschnitt überhaupt nicht.

Bloch schreibt:

"Sehr viele Herdenschutzhunde folgen einer engen Personenbindung, so dass sozial motivierte Angriffe gegenüber Zweit- oder Dritthunden im Hausstand stattfinden. Hier sollte der Mensch Dominanz demonstrieren und für Ordnung in der Sozialrangordnung sorgen."

Nun wäre es sicher erhellend, wenn er auch noch erklären könnte, wie er sich das vorstellt. Dazu wäre allerdings eine Analyse hilfreich, wie so etwas funktionieren soll mit der Dominanz und der Sozialrangordnung. Für Menschen, die so etwas ernst nehmen, heißt das doch nichts anderes, als eingreifen. Das allerdings würde ich bleiben lassen, denn allein auf weiter Flur mit zwei oder mehr raufenden "Herdenschutzhunden" wäre mir so was zu gefährlich.

Auch die weitere Äußerung ist nicht zu verstehen:

"Gleiches gilt für sozial motivierte Angriffe auf andere Menschen. Zeigt ein Hund Personenbindung an einen bestimmten Menschen, aber Aggressionen gegenüber anderen Mitgliedern der Familie, ist neben einer teilweise mehrwöchigen, ausnahmslosen Handfütterung, völlige Ignoranz anzuraten (aufstehen und rasches Entfernen, Veränderung der Sozialrangordnungsprivilegien, Nichtbeachtung des Hundes)."

In die Praxis umgesetzt heißt das, mein personenbezogener Hund knurrt ein Familienmitglied an, oder greift es sogar an und ich ignoriere meinen Hund, bzw. beachte ihn nicht. Toll, wird der denken, dann ist das ja geduldet und macht weiter. Während meiner Abwesenheit versucht dann meine Frau erst mal den Hund mit Handfütterung abzulenken und wenn das nicht gelingt, ignoriert auch sie ihn. Anschließend klären wir nur noch die Frage, wer die Rechnung des Hausarztes bezahlt, die Krankenkasse, oder die Hundehaftpflicht. Letztere sollte dann allerdings auch jeder "Herdenschutzhundebesitzer" haben, der solche Ratschläge befolgt. Und vielleicht kann mir ja mal jemand erklären, was "Sozialrangordnungsprivilegien" sind, vielleicht ja auch was theoretisches?

Jeder darf mal kraulen
Foto: Hartmut Deckert

Auch seine folgenden Sätze zeugen von geradezu "klassischer wissenschaftlicher Ausbildung":

"Übersteigerte Futteraggression ist oft auf Knochen und Ersatzbeute gerichtet, so daß eine direkte Verhaltenskorrektur mitunter sehr schwierig ist. Pauschale Ratschläge bringen nichts. Die Vermeidungstaktik (der Hund bekommt keine Knochen mehr) und die Umleitung auf Alternativverhaltensweisen sind tendenziell am vielversprechendsten."

Das Motto, mach die Augen zu, dann siehst du keine Probleme mehr, hilft auch nicht weiter, also sollte eine andere Lösung gefunden werden, als bei diesem Beispiel der Knochenentzug. Aber was dann eine "Umleitung auf Alternativverhaltensweisen" ist, dies Antwort bleibt er wieder mal schuldig. Es darf also geraten werden.

Und dann kommt der Höhepunkt, denn ich frage mich sicher nicht alleine, wer bitte soll das sein, wenn Bloch schreibt:

"Nicht kontrollierbare Aggressionen sollten von einem sachkundigen Herdenschutzhundespezialisten überprüft werden."

Falls mal jemand einen kennen lernt, bitte Nachricht an uns.

So manchen Satz könnte man in den Blochschen Ausführungen noch abklopfen auf Machbarkeit, aber irgendwann wird auch der "spannendste Autor" langweilig. Oder anders ausgedrückt, irgendwann fragt man sich dann schon, wer das alles glauben soll.

Als Schluss soll daher noch ein Ratschlag an unsere Leserschaft gehen, den wir wenigstens anders umsetzen würden, als Bloch. Denn unsere Erfahrungen beziehen sich auf Hirtenhunde, "Herdenschutzhunde" und alle anderen Rassen. Und die lauten, man sollte bei allen Rassen erst mal die Besitzer fragen, ob man den Hund z. B. streicheln darf. Steht ein Hund hinter der Eingangstüre, sollte man erst klingeln und dann fragen, ob man reinkommen darf. Und wenn es wirklich mal eng wird, z. B. in einer Fußgängerzone, kann man ja auch mal einem wildfremden Hund etwas Platz machen, ohne sich was zu vergeben.

Diese Tipps kann man aber auch für das tägliche Miteinander unter Menschen anwenden. Oder betritt jemand einfach eine fremde Wohnung oder Grundstück, streichelt ein Kind oder eine "knackige Blondine", oder rempelt eine alte Oma an, wenn sie ihm im Weg steht? Wir tun das nicht, Andere anscheinend schon, denn Bloch schreibt dazu:

"Wie bereits erwähnt, hassen es Herdenschutzhunde "ihr Gesicht zu verlieren". Dem Hund unbekannter Besuch, Bedienungspersonal im Restaurant oder Passanten in der Fußgängerzone sollten instruiert werden, einen Herdenschutzhund keinesfalls unaufgefordert anzusprechen oder gar zu streicheln. Ignoranz unter Vermeidung direkten Blickkontaktes gegenüber dem Hund provoziert keine sozial motivierten Angriffe bzw. Missmutsäußerungen in Form von Knurrlauten. Die meisten Herdenschutzhunde wollen in Ruhe gelassen werden und verhalten sich nach umsichtiger Sozialisierung relativ neutral. Eine Führung über Halti in engen Gassen u. ä. lässt bei Mensch und Hund erst gar keinen Stress aufkommen."

Nur das mit dem Instruieren aller möglichen Leute in allen möglichen Situationen würden wir unterlassen, denn es wäre ein bisschen albern und zudem zu zeitaufwendig, wenn wir jedes Mal diesen Leuten einen Vortrag über "Herdenschutzhunde" halten würden.

Eines allerdings ist falsch, nämlich die Bemerkung: "Die meisten Herdenschutzhunde wollen in Ruhe gelassen werden und verhalten sich nach umsichtiger Sozialisierung relativ neutral." da wie schon beschrieben, jeder Hund, egal ob Rassehund oder Mischling, umsichtig sozialisiert werden sollte, verhalten sich eben alle Hund dann auch "relativ neutral." Man findet aber auch eine ganze Menge Hirtenhunde, die alles andere als das sind.

"Den kenne ich zwar nicht, aber er krault gut!"
Foto: Bernd Kornmaier

Wie man aber in der Praxis mit "Herdenschutzhunden" umgeht, beschreibt Bloch am Beispiel von Taiga, einer Kaukasin, unter dem Titel:

TAIGA - die Odyssee einer kaukasichen Owtscharkahündin

Wenigstens in Ausschnitten wollen wir diese Geschichte wiedergeben.

"Aus dem Ursprungsland kommend, über einen Privatmann aus dem Ruhrgebiet an eine Tierschutzvereinigung abgegeben, an einen älteren Herrn weitervermittelt, landete die Owtscharkahündin im Februar 1998 zwecks Verhaltensüberprüfung bei uns. Die zweijährige Hündin zeigte angeblich unkontrollierte Aggressionen. Ein solch junges Tier in fünfter Hand! Den einleitenden Text dieses Artikels noch einmal in Erinnerung rufend, ein leider klassisches Beispiel für einen "idealen Familienhund", der ein ums andere Mal in "gute Hände" abzugeben war. Leider kein Einzelfall. Herdenschutzhunde brauchen ein verhaltensökologisches Umfeld, das ihren Bedürfnissen entspricht.

Die Hündin Taiga bellte drei Tage lang durch, offensichtlich musste sich der angesammelte Energiestau erst einmal entladen."

Dramaturgisch sehr eindrucksvoll ist die dreitägige Bellerei. Aber ob das ein Hund schafft, ohne anschließend 14 Tage "halskrank" zu sein, wage ich zu bezweifeln, allerdings auch, dass ein Kaukase so was tut. Aber bei Bloch ist alles möglich. Auch wenn er gleich das nächste "Märchen" bedient:

"Die Hündin ist ein Klassiker. Bevorzugt nutzt sie das Flachdach der Hütte zur besseren Übersicht, stimmt sich durch leichtes Brummeln ab der Dämmerung in ihren Job ein, um nachts selbständig das Terrain zu bewachen. Am Tage ist sie gegenüber fremden Menschen reserviert, nachts extrem aufmerksam und verteidigungsbereit."

Und auch das von ihm so eindrucksvoll beschriebene Verhalten der "Herdenschutzhunde" zeigt sie in voller Bandbreite und das klingt so:

"Territorial motiviert rast sie bei außerhalb der Routine stehenden Ereignissen bis zum Gartentor und macht jedem unmissverständlich klar, daß sie ihre Wachaufgaben sehr ernst meint.

Territorialansprüche meldet sie über gezielt abgesetzte Urinmarkierungen im Vorgarten an. Die massive Verteidigung von Knochen ist erledigt (zwecks alternativer Gebissreinigung gibt es nur noch harte Hundekuchen).

Die territorial motivierte Aggression im Auto (auch gegenüber uns) wich einer Umkonditionierung auf ein klar umrissenes Sichtzeichen in Richtung einer regelmäßig ca. 10 m vom Auto entfernt aufgestellten Futterschüssel. Die Drohgesten der Hündin wurden nach Öffnung der Ladeklappe komplett ignoriert und direkter Blickkontakt vermieden."

Und diese Futterschüssel ist seither ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Lediglich während der Fahrt ist sie für Taiga nicht sichtbar, wohl aber immer dabei, vielleicht aber hängt sie auch laut scheppernd an der Stoßstange und gibt dem Hund wenigstens akustisch seine benötigte Sicherheit.

Auch diese Hündin wurde durch die einfache Methode des Ignorierens erzogen und gerettet:

"Nach einigen Wochen intensiven Kontaktaufbaus startete Taiga sozial motivierte Angriffe auf Personen, wenn sie auf unserer Terrasse zu meinen Füßen lag. Verbale Kommandos oder der Einsatz einer Wurfkette brachten keinen Erfolg. Nachdem ich das Verhalten ignorierte, kommentarlos aufstand und in eine andere Richtung ging, verschwand die Unart nach zwei Wochen Training. Taiga, die kurz vor dem Einschläfern stand, ist mittlerweile ein Traumhund."

Auch der Schlusssatz zu Taigas Geschichte ist Bloch sehr gut gelungen, er schreibt nämlich:

"Sie ist und bleibt eine Owtscharkahündin, hat jedoch nach einer wahren Odyssee ein verhaltensökologisches Umfeld angetroffen, das eines Herdenschutzhundes würdig ist. Herdenschutzhunde sind pauschal eben keine idealen Haus- und Familienhunde, es sind Caniden der besonderen Art."

Was aber sind die anderen Caniden? Das Fußvolk, die Deppen, blöde Bauernhunde, armselige Jäger?

Wir aber schreiben immer noch: "Hund ist Hund"!

Foto: Bernd Kornmaier

Einen der gelungensten Erziehungserfolge von Günter Bloch wollen wir am Schluss noch zitieren, denn er ist ein "Kracher". Er veröffentlichte ihn in seinem Buch "der Wolf im Hundepelz" unter dem Titel:

"Objektverknüpfung im Außengelände"

Manche Hunde verhalten sich im wahrsten Sinn des Wortes gnadenlos, sehen Autos als "Sparrings-Partner" an oder Mofas als "technische Beutetiere", die es zu zerpflücken gilt. Auch meine von einem Tierschutzverein übernommene Kaukasenhündin "Taiga" baute sich früher wie ein Bodybuilder vor einem entgegenkommenden Traktor auf und schien ihn zu fragen: "Ich bin ein muskelbepacktes, strammes Mädchen -und wer bist du?" Dumm nur, dass auch ein Traktor über ausreichend "Kampfkraft" verfügt. Taiga habe ich damals nach einer alten Regel der Mönche von New Skete (1987) erzogen: Verfolgt ein Hund Mofas, Fahrräder oder Autos im gestreckten Galopp, führt das Objekt selbst die Bestrafung aus, indem der jeweilige Fahrer dem wütenden Hund Blechdosen oder mit Wasser gefüllte Luftballons oder Kondome entgegenwirft. Ja, Kondome, schließlich müssen wir das Wirtschaftswachstum ankurbeln, oder?

Wirkungsvoll ist auch, einen Helfer in der Ladeklappe eines Autos zu verstecken, der über den heraneilenden Hund einen Eimer Wasser, gießt, wobei eine solch kleine Menge dem ortsansässigen Wasserwerk keinen Umsatzschub bringt und mancher Neufundländer sagen wird: "Prima, mehr davon!" Scherz beiseite: Sobald die Missetat des Hundes unterbleibt, verstärkt man sofort den gewünschten Verhaltensansatz des Herankommens durch Händeklatschen, einen verbal freundlichen Ruf oder einen Pfiff. 

Kleine Anmerkung: Meine Taiga schaute damals überhaupt nicht verdattert, sondern einfach nur stinksauer. Der Owtscharka an sich straft bisweilen "durchgeknallte" Objekte mit einem verachtenden Blick. Taiga lässt Traktoren heute unbeachtet passieren. 

Nachsatz: Soweit also Günter Bloch, der Hunde mit Blechdosen, wassergefüllten Kondomen und Wassereimern bewirft und dabei nicht bedenkt, dass so was nicht nur albern, sondern auch gefährlich für die Hunde ist. Zu diesen Ausführungen und seinen Büchern und Artikeln fällt mir noch ein Wunsch ein. 

Der lautet: Er möge diese doch in seinem "frohgemuten" rheinischen Dialekt schreiben, dann merken auch Preußen, Bayern und Schwaben, dass alles geschriebene ziemlich dicht an eine Prunksitzung im "Karneval" herankommt. 

 

Aufgenommen am 11.11.
Foto: Bernd Kornmaier

 Hartmut Deckert


Zu diesem Artikel bekamen wir folgende Leserbriefe: