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Erziehung

Erziehung in der "freien Natur"
Foto: Heike + Thomas Steeb

Sich heutzutage dem Thema Erziehung zuzuwenden, ist kein leichtes Unterfangen, denn fast jede Woche wird eine "neue Sau" durchs Dorf getrieben. Irgendein Guru, Tierpsychologe, Tierschützer oder eine Hundeschule hat neue und "revolutionäre" Ideen. Und die gilt es für viel Geld umzusetzen. Dazu kommt, dass in verschiedenen Bundesländern versucht wird, den so genannten Hundeführerschein einzuführen, ein "Millionenspiel", das alle trifft: Die alten Leute mit ihrem 10 Jahre alten Mischling genauso, wie die junge Familie, die unter anderem für ihre Art der Lebensqualität eben auch einen Hund braucht.

Kaukase Nannuk 1996, aber das muss nicht sein

Die Frage wäre nur: braucht man das für alle Hunde und damit natürlich auch für Hirtenhunde? Nachdem ich am Anfang meiner "Karriere" als Hundebesitzer auch mal auf Hundeplätzen war und die ganze Palette mitgemacht habe, staune ich heute, mit wie wenigen Kommandos wir auskommen im täglichen Umgang mit unseren beiden Hunden. Zur Erinnerung, dies sind zur Zeit ein Sarplaninac und eine Kaukasin, 4 und 6 Jahre alt, und somit erwachsen und ausgewachsen.

Und die nächste Frage wäre dann: wann fängt eine Erziehung an? Antwort: Eigentlich wenige Minuten oder Stunden nach der Geburt. Also hat den ersten Part immer der Züchter. Daher waren wir bei fast allen Geburten unserer Hündinnen dabei und sobald sie ihre Welpen trocken geleckt hatten, lagen diese wenigstens einige Momente auf unserer Hand. Im Laufe der Wochen wurde dieser Kontakt immer länger und wir gewöhnten unsere Welpen langsam aber sicher an ihre neuen Menschen und an eine neue Welt.

Schon lange her, unsere Schäferhundewelpen mit Kindern
Foto: Hartmut Deckert

Dazu gehörten so ab der fünften Woche Kinder, die unsere Tochter mitbrachte und die unter unserer Anweisung und Aufsicht mit den Welpen spielten.

Zwar hatten wir damals einen Tierarzt, der zu uns kam, wenn es an der Zeit war, zu impfen und zu entwurmen, aber wir haben die ganze "Bande" mitsamt Mama und Papa ins Auto gepackt und eine immer größer werdende Runde gedreht.

Verkehrslärm hatten sie genug, denn hinter unserem Garten verlief die S-Bahn. Blieben noch fremde Hunde und auch da waren die Welpen gut vorbereitet, denn wir hatten immer 3 bis 4 Hunde und die waren tolle Onkels und Tanten.

Gemeinsame Fütterung
Foto: Hartmut Deckert

Warum ich das alles noch mal beschreibe, obwohl es doch hinlänglich bekannt sein sollte? Meine Antwort wäre, weil ich das heute immer noch bei einer ganzen Reihe von Züchtern vermisse. Da werden dann Welpen jeder für sich gefüttert, unter Wärmelampen sozusagen weich gespült und die Mutter wird ab der 5. Woche immer länger von den Welpen getrennt, damit sie entlastet ist. Derartige Züchter sind schlechte Züchter, vor allem dann, wenn sie aus Kostengründen keinen Rüden halten.

Kaukasenzüchter,
der immer auch einen Rüden hielt
Foto: Hartmut Deckert

Und noch einen Grund gibt es. Bei der Beschreibung des Charakters eines Hirtenhundes war zu lesen, die Hunde seien sehr selbstständig und reichlich eigensinnig. Stimmt ziemlich, aber erst, wenn sie älter oder erwachsen sind. Welpen kann man prima beeinflussen, man muss nur die Eltern auf seiner Seite haben. Das heißt dann z. B., ich rufe die Mutter und die ganze Bande kommt gleich mit. Oder ich locke einen Welpen oder den ganzen Wurf mit "Leckerli" und der Erfolg wird enorm sein, denn die "lieben Kleinen" sind es ja noch gewöhnt, immer im Pulk aufzutreten. So lernen sie ganz nebenbei die ersten Kommandos oder Anweisungen.

Bleiben wir noch mal beim Züchter. Vor einigen Jahren wurde mir ein weißer Kaukasen-Rüde angeboten, erinnere ich mich richtig, war der etwa 6 Monate alt. Den kaufte ich nicht, denn ich kannte seine Mutter. Im Kapitel Charakter habe ich diese so beschrieben: "Die durfte z. B. mit ausdrücklicher Duldung ihrer Besitzer fremde Hunde und Menschen anbellen und aggressiv "anmachen", wenn sie an der Leine war. Ein derartiges Verhalten überträgt sich auf den "Nachwuchs". Auch hier würde ich schreiben, ein schlechter und unverantwortlicher Züchter.

Bevor man also einen Welpen kauft, sollte immer gelten, die Eltern anschauen und genau beobachten, wie sie sich gegenüber anderen Menschen und Fremden benehmen. und einen Welpen nie mit dem Bauch beurteilen, sondern immer mit dem Kopf. "Ist der nicht süß!" und andere Sprüche sind wenig hilfreich.

Und dann kommt er ins Haus und mit ihm die vielen guten und weniger guten Ratschläge. Es fängt damit an, dass man einen Hirtenhund nur dann kaufen sollte, wenn man über die entsprechende Erfahrung mit diesen Rassen verfügt. So wenigstens die "Experten", nur sagen die nie, wie sie denn diese Erfahrungen erworben haben. Also kann man diesen Ratschlag vergessen und es trotzdem mit einem solchen Hund versuchen. Denn angesagt ist bei einem Hirtenhund nur Logik und Konsequenz, aber kein Expertenwissen, wie bei anderen Rassen übrigens auch.

So haben wir sozialisiert
Foto: Hartmut Deckert

Wer bis hier gelesen hat, wird sich nicht wundern, wenn ich am Anfang der "Karriere" als Familienmitglied den Welpenspielgruppen der Hundeschulen äußerst skeptisch gegenüberstehe. Eine ganze Reihe von Trainern/innen nennt das zwar "Welpenspielgruppe", aber es wird sehr oft auch schon mehr oder weniger Gehorsam verlangt. Da bin ich mehr fürs spielen und zwar solange, wie ein Welpe Lust hat und nicht solange, bis Ausbilder meinen, man müsse mittendrin den eigenen Hund abrufen und ähnliches.

Allerdings ist Welpenspiel und der Kontakt mit anderen Hunden natürlich enorm wichtig. Die Alternative wäre also, mal zu schauen, was es in der Nachbarschaft so an Hunden gibt. Bei uns im Dorf gibt es einige Hundebesitzer, die treffen sich regelmäßig und da wird dann auch gespielt, im freien Feld und ohne Leine. Treibt es einer zu toll, oder reicht es einem jungen Hund, kann man ja abbrechen. Der Vorteil dabei, ein Hund lernt, ohne das ein eingezäunter Platz nötig ist, also wie im richtigen Leben. Das ist deswegen wichtig, weil viele Hunde sich auf dem Platz anders benehmen, als außerhalb.

Mastin Espanol Welpen
Foto: Marietta Eggmann

Und noch einen Riesenvorteil hat das ganze, es kostet nichts und macht trotzdem Spaß, während so ein Kurs ganz schön in die Euros geht.

Die Welpenzeit geht schnell vorbei und der kleine süße "Knuddelbär" wird ein Junghund. Auch jetzt wird wieder die Empfehlung gegeben, eine Hundeschule zu besuchen, Mitglied in einem "Hundeverein" zu werden oder Einzelstunden zu nehmen. Wir haben es ohne geschafft und sind trotzdem mit unseren Hunden zufrieden und die hoffentlich auch mit uns.

Was nämlich soll ein Hund lernen? Die Antwort kann ganz verschieden sein und es können viele Antworten sein, denn jeder Hundehalter stellt andere Ansprüche.

Centralasiatin
Foto: Alexander Jonas

Wir wollen Hunde, die wachsam sind, aber nicht aggressiv. Unsere Nachbarn finden das auch toll, denn sie fühlen sich so sicherer. Andere Halter wünschen, dass ihre Hunde nachts niemand auf das abgeschlossene Grundstück lassen, z. B. auf Höfen. Der Besitzer einer Gartenwirtschaft oder eines Reiterhofes würde sich schön bedanken, wenn sein Hirtenhund nach Einbruch der Dunkelheit alles und jeden stellt, und ähnliche Beispiele.

Stellt man unterschiedliche Ansprüche, muss man auch unterschiedlich erziehen. Kann das eine Hundeschule, ein Tierpsychologe, oder ein Trainer? Meine Antwort nach den Erfahrungen der letzten Jahre lautet: nein.

Was lernt man dann auf diesen Plätzen oder Hundeschulen, oder in "schweineteuren" Einzelstunden? Eine ganze Menge an meiner Meinung nach unnützen Dingen. In einer Rassebeschreibung habe ich schon mal die Frage gestellt, warum ein Hund z. B. sauber und akkurat am Knie "Fuß" laufen muss? Niemand kann diese Frage richtig beantworten, außer denen, die Hundesport betreiben und dann eben nach einer Prüfungsordnung für bestimmte Übungen bestimmte Punktzahlen erreichen wollen. Unsere Hunde laufen höchstens durch Zufall mal "Fuß", meistens sind sie vor uns, wenn sie an der Leine sind. Ohne Leine findet man sie überall, je nachdem, wie interessant es unterwegs riecht. Das reichlich alte und einfach nicht stimmende Argument, man müsse seinem Hund zeigen, wer das "Sagen" hat, hilft bei derartigen Erziehungsmethoden auch nicht weiter. Denn wir wenigstens stellen fest, dass unsere Hunde unsere Autorität deswegen noch lange nicht in Frage stellen.

Wenn z. B. Valeria Slembrouck schreibt im Zusammenhang mit dem Komondor:

"Erfährt er eine konsequente und faire Führung von Seiten seines Meisters, so erwidert er diese mit Respekt und echter, tiefer Loyalität und unverbrüchlicher Freundschaft für die Seinen, mit denen er einen 'Bund fürs Leben' eingeht",

dann hat sie völlig recht. Und es klingt doch logischer, als die Ratschläge der "Gurus", der Hund darf das nicht und das nicht und er muss das und das tun.

Verschiedene Male habe ich die Begriffe Logik und Konsequenz verwendet. Das heißt nichts anderes, als Heute so und Morgen so geht nicht. Entweder ein Hundehalter verbietet etwas immer, oder er muss es erlauben, bzw. hinnehmen. Beispiel: Hunde haben auf Kinderspielplätzen nichts zu suchen. Das kann ich einem Welpen bereits vermitteln, ohne Druck oder gar Gewalt, nur mit Geduld und Spucke. Ein Hirtenhund begreift das "ruck zuck". Das lernt man dann aber in den wenigsten Hundeschulen, denn da gibt es keine Kinderspielplätze. 

 

Foto: Kuvasz-Vereinigung -Deutschland e.V

Kinder und Hunde sind tolle Teams. ABER es bedarf bei beiden einer sorgfältigen Erziehung. Die meisten Beißunfälle passieren im häuslichen Bereich. "Jahrelang ging alles gut, aber jetzt hat er zugebissen", derartige Sprüche hört man immer wieder.

Daher muss ein junger Hund, sobald er in die Familie kommt, lernen, wie man mit Kindern umgeht, denn die haben z. B. keine langen Haare und ein dichtes Fell, sondern sind wesentlich empfindlicher. Hunde begreifen das sehr schnell, wenn man sie anleitet.

Andererseits sollten auch die "lieben Kleinen" lernen, was man einem Hund zumuten kann und was nicht. Meine Frau und ich haben unserer Tochter auch nicht auf dem Teller rumgefummelt, daher ist sie nie auf die Idee gekommen, das bei unseren Hunden zu tun. Und darum ist nie etwas passiert, um nur ein Beispiel zu nennen.

Traum-Paar
Foto: Heike + Thomas Steeb

Eines aber ist ganz sicher, Hunde wissen sehr wohl, dass Kinder anders oder schwächer als Erwachsene sind. So hatten wir einmal einen Rüden, der der Meinung war, unsere Tochter dürfe nicht zu schnell Schlitten fahren. Wurde nämlich die Geschwindigkeit zu hoch, zog er sie mit den Zähnen von Schlitten. Dafür beschimpfte sie ihn und er wedelte mit dem Schwanz, denn er hatte schließlich dem armen Kind das Leben gerettet.

Erziehung ist natürlich auch dann vielfältig, wenn in einer Hausgemeinschaft verschiedene Menschen leben, auch die ältere Generation. Zum Beispiel mit meiner Schwiegermutter müssten meine Hunde anders umgehen, als mit meinem Schwager, denn "Oma" ist einiges über 80 Jahre alt und nicht mehr so stabil auf den Füßen, wie so ein "junger Hupfer".

In vielen Haushalten gehören andere Tiere dazu, auch da muss ein Hirtenhund lernen, wie das funktioniert. In der Regel begreift er auch das sehr schnell, denn er ist es ja eigentlich "genetisch" gewöhnt, mit anderen Tieren zu leben. Aber wie schon beschrieben, er braucht so was nicht.

Zurück zu den so genannten Hundesportlern! Natürlich können auch Hirtenhunde alle Prüfungen machen, die es gibt, ABER die Frage ist, sollen sie das? Meiner Meinung nach nur sehr eingeschränkt. Eine Fährtenhundprüfung finde ich z. B. sinnvoll, denn mit ihrer natürlichen Neugier sind Hirtenhunde zum Suchen gut geeignet.

Einer Begleithundeprüfung stehe ich schon wesentlich skeptischer gegenüber. Weil eben meiner Meinung nach nicht ein Hirtenhund "Fuß" und ähnliches lernen muss, aber das hatten wir ja schon. Im übrigen halte ich das ewig gleiche "Rumgelatsche" auf einem Hundeplatz für reichlich überflüssig, denn auch das ist schon beschrieben, Hunde sind nicht blöd und deswegen benehmen sie sich auf einem Platz anders, als im "realen Leben".

Wir sind daher dann mit unseren Hunden absolut zufrieden, wenn sie etwas ganz ohne Leine getan haben. Zum Beispiel gibt es bei uns eine Pferdekoppel. Die dürfen sie nicht betreten, egal ob die Pferde draußen sind oder nicht. Das befolgen unsere Hunde eben ohne Leine.

30 Jahre alt, aber hatten wir auch schon mal!
Foto: Hartmut Deckert

Absolut ablehnend stehe ich der so genannten Schutzdienstarbeit gegenüber. Hunde sollen nie in irgendeiner Ausbildung lernen, auf Menschen loszugehen. Allerdings gilt das meiner Meinung nicht nur für Hirtenhunde, sondern für alle Rassen. Auch hier weiß ich, von was ich rede, denn meine ersten Schäferhunde lernten, zu beißen. Die Folgen waren kurz gesagt fatal . Allerdings haben Hirtenhunde von Natur aus einen sehr ausgeprägten Schutztrieb und deswegen soll dieser eben nicht noch gefördert werden.

Wenn es dann aber ein Besitzer eines Hirtenhundes genau wissen will, kann er ja mal überlegen, ob er seinen Hund als Rettungshund ausbildet. Einige gibt es schon, genau wie übrigens Therapiehunde. Für beide Ausbildungen sind Hirtenhunde gut geeignet. Als Warnung möchte ich allerdings schreiben, dass eine solche Ausbildung viel Zeit kostet.

In vielen Beschreibungen ist dann zu lesen, Hirtenhunde seien grenzenlos ergeben. Mit so einem Hund wäre dann eine Erziehung ein Kinderspiel. Die gleichen Autoren schreiben dann allerdings auch, Hirtenhunde sind auch eigenwillig. Dann gäbe es bei der Erziehung ein Problem. Wir haben festgestellt, beides ist Blödsinn und deswegen erziehen wir unsere beiden Hunde, wie bisher beschrieben. Und bisher hat das auch immer geklappt. Denn wir laufen ohne Leine und die meiste Zeit des Jahres in der Dunkelheit. Und wir kommen nach jedem Spaziergang ohne Stress wieder heim.

Zu einer hirtenhundegerechten Erziehung gehört aber auch, dass man diese an die Haltung anpasst. Wir z. B. halten unsere Hunde in einem Gehege. Dort verbringen sie den Tag alleine, denn wir sind beide immer noch berufstätig. Abends gehen wir raus und danach wird im Haus gefüttert und eine Weile gespielt, oder gebürstet, oder nur rumgeblödelt. Danach gehen unsere beiden mit durchhängender Leine wieder raus und "bewachen" den Rest der Nacht das halbe Dorf. So sind sie es gewöhnt, bzw. sie sind so erzogen.

Nannuk + Lea warten auf den "Ausgang"
Foto: Hartmut Deckert

Damit will ich schreiben, unsere Hunde müssen nicht mit, wenn wir Abends Essen oder sonst wo hin gehen. Denn dort liegen sie nur unnütz unter einem Tisch in schlechter Luft und oft überheizten Räumen. Uns wenigstens ist es wichtig, dass zu ihrer Erziehung auch eine Routine gehört. Denn mit ständigem Wechsel von Gewohnheiten kann man einen Hund auch verunsichern. Schließlich sagt man nicht zu Unrecht: "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier". Ist das richtig, gilt es natürlich auch umgekehrt.

Es wurde schon erwähnt: Erziehung hängt natürlich von den Umständen und der Umwelt ab. Wir leben auf dem Land und deswegen müssen unsere Hunde auch nicht in die Stadt, Bus oder S-Bahn fahren und eine Rolltreppe perfekt beherrschen und ähnliches. Daher sind wir gegen die Erziehungsziele eines Hundeführerscheines. Dort wird unabhängig von den Lebensumständen nämlich genau derartiges verlangt. Laut einem solchen Führerschein müssten unsere Hunde sich dafür in "Feld und Flur" nicht so sicher bewegen, wie sie es tun.

Sinn der vergangenen Kapitel ist eigentlich nur, zu vermitteln, jeder Hundehalter sollte sich überlegen, wie ein Zusammenleben mit einem Hund laufen soll und erst danach eine Erziehung beginnen. Und dabei spielt es dann auch keine Rolle, ob man es mit einem Hirtenhund zu tun hat, oder einer anderen Rasse. Natürlich muss dann aber auch klar sein, dass eben nicht jeder jeden Hund in seiner Situation halten kann. Darauf werde ich aber genauer eingehen im Kapitel "Haltung"

Daraus schließe dann wenigstens ich, dass eine Hundeschule relativ überflüssig ist. Und das man auf diesen ganzen "Klamauk", der heutzutage gemacht wird, verzichten kann. Unsere Hirtenhunde - andere Rassen natürlich auch - machen es uns nämlich relativ einfach. Fühlen sie sich wohl und ist ihre Umgebung angenehm, ist eine Erziehung einfach. Stimmt das Umfeld nicht, gibt es Probleme. Dieser Satz gilt allerdings nur, wenn man das bisher beschriebene so einigermaßen anwendet.

Im Zusammenhang mit Hundeschulen erinnere ich mich an eine ganze Reihe von Gesprächen mit Hirtenhundehaltern, die mir immer sagten, sie fühlten sich dort nicht wohl, denn ihre Hunde seien eine Art "Exoten". Sicher haben sie das richtig beobachtet, denn in diesen Einrichtungen kann man in der Regel mit dieser Art Hund nicht viel anfangen.

Wer mal das Buch von Petra Krivy gelesen hat, die als "Herdenschutzhundehalterin - und Züchterin" auch noch eine Hundeschule betreibt, wird sich an Bilder erinnern, die man in jeder Hundeschule sieht und die wenigstens nach meiner Meinung überflüssig sind. Da muss ein Hund z. B. alleine liegen bleiben, oder ihm und dem Führer wird angeblich mehr Sicherheit vermittelt durch das Tragen eines Haltis. Leider erklärt die Autorin nicht, warum das z. B. unsere Hunde können müssten. Die beherrschen das Kommando "Steh" und das genügt.

Sehr hoher "Wohlfühlfaktor" einer Südrussin
Foto: Philipp Weber

Darum denke ich, dass auch die wenigen Trainer/innen, die mit Hirtenhunden arbeiten oder schon mal mit solchen zu tun hatten, "den Gaul von der falschen Seite her aufzäumen". Denn wie ich schon geschrieben habe: es kommt auf die Bedürfnisse an und auf die Umwelt und danach kann man sich dann eine Erziehung "ausdenken".

Bei der Erziehung unserer Hunde haben wir immer deren buchstäbliche Neugier einbezogen. Haben wir uns z. B. irgendwo hingesetzt, kamen sie automatisch zu uns zurück. So haben sie sehr einfach gelernt, das man nicht einfach abhaut.

Und auf etwas anderes haben wir bei der Erziehung auch geachtet. Wir sind nämlich der Meinung, wenn ein Hund etwas nicht können muss, weil wir es nicht für nötig erachten, braucht man ihn auch nicht zu bestrafen, wenn er dann so was nicht richtig ausführt. Gemeint ist damit, je weniger Erziehung, umso weniger Probleme.

Wir geben also unseren Hunden soviel Freiheit wie möglich und die denken nicht im Schlaf daran, unsere Autorität anzuzweifeln. Zu dieser Autorität, man könnte auch Dominanz schreiben, gehört dann auch, dass nach Meinung einer ganzen Reihe dieser "Supererzieher" gehört, dass ein Hund den ganzen Tag auf Trab ist, weil er bestimmte Rituale einhalten muss.

Beispiele:

So darf ein Hund nicht im Wege liegen, wenn sich die Besitzer in den Räumen bewegen.

Sie dürfen nicht auf erhöhten Plätzen liegen.

Bestimmte Räume sind tabu, usw.

Unsere Erziehung war dafür praxisbezogener. Unsere Hunde haben gelernt, dass wir ihnen "im Mund rumfuhrwerken" oder in ihren Ohren bohren. Sie sind es gewohnt, dass wir sie bürsten und Verfilzungen raus schneiden und ähnliches, denn so was braucht man im täglichen Umgang mit Hunden.

Zur Erziehung eines Hirtenhundes gehört aber auch, dass man seine Entwicklung beachtet. Gemeint ist, dass diese Rassen ausgesprochene Spätentwickler sind und in bestimmtem Phasen auch mal etwas ängstlicher oder zurückhaltender erscheinen. Während diesen Phasen sollte man mit viel Einfühlungsvermögen und Zeit arbeiten.

Viele Jahre wurde z. B. behauptet, ein Hirtenhund ist ein ganz lieber und unproblematischer Hund, bis er ca. 18 Monate alt ist, dann dreht er "über Nacht" um und zeigt sich dann von seiner wahren Seite. So stimmte das natürlich nicht. Denn der Hund wurde höchstens mit zunehmendem Alter selbstbewusster. Und das konnte je nach Erziehung und Genetik dann auch unangenehm werden. Unsere Hunde haben ein derartiges Verhalten nicht gezeigt, aber wir waren eigentlich auch immer gleich in unserer Einstellung und Erziehung.

Ganz gelassener + lockerer Mastin Espanol
Foto: Hartmut Deckert

In einigen Rasseportraits ist es schon angeklungen, Hirtenhunde kann man unterfordern, dann verselbstständigen sie sich, man kann sie aber auch überfordern. So was passiert sehr oft dann, wenn man auf Hundeplätzen alles machen will oder muss, was dort vorgegeben wird.

Aus dieser Erkenntnis heraus meine ich, man sollte es bei einigen Dingen einfach bleiben lassen. Schutzdienst wurde schon erwähnt. Agility halte ich auch nicht für den Hit und Dogdancing ist einfach entwürdigend. Und es sollte eben beachtet werden, dass ein Hund immer nur das lernt, was er auch tatsächlich für sein Leben braucht, oder für das Zusammenleben mit seinen Menschen.

Und man sollte die Würde und die Eigenheiten der Hirtenhunde nie vergessen. Wer diese außer Acht lässt, sollte allerdings auch die Finger von allen Hunden lassen, denn sie sind keine Maschinen, Olympiasieger und auch keine Sportgeräte. Berücksichtigt man diese Überlegungen, kommt man vielleicht von alleine drauf, Spaß haben und auch Gehorsam lernen kann man auch ohne teure und oft überflüssige Trainer/inen und Hundeplätze. Denn jede Wiese ist im Grunde genommen ein Übungsgelände.

Zwiegespräch mit einer Kuvasz Hündin
Foto: Hartmut Deckert

Aber auch im täglichen Umgang gibt es eine ganze Reihe von reichlich blödsinnigen Erziehungstipps. So fand ich beim ApH den Rat, man solle den jungen Hund rasch an einen immer gleichen "Kotplatz" gewöhnen. Das widerspricht schon dem Naturell eines Hirtenhundes, denn der eine setzt sich am liebsten unter ein Gebüsch, während der andere seine "Geschäfte" da erledigt, wo er gerade geht und steht. Außerdem wäre ein solcher "Kotplatz" unhygienisch. Bei Wildhunden kann man daher beobachten, dass sie die Lagerstätte für ihre Welpen laufend wechseln. Ein Grund dafür ist die Sauberkeit.

Gane macht, wo er will
Foto: Hartmut Deckert

Auch die Idee, einem gerade eingezogenen Hund seinen Schlaf- oder Ruheplatz zuzuweisen, halte ich für falsch. Unsere Hunde sind keine Kinder, die ihr festes "Kinderzimmer" oder eine Spielecke haben. Daher suchen sie sich ihre Plätze selber, die können im Winter auf dem angenehm warmen Teppich sein und im Sommer im Keller. Will dann ein Hund unbedingt seinen Tag draußen verbringen, wird er einen zugewiesenen Platz auch nicht akzeptieren.

Zur praxisbezogenen Erziehung gehört dann aber, dass man seinem Hirtenhund an wichtige Dinge wie z. B. den Tierarztbesuch gewöhnt. Wenn wir gelegentlich im Wartezimmer unserer beiden Tierärzte sitzen, treffen wir dort eine ganze Anzahl von Hunden, denen die Angst ins Gesicht geschrieben ist. Unsere beiden marschieren da rein, als gehöre ihnen der ganze Laden. Und im übrigen haben sie mit den beiden ein prima Verhältnis. Ist Impfen angesagt, ist das kein Horrortermin, sondern ein "spaßhafter" Denn wir haben unsere Hunde kurz nach ihrem Einzug bei uns dem damaligen Vorgänger unserer beiden Hunde vorgestellt. Und die Nachfolger kommen unterdessen zu uns nach Hause, wenn wir sie brauchen. Wenn es übrigens ein Tierarzt nicht von alleine macht, kann man den dahin "erziehen", dass er an Impftermine erinnert.

"Einzelmusterung" IRAS Stuttgart
Foto: Hartmut Deckert

Wer Ausstellungen besuchen will, sollte seinen Hirtenhund auch dafür etwas erziehen, oder vorbereiten. Denn für einen Hirtenhund ist es keine Selbstverständlichkeit, sich von Fremden in den Mund schauen zu lassen, oder die Hoden kontrollieren zu lassen. Auch sollte man den richtigen "Benimm" im Ring üben. Dazu gehört z. B., dass nicht unnötig "rumgemault" wird.

Da ich kein "Ernährungsexperte" bin, werde ich auf dieses Thema nicht eingehen, aber im Zusammenhang mit der Erziehung hätte ich ein paar Tipps. So sollte ein Hirtenhund zweimal am Tag gefüttert werden. Dies führt zu einer regelmäßigeren und besseren Verdauung und beugt damit eventuell einer Magendrehung vor, die mit "vollem Kessel" eher auftreten kann.

Außerdem kann man bei der Gelegenheit dem Hund gleich beibringen, dass der Futternapf leer gefressen wird. Vor allem Nassfutter sollte nicht solange stehen bleiben, da es sonst verdirbt. Unsere Hunde bekommen daher ihren Napf von uns gehalten. Da sie sehr gute "Esser" sind, ist er schnell leer und anschließend gibt es während unserer Spiele noch Leckerlis aus der Hand. Diese Art "Handfütterung" macht so etwa ein Viertel der gesamten Futtermenge aus.

Wer mal versucht, seinen Hund anders zu erziehen und dabei nicht die üblichen Wege geht, wird sehr schnell merken, dass ein Zusammenleben wesentlich entspannter abläuft. Da kann man noch eins draufsetzen, wenn man diese Erziehung in kleinen Schritten vollzieht und anschließend soviel Vertrauen zu seinem Hund hat, dass man nicht bei jedem kleinen Fehler in Panik gerät. Wir stellen z. B. fest, dass einer unserer beiden gelegentlich versucht, ob die gegebenen Anweisungen noch gültig sind. Ohne jegliche Aufregung sagen wir einfach ja und das wars dann. Panik der Besitzer oder "Strafaktionen" sind überflüssig. Außerdem sollte man sich immer vor Augen führen, wie man selber in bestimmten Situationen reagiert. Auch ich führe nicht jede Anweisung oder Bitte sofort aus, oft lautet meine Antwort, ja gleich, oder ich mache das fertig und dann wird etwas anderes erledigt. Bei Menschen akzeptiert man derartiges Verhalten, bei Hunden meistens nicht. Und so entstehen Konflikte.

Auch so eine Schnapsidee ist der Ratschlag des APH Funktionärs und Richters Heinrich Schmidt, der im Zusammenhang mit der Erziehung des Junghundes schreibt:

"Als erstes wäre die Gewöhnung an Leine, Halsband und Maulkorb. Je eher das erlernt wird, je eher kann der Hund auf Spaziergänge mitgenommen werden."

Maulkorb oder Halti sind asozial und somit Tierquälerei, genauso übrigens, wie ein Stachelhalsband.

Im übrigen sind sich Tierschutzvereine und die Verhaltensforschung einig, dass dauerndes oder häufiges Laufen mit Maulkorb und Leine ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sind. Und einem normalen "Sozialverhalten" der Hunde sind sie auch nicht förderlich. Derartige Erziehungsratschläge sind daher eine "Anbiederei" an Hundeverordnungen und gegen den Hund. Von einem angeblichen Hundekenner sollte man mehr erwarten können.

Als Zusammenfassung könnte man daher schreiben, unsere Hunde, egal welcher Rasse, haben einen ganzen Haufen Phantasie. Wenden wir Menschen genauso viel Phantasie auf, wenn es um die Erziehung geht, dann klappt das Zusammenleben von Mensch und Hund. Und noch eines ist wichtig, lassen wir einen Hund immer einen Hund sein. Zum "Ersatzmenschen" taugt er nämlich absolut nicht.

Foto: Heike + Thomas Steeb

Hartmut Deckert


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