Ausgabe 04/2005
April 2005

"Man nennt mich Hundeflüsterin"
von Christiane Rohn

Mein Vorwort

Unser Freund Hartmut Deckert hat mich gebeten, eine Buchbesprechung über die "Hundeflüsterin" zu verfassen. " Warum denn ausgerechnet ich und wie überhaupt geht eine Buchbesprechung? " habe ich mich etwas erschreckt gefragt. Ich hatte bisher weder einen Hund, noch verfüge ich über sogenannten Hundesachverstand. Meine Hundeerfahrung ist lediglich auf die eines regelmäßigen Gastes bei Freunden, die Hunde halten, begrenzt. Dafür liebe ich Hunde sehr, genieße jedes Zusammensein mit ihnen und interessiere mich für alles, was es so über sie zu wissen gibt.

Ich habe bei Hartmut meine erheblichen Zweifel an meiner Kompetenz angemeldet, aber er ließ nichts davon gelten. Sein Argument, es handle sich hierbei nicht nur um ein Hundefachbuch, sondern vielmehr um eine Lebensphilosophie, die beliebig auch auf andere Tiere oder Menschen übertragbar sei, hat mich dann schließlich – mit etwas Bauchweh – zusagen lassen. Ich hoffe, dass die Beschreibung dieses 511 Seiten umfassenden Werkes und einiger meiner Eindrücke dazu diesem wunderbaren Buch auch nur ansatzweise gerecht wird und bei Ihnen große Lust auf mehr auslöst.

Lassen Sie sich bitte auf gar keinen Fall von dem Preis (EUR 42,--) abschrecken. Dieses Buch ist jeden einzelnen Cent wert und erübrigt eigentlich die Anschaffung weiterer Fachliteratur zu diesem Thema. So gesehen erhalten Sie eine hochkarätige, vollständige und sehr aufwändig gestaltete Fachbibliothek zu einem wirklich günstigen Preis.

Wegen der unglaublichen Fülle dieses Buches ist es mir nicht möglich, eine umfassende Inhaltsangabe zu erstellen. Vielmehr möchte ich auf einzelne Themen eingehen, die mich besonders beeindruckt haben bzw. die ich als sehr wichtig empfinde. Trotzdem möchte ich Ihnen einen Kurzüberblick über alle Kapitel verschaffen, damit klar wird, worum es in diesem Buch überhaupt geht.

Schon die Danksagung von Frau Rohn zu Beginn des Buches, ihr persönliches Vorwort und die Vorworte von der Verlegerin Frau Wengerek und Frau Rohns Lebensgefährten Herrn Schuhmacher, machen dem Leser sofort klar, dass er es hier mit einer ganz besonderen Frau zu tun hat. Da es in der heutigen Zeit leider out ist, Gefühle öffentlich auszusprechen und unbequeme, nichtkonforme Meinungen kundzutun, ist die Ehrlichkeit, mit der Frau Rohn uns in diesem Buch immer begegnet, umso wohltuender und sehr überzeugend.

Besonderes Augenmerk bitte ich Sie, den späteren Leser des Buches, auf die Randbemerkungen im Buch zu richten. Darin werden Sätze aus dem Text zitiert, die, isoliert betrachtet, schon fast den Charakter von Weisheiten besitzen. Mich hat diese Art der Darstellung sehr angesprochen.

Last, but not least, möchte ich die ausgesprochen gute und sehr professionell gestaltete Bebilderung des Buches loben. Ich habe zwar noch nicht allzu viele Hundefachbücher in der Hand gehabt, aber ich glaube, es ist fast unmöglich, etwas ähnlich gut ausgestattetes aufzutreiben. Die im Text behandelten Themen sind immer mit einem oder mehreren Fotos untermalt, die eine bestimmte Mimik, Körperausdruck oder Situation darstellen. Oft wird dabei ein bestimmter Hund vom Gnadenhof mit seinem Namen und seiner Kurzbiographie vorgestellt.

Besonders berührt haben mich die Bilder, auf denen Frau Rohn in inniger Verbundenheit mit ihren Tieren zu sehen ist. Sie strahlt dabei so viel Liebe, Zufriedenheit und Glück aus, dass es mir eine echte Freude war und ist, diese Bilder anzuschauen. Man spürt ganz deutlich, dass die Arbeit mit den Tieren ihr Traum ist und dass sie zu den wenigen Menschen gehört, die fähig sind, ihren Traum mit all den damit verbundenen Glücks- und Trauermomenten, Entbehrungen, Kämpfen, Siegen und Niederlagen zu leben.

Meine Buchbesprechung

Liebe/r Leser/in, ich hoffe, Sie haben sich für meine Buchbesprechung genug Zeit und Muße mitgebracht, denn kürzer habe ich es beim besten Willen nicht hinbekommen. Dann hätte ich das Buch kastrieren müssen und wir wollen doch nicht auf die wichtigsten und edelsten Teile verzichten?!

Im Folgenden erzähle ich Ihnen etwas über die einzelnen Kapitel, und welche Gedanken mir dabei durch den Kopf gingen. 

"Die Wahrheit ist einfach, aber manchmal unbequem"

befasst sich gleich zum Einstieg mit den häufigsten Fehlern, die im Umgang mit dem Hund gemacht werden und die zu gravierenden Missverständnissen zwischen Mensch und Tier führen können. Der Mensch ist sich oft überhaupt nicht bewusst, dass in seiner Beziehung zu seinem Hund etwas nicht stimmt oder vielleicht gar keine Beziehung vorhanden ist . Frau Rohn bezieht sich dabei auf ihre Erfahrungen und Beobachtungen in den vielen Seminaren, die sie für Hund und Mensch abhält. Sie erklärt, worauf Beziehungsprobleme zurück zu führen sind und wie man diese nachhaltig vermeiden kann.

Die Autorin führt den Leser schon gleich zu Beginn des Buches zu einem ihrer wichtigsten Anliegen:

Das Tier soll von seinem Menschen in seiner Individualität und Andersartigkeit akzeptiert und geachtet werden. Beide sollen sich selbst und ihrem arteigenen Verhalten treu bleiben. Imitiert der Mensch das Verhalten des Hundes, was dieser aufgrund seiner Intelligenz mit Sicherheit durchschaut, macht er sich vor seinem Hund unglaubwürdig und lächerlich. Das Tier kann so die Achtung vor seiner eigentlichen Leitfigur verlieren.

Eine echte Freundschaft mit gegenseitigem Verstehen kann auf Dauer nur funktionieren, wenn der Mensch dem Hund eine Basis aus Vertrauen, beiderseitigem Respekt, Orientierung und Sicherheit bietet. Um seinen Hund gut zu verstehen, sollte der Mensch sich neben den durch Beobachtung erlangten Kenntnissen auch das theoretische Wissen über das artspezifische Sozial- und Lernverhalten des Hundes sowie seine Art der Kommunikation aneignen. Zum anderen soll er sich stets bewusst sein, dass auch er dem Hund durch seine Körpersprache, Mimik und verbale Kommunikation eine Vielzahl von Signalen aussendet, die oft widersprüchlich, immer jedoch sehr vielfältig und somit für den Hund nicht eindeutig verständlich sind. Das Tier braucht die Zeit, Möglichkeit und die ehrliche Zuwendung seines Menschen um dessen gesamte Ausdrucksweise zu begreifen und richtig zu deuten.

Das wichtigste ist jedoch, dass der Mensch seinem Tier die gleichen Gefühle zugesteht wie sich selbst. Dies war für mich noch nie eine Frage. Im Gegenteil, ich konnte es schon als Kind nicht begreifen, wie man überhaupt daran zweifeln kann. Das Tier empfindet physischen und psychischen Schmerz, Angst, Stress, Freude und Traurigkeit genauso wie wir. Es strebt nach einem harmonischen und geordneten Zusammenleben, Ausgeglichenheit durch geistige und körperliche Anforderungen und einem festen Ort an dem es sich ausruhen und sicher fühlen kann. Es braucht Anerkennung und Bestätigung, Befriedigung seiner Bedürfnisse, Zuneigung und die Geborgenheit der Familie. Letztendlich sind das genau die gleichen Wünsche und Vorstellungen, die auch wir Menschen von einem erfüllten und zufriedenen Leben haben.

"Die begrifflichen Grundlagen"

befassen sich mit dem Verhalten, Wesen, den Temperamenten, Reflexen, Instinkten, Trieben und Gefühlen der Hunde. Die Themen werden von der Autorin sehr wissenschaftlich behandelt (Verhaltensforschung, Psychologie) und sind meines Erachtens gut recherchiert und mit zahlreichen Quellenangaben belegt.

"Die Mensch-Hund-Beziehung"

Ab hier ging es richtig zur Sache und so war dieses Kapitel für mich als unbedarfte Hundefreundin natürlich besonders interessant. Es beginnt mit der Domestikation und zeigt die Ursachen der Veränderungen von Instinkt, Verhalten, Aussehen und Fähigkeiten des vom Menschen gemachten Wesens "Hund". Es behandelt die Rangordnung, Dominanz und die Ursachen von Aggressionen und wie man ihnen begegnet.

Es ist nicht einfach, dieses Kapitel für eine Buchbesprechung zu reduzieren. Trotzdem will ich es versuchen und mich auf das Thema Rangordnung beschränken. Es hat mich besonders interessiert, da ich von verschiedensten Seiten schon wahre Horrorgeschichten darüber gehört habe, was angeblich alles passieren kann, wenn man dem Hund nicht rechtzeitig und "gut genug" zeigt, wer der Herr im Haus ist. Bei so mancher Erziehungsmethode hat sich mir der Magen umgedreht und ich dachte, welches Armutszeugnis sich doch der Halter oder eine Hundeschule damit ausstellt! Was ist das für eine Leitfigur, die sich nur durchsetzen kann, indem sie das Tier demütigt oder in einer Weise straft, die ich als grausam und pervers empfinde. Dazu gehören zum Beispiel: bis zu 10 Tage hungern lassen, den Hund mit Maulkorb einer freien Hundehorde ausliefern, stunden- oder tagelanges Einsperren in Isolation, demütigende Gehorsamsübungen, körperliche und seelische Gewalt und weitere krankhafte Auswüchse. Einem Mensch, der sich solcher Mittel bedienen muss, sollte jegliche Tierhaltung verboten werden! Besser wäre es, er würde sich beispielsweise bei einer Kampfsportart mit gleichstarken Gegnern beweisen, was für ein toller Hecht er ist und sich dabei herzlich gerne eine blutige Nase holen!

Wie wohltuend anders ist der Weg, den wir zusammen mit Frau Rohn in deren Buch beschreiten.

Es behandelt zunächst die Rangordnung innerhalb des natürlichen (Familienverband) und des willkürlich zusammengestellten (z. B. Tierheim) Rudels. Es zeigt die Missverständnisse zwischen Mensch und Hund auf, die oft dazu führen, dass der Hund sich genötigt sieht, das Zepter zu übernehmen und die Entscheidungen für sich und seinen Menschen selbst zu treffen. Frau Rohn unterscheidet dabei zwischen der "natürlichen" Dominanz und der "gemachten" Dominanz.

Die natürliche Dominanz ist einem geborenen Leittier durch seine starke Persönlichkeit und seine Lebenserfahrung gegeben. Es strahlt Ruhe und Sicherheit aus und ist alles andere als aggressiv. Es übernimmt Verantwortung, bietet Schutz und maßregelt nur, wenn es nötig ist. Es muss sich stets beherrschen können, sich ehrlich darstellen und sich seinen Rudelmitgliedern gegenüber klar und eindeutig verhalten. Ich denke unwillkürlich: Oh Mann, was für ein Chef!

Nur wenige Tiere (Menschen) besitzen solche Führungsqualitäten, die anderen ordnen sich lieber einem solchen Rudelführer unter, genießen seinen Schutz und überlassen ihm die Verantwortung. Hier werden die Parallelen zu uns Menschen wieder deutlich. Wer würde nicht gerne für einen solchen Chef arbeiten? Aber die (Menschen-) Realität sieht leider ganz anders aus. Wie viele Nullen ohne jegliche Sozialkompetenz und Führungsstärke bevölkern doch die Chefetagen vieler Unternehmen! Der große Unterschied zwischen Tier und Mensch besteht jedoch darin, dass so ein inkompetenter Bewerber bei Tieren nie Rudelführer werden würde, sondern er müsste, falls er den (Betriebs-) Frieden des Rudels stören würde, es sogar verlassen. Bei uns modernen Menschen jedoch belohnt man ihn noch mit Millionengehältern, Abschussprämien, Abfindungen und Hoch- oder Wegbeförderungen ohne dass er für sein Tun zur Verantwortung gezogen wird, geschweige denn Konsequenzen dafür tragen muss. Das war vor Urzeiten auch bei uns einmal anders.

Die gemachte Dominanz ist genau das, was der Mensch nicht möchte, aber durch sein Verhalten verursacht. Wenn er dem Hund unsicher, ängstlich, nervös, hektisch und widersprüchlich erscheint, besteht die Gefahr, dass der Hund sich beim Menschen nicht mehr sicher fühlt und denkt, er müsse eher seinen Menschen beschützen oder schlimmer noch, sich dessen " unverschämten " Maßregelungen widersetzen. Frau Rohn beschreibt sehr genau, wie der Mensch sein meist unbewusstes Fehlverhalten erkennen und korrigieren kann.

"Angst"

Ein großer Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Thema Angst. Ich finde zu Recht, denn das eigentlich sinnvolle und lebenserhaltende Gefühl Angst ist meist die Wurzel allen Übels, wenn Situationen eskalieren und es zu Beißvorfällen kommt, oder Hunde still ein trauriges Dasein fristen. Deshalb ist es so wichtig, dass sich der Hundehalter mit den Gefühlen und Ängsten seines Hundes, aber auch seiner eigenen ernsthaft auseinandersetzt, sie erkennt und ihnen entgegentritt.

Ich befinde mich nun in der Situation, dass ich meinem Leser schon jetzt am liebsten sagen würde, dass er dieses Buch doch bitte selbst lesen soll. Jedes Wort zum Thema Angst empfinde ich so wichtig, dass ich beim Versuch einer sinnvollen Zusammenfassung das unbefriedigende Gefühl hatte, wichtige Details außer Acht zu lassen.

Frau Rohn beschreibt die verschiedenen Facetten der Angst, wie Ängste entstehen, welche Faktoren sie auslösen können und wie man dem Hund darüber hinweghilft, ohne ihn in seinen Ängsten zu bestätigen. Übrigens ist alles, wie das meiste in diesem Buch, 1:1 auf den Menschen oder andere Tierarten übertragbar.

Je länger ich in diesem Buch gelesen habe, desto weniger habe ich verstanden, weshalb so viele Menschen ihre Hunde nicht verstehen und deshalb falsch behandeln. Wir sind uns in unseren Gefühlen doch so ähnlich! Dabei macht es uns der Hund relativ leicht ihn zu verstehen, denn er macht aus seinen Gefühlen und Stimmungen, im Gegensatz zu uns Menschen, keinen Hehl.

Der Hauptteil des Kapitels befasst sich, wie könnte es auch anders sein, mit den Ängsten, die der Mensch absichtlich oder unbewusst verursacht (durch Machtausübung, permanente Überforderung, unbewusstes Fehlverhalten, Zeitmangel, Interesselosigkeit). Frau Rohn gibt dem Leser wichtiges Wissen und Lösungswege zur Hand, die aus meiner Sicht schlüssig und gut durchführbar sind. Vorausgesetzt, der Halter nimmt sich auch die nötige Zeit dazu. Falls er diese nicht erübrigen kann oder will, sollte er meines Erachtens sowieso von vornherein die Finger von der Hundehaltung lassen. Das ist übrigens der Grund, weshalb wir selbst bisher keine Hunde hatten. Denn das ist eine echte Lebensaufgabe, der die wenigsten Halter zeitlich und auch sonst wirklich gerecht werden (können).

Auch dieses Kapitel wird von beeindruckenden Fotos und Einzelschicksalen von Gnadenhofbewohnern begleitet. Bei den Geschichten der ausgesetzten Hündin Yucca und der ehemals freilebenden Schäferhündin Tashun kamen mir dann endgültig die Tränen. Am liebsten hätte ich alle beide zusammen mit Frau Rohn, die all dieses Tierleid auf sich nimmt und ertragen muss, in meine Arme genommen und getröstet. Zu Ihrer Beruhigung: Den beiden Hündinnen geht es heute, Dank Frau Rohn und dem Gnadenhof, wieder gut.

Mit einem Zitat eines Schafhirten aus Frankreich, das Frau Rohn in ihr Buch aufgenommen hat, möchte ich mich von diesem Kapitel verabschieden:

" Ein Mensch, der auf seinen Hund angewiesen ist, weiß genau, dass er nur mit einem Hund zusammen arbeiten kann, der ihm absolut vertraut und ihm bedingungslos gehorcht. Und solch ein großes Geschenk der Gemeinsamkeit kann niemals erzwungen werden. Viele Menschen schlagen ihre Hunde, damit sie gehorchen; diese Hunde werden ihren Besitzern niemals Freunde sein und in der Not versagen. Was haben wir Menschen nicht alles erreicht! Aber wir haben dabei verlernt, was wahre Freundschaft bedeutet. "

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

"Das Leben mit dem Hund"

Mit diesem Kapitel ging es für mich zum praktischen Teil über. Dem Leser wird nun das Handwerkszeug geliefert, um das bereits theoretisch gelernte in die Praxis umzusetzen. Die in den vorherigen Kapiteln angesprochenen Arten der Kommunikation werden nun bis ins Detail erklärt und visuell wiedergegeben.

Frau Rohn macht dem Leser ein weiteres Mal klar, wie wichtig es ist, sich auf die Gefühlswelt und die Stimmungslagen anderer Lebewesen einzulassen, diese wahrzunehmen und darauf einzugehen. Anders als der Gefühlsverdränger Mensch unterdrückt der Hund seine Stimmungen und Gefühle im Normalfall nicht und lebt diese völlig wertungsfrei und unverkrampft aus. Man könnte also, wenn man es denn wollte, in den sichtbaren Ausdrucksformen des Hundes lesen wie in einem Buch.

Diese beginnen mit dem Schwanzwedeln, das absolut nicht immer nur Freude bedeuten muss, sondern auch brenzlige Situationen ankündigen kann. Der Schwanz ist ein wahres Stimmungsbarometer und wichtiges Ausdrucks- und Mitteilungsorgan für den Hund. Du Armer Hund, wenn Du keinen mehr hast! Und Du böser, gedankenloser Mensch, der dir diesen Schwachsinn aus welchen Gründen auch immer angetan hat!

Auch an der Art und Häufigkeit des Markierens ist einiges über den Hund zu erfahren. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, denn bisher war ich der Auffassung, dass es sich hier lediglich um eine Territorialabgrenzung und eine Art Nachrichtendienst handelt. Dass es jedoch auch Rückschlüsse auf sein Innerstes zulässt (mangelndes Selbstbewusstsein, Unsicherheit, Selbstaufwertung, Dominanz) war mir bisher neu.

Von der Mimik, die in der Hund-Mensch-Beziehung einen hohen Stellenwert hat, geht es zur Körpersprache. Diese Signale und das Wissen über ihre Bedeutung sollte ein Mensch, der mit Hunden zu tun hat, schon aus eigenem Interesse unbedingt beherrschen. Bei vielen der gezeigten Bilder dachte ich schon instinktiv, dass nun wohl Vorsicht geboten ist. Aber andere Signale sind zum Teil so unterschwellig erkennbar, dass man sich mit dem Wissen darum einfach auseinander setzen muss.

Wie wichtig es auch für uns Menschen ist, die verschiedenen Signale der Beschwichtigung, Unterwerfung, Verlegenheit und Dominanz zu erkennen, zeigt sich daran, wie oft wir unbewusst und meist als Zeichen freundschaftlicher und liebevoller Annäherung Signale aussenden, die so von uns gar nicht gemeint waren (z. B. Unterwürfigkeit, Bedrohung etc.). Hier erkenne ich meine eigenen Fehler und fühle mich von dem Buch ganz schön ertappt!

Umgekehrt erkennen wir aus Unwissenheit die Signale nicht, die der Hund für uns ausstrahlt. Die Folge ist, dass der Mensch falsch reagiert, was zu fatalen Missverständnissen und Störungen in der Mensch-Hund-Beziehung führen kann. Ein permanent missverstandener Hund wird depressiv, leidet unter Angst und Stress, gibt sich auf oder entlädt sich im schlimmsten Fall in einer Notwehr-Aggression.

Alle Nuancen der oben genannten Signale werden schon in der Welpenzeit, aber auch von erwachsenen Hunden immer wieder im Spiel ausgelebt und für den Ernstfall geübt. Deshalb ist der Kontakt mit Artgenossen in jeder Lebensphase des Hundes wichtig. Eigentlich muss ich es ja nicht mehr extra erwähnen, aber wie wir es nun schon gewöhnt sind, werden die einzelnen Signale im Buch sehr ausführlich erklärt und mit Fotos sehr gut dokumentiert.

Weitere Themen, die ich nur kurz erwähnen möchte, die aber deshalb nicht weniger wichtig sind, behandeln die verschiedenen Arten der Motivation (unbedingt selbst lesen!) und die Auswirkungen von Stress. Auch hier wird wieder deutlich, dass wir alle aus einem Holze geschnitzt sind. Die aufgezeigten gesundheitlichen Auswirkungen von Dauerstress auf Hunde finde ich aufs dramatischste bei einem guten Freund von uns wieder. Er befindet sich beruflich schon seit einiger Zeit in einer verzweifelten und existenzbedrohenden Situation. Kein Arzt konnte ihm bisher auf dem medizinischen Weg helfen. Klar, solange nur die Symptome behandelt, aber die Ursache nicht bekämpft werden kann.

Im weiteren führt uns Frau Rohn zu den Anzeichen und Ursachen von so genannten Verhaltensstörungen, die oft gar keine sind, sondern nur ganz logische und artspezifische Reaktionen auf falsche Behandlung oder mangelndes Verständnis innerhalb der Mensch-Hund-Beziehung. Welches Verhalten normal ist und welches nicht legt in diesem Fall natürlich der Mensch mit all seinen eigenen Unzulänglichkeiten fest. In der menschlichen Gesellschaft genügt es ja schon, anders auszusehen oder sich unkonventionell zu verhalten, um als nicht normal eingestuft zu werden. Was für eine Chance hat dann erst ein Tier, das ein unerwünschtes Verhalten an den Tag legt, auch wenn es nur die logische Konsequenz auf Fehlbehandlung durch den Menschen selbst ist?!

Auch die besondere Problematik der Mehrhundehaltung wird im Buch angesprochen. Frau Rohn weist auf die Gefahren hin, die entstehen können, wenn Hunde im Gruppenverband ein stärkeres Selbstbewusstsein entwickeln und gemeinsam schneller bereit sind, ein anderes Lebewesen zu jagen oder anzugreifen. Hier ist vom Halter ein besonderes Maß an Führungsqualität, Wahrnehmungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein gefordert.

Als nächstes erfahren wir noch etwas über die Auswirkungen der Kastration, die im Interesse des Tieres sehr wohl überlegt sein will. Danach wird noch ein kurzer Abstecher zur Ernährung gemacht. Frau Rohn gibt grundlegende Tipps zur optimalen Fütterung und warnt vor gut gemeinter, aber gesundheitsschädigender Fehlernährung (z. B. Überversorgung mit synthetischen Vitaminen, Ballaststoffen und minderwertigen Proteinen in Dosenfutter).

In einem kurzen Exkurs zeigt uns Frau Rohn, wie lebenswert selbst noch das Leben eines kranken, behinderten oder alten Tiers sein kann und fragt, woher sich der Mensch das Recht nimmt, solches Leben in Frage zu stellen und zu beenden. Aus eigener Erfahrung mit unseren älteren und zu Beginn immer kranken Tierheimkatzen weiß ich, welche Lebensfreude noch in ihnen steckt und wie viel einem ein solches Tier zurück gibt, wenn man es mit Liebe, Fürsorge und Rücksicht behandelt.

Schließlich nimmt die Autorin noch Stellung zu den diversen Hilfsmitteln, die in der Hundeerziehung meist ohne Fachkenntnisse des Benutzers angewandt werden (was um Himmels Willen ist ein Leberwurstkong??). Die meisten sind für das Tier demütigend, schmerzhaft und gesundheitsschädigend. Sie verhindern die arteigene Kommunikation und grundlegende Bedürfnisse des Hundes. Der Mensch muss jederzeit in der Lage sein, auch ohne diese Hilfsmittel mit seinem Hund normal umzugehen und das gewünschte Verhalten von ihm zu erlangen.

Hilfsmittel, die beim Tier Schmerzen und Angst verursachen sind völlig zu verwerfen!

Sie sind nur ein Beweis für die Unfähigkeit des Halters oder der Hundeschule, die sich solcher Mittel bedienen muss. Hier ist unbedingt die Kritikfähigkeit des Halters gefordert, wenn er in eine Hundeschule gerät, die solche Methoden anwendet. Widerstreben dem Halter die Erziehungsmaßnahmen einer Hundeschule, sollte er unbedingt seinem Gefühl vertrauen und schnellstens das Weite suchen.

"Dogsense"

Nun stellt Frau Rohn in kurzen Zügen Ihr Trainingsprogramm vor, in dem sich ihre ganze Lebensphilosophie und ihre Einstellung zu allem Lebenden wiederspiegelt. Alles, was uns im Buch bereits nahegebracht wurde, wird im Dogsense-Training für Hund und Mensch in die Praxis umgesetzt. Das A+O ist wiederum der Respekt vor der Persönlichkeit, der Authentizität und der Gefühlswelt des Hundes. Durch die spezielle Förderung seiner Intelligenz und seiner Fähigkeiten, geht der Hund mit einer gestärkten Persönlichkeit aus dem Training hervor. Ein so gestärkter Hund stellt natürlich entsprechende Anforderungen an seinen Halter. Er will, entsprechend seiner Fähigkeiten, sinnvoll gefordert, motiviert und mit größerer Sensibilität geführt werden.

"Der Gnadenhof"

In diesem (leider!) letzten Kapitel lernen wir den Gnadenhof kennen und erfahren, wie es zu dessen Entstehung gekommen ist. Frau Rohn erzählt aus ihrer frühen Kindheit und Jugend, in der ihr ihre Eltern, ihr Großvater und ihre Tante besonders die Achtung vor allen Lebewesen und der Natur vermittelt haben. Bereits als Jungendliche hat Frau Rohn in Tierheimen mitgeholfen und erkannt, dass die meisten aggressiven Hunde nur aus Angst und Selbstschutz gehandelt haben. Schon damals reifte der Gedanke in ihr, speziell solchen Tieren zu helfen, denen niemand mehr eine Chance geben will und die deshalb zum Tod verurteilt waren. Bei diesem Vorsatz blieb es nicht, er wurde schon sehr früh von ihr in die Tat umgesetzt.

Der Gnadenhof wird dem Leser anhand sehr vieler Bilder und Erläuterungen vorgestellt und sein täglicher Kampf ums Überleben geschildert. Er erhält, was für mich ein Skandal ist, im Gegensatz zu städtischen Tierheimen keinerlei öffentliche Fördergelder und ist ausschließlich auf Spenden angewiesen. Die Leistungen, die Frau Rohn für die Gesellschaft erbringt, nämlich die Aufnahme, Heilung und Therapierung beschlagnahmter Tiere, werden in der Regel nicht anerkannt und von der öffentlichen Hand als Selbstverständlichkeit zum Nulltarif hingenommen. Deshalb möchte ich auch diese Gelegenheit nutzen, um mich der dringenden Bitte von Frau Rohn um Unterstützung des Gnadenhofs anzuschließen. Hier haben wir die Möglichkeit, einer wirklich guten Sache mit jedem gespendeten Cent zu helfen. Lassen Sie uns bitte mithelfen, ein wenig von dem gutzumachen, was wir Menschen der Kreatur angetan haben und fortwährend antun!

Mein Schlusswort

Ich kann dieses Buch, das für mich auch den Charakter eines Nachschlagewerkes hat, jedem Hundehalter und Tierfreund nur wärmstens empfehlen. Es ist sehr gut verständlich, fesselnd, vermittelt eine unglaubliche Menge an Wissen und eröffnet Horizonte. Mir hat es gezeigt, dass es uns Menschen gut tun würde, wenn wir uns ein wenig "verhundlichen" lassen würden. Damit meine ich nicht, dass wir den Hund imitieren sollen, sondern dass wir es uns ruhig abschauen sollten, wie offen und ehrlich Hunde mit ihren Gefühlen und Stimmungen untereinander und uns gegenüber umgehen.

Mit einem Zitat von Henry Beston möchte ich mich von Ihnen, liebe/r Leser/in verabschieden und Ihnen genauso viel Freude beim Lesen dieses Buches wünschen, wie ich empfunden habe:

"Tiere sind Brüder, sie sind keine Untergebenen.
Sie sind andere Völker, die mit uns im Netz des Lebens und der Zeit gefangen sind."

Heike Steeb

Christiane Rohn mit Dion
Foto: Christiane Rohn

Nachsatz

Man kann dieses Buch direkt bei Christiane Rohn bestellen, der Versand ist kostenlos.

Die Telefon Nummer lautet: 07522 - 7079670 oder man geht ins Internet auf die HP des Vereines.

www.der-Gnadenhof.de


Nachtrag:

Aufgrund aktueller Ereignisse, nachzulesen u. a. unter "In eigener Sache" vom 19.01.2006, 10.02.2006 und Kaukasen-Blättle-Ausgaben Februar 2006, März 2006 und Mai 2006 distanziert sich die Redaktion des Kaukasen-Blättles vom Inhalt dieser Buchbesprechung, den Gnadenhof "Lebenswürde für Tiere e. V. (Argenhof) und Christiane Rohn betreffend. Wir werden diesen Artikel trotzdem nicht löschen, sondern zu gegebener Zeit einen objektiven Bericht über den Ausgang der laufenden Verfahren in Bezug auf Spendengeldbetrug und tierschutzwidriger Unterbringung von anvertrauten Tieren schreiben.

Hartmut Deckert

eingetragen: 03.06.2006


Zu diesem Artikel bekamen wir folgende Leserbriefe: